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08.10.05 / Linksruck in der Steiermark / Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) zieht als drittstärkste Fraktion in den Landtag ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Oktober 2005

Linksruck in der Steiermark
Die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) zieht als drittstärkste Fraktion in den Landtag ein
von R. G. Kerschhofer

Nach der Wahl ist vor der Wahl - mit drei Landtagswahlen innerhalb von drei Wochen hat dieser Gemeinplatz aber durchaus Substanz. Denn die steirischen Wahlen am 2. Oktober brachten dramatische Verschiebungen und könnten somit auch das Wählerverhalten im Burgenland am 9. Oktober und vor allem in Wien am 23. Oktober beeinflussen.

Die ÖVP verlor in der Steiermark 8,6 Prozentpunkte und muß mit 38,7 Prozent und 24 Mandaten erstmals seit 1945 die Führung abgeben. Die SPÖ legte 9,4 Prozentpunkte zu und erreichte 41,7 Prozent und 25 Mandate. Die KPÖ zieht mit 6,3 Prozent und vier Mandaten erstmals seit 1970 wieder in den Landtag ein. Die Grünen hatten Verluste, hielten aber ihre drei Mandate. Die FPÖ, stimmenmäßig nur knapp hinter den Grünen, erreichte kein Grundmandat und scheidet aus dem Landtag aus. Die von der ÖVP abgespaltene Liste Hirschmann und Haiders BZÖ waren chancenlos, nahmen aber der ÖVP wichtige und der FPÖ entscheidende Stimmen weg.

Die Gründe für das ÖVP-Debakel sind durchwegs hausgemacht und vorwiegend lokaler Natur: Eine Abspaltung mit viel öffentlicher Schmutzwäsche und mehrere medienwirksame Affären bleiben eben nicht ungestraft. Als Konsequenz scheidet die bis-herige "Landesmutter", Landeshauptmann Waltraud Klasnic, aus Landesregierung und Landtag aus. Das Spaltungsdrama von FPÖ und BZÖ auf Bundesebene erwies sich auch auf Landesebene als sicheres Mittel zur Wählervertreibung. SPÖ und KPÖ "profitieren" von der schwierigen Arbeitsmarktlage in den Industrieregionen Graz und Obersteiermark - denn "daran sind ja andere schuld", also die Regierung. Beide Parteien konnten auch mit durchaus ansprechenden Spitzenkandidaten aufwarten, was insbesondere den KP-Erfolg erklärt. Das schwache Abschneiden der Grünen hängt ebenfalls mit der Wirtschaft zusammen, denn gerade in der Schwerindustrie setzt sich die Erkenntnis durch, daß Grün genauso Arbeitsplätze kostet wie die Globalisierung.

Der Wahlausgang ist natürlich auch von der Bundespolitik beeinflußt, wobei vorrangig das Thema Türkei zu nennen ist: Wenn 80 Prozent der Bevölkerung gegen und höchstens zehn Prozent für einen türkischen EU-Beitritt sind, wer kann davon profitieren? Etwa die ÖVP dank der Haltung von Bundeskanzler Schüssel? Oder die FPÖ, die traditionell gegen Überfremdung auftritt? Weder noch, denn SPÖ-Chef Gusenbauer erklärte zwei Tage vor der Wahl seine uneingeschränkte Unterstützung für die Regierungslinie und sprach die Hoffnung aus, daß Schüssel nicht "umfallen" werde. Schüssel leugnet zwar, daß seine Haltung in der Türkei-Frage mit den Wahlen zu tun habe. Es ist aber offenkundig, daß jeder "Umfaller" die ÖVP Stimmen kosten muß. Umgekehrt konnte Gusenbauer damit der FPÖ den Wind aus den Segeln nehmen und Arbeiterstimmen zurückgewinnen, die in früheren Wahlgängen von der SPÖ zur FPÖ gewandert waren.

Insgesamt profitieren SPÖ und KPÖ nicht von eigenen Verdiensten, sondern von (meist vermeidbaren) Fehlern der Regierungsparteien ÖVP und BZÖ. Besonders lächerlich war ein Vorstoß von Gesundheitsministerin Rauch-Kallat (ÖVP) zur Abänderung des Textes der Bundeshymne: Darin heißt es nämlich "Heimat bist du großer Söhne" - aber wo bleiben die Töchter? Daß Haiders Schwester, Sozialministerin Haubner (BZÖ) zunächst ins gleiche Horn stieß, aber dann von der eigenen Partei zurückgepfiffen wurde, macht die Sache noch grotesker. Die Debatte um die Hymne ist mittlerweile wieder vom Tisch.

Fazit des steirischen Votums: In der Landesregierung verschiebt sich das Kräfteverhältnis ÖVP-SPÖ-FPÖ von bisher 5:3:1 auf 4:5:0, und die ÖVP hat somit nach Salzburg eine weitere "Erbpacht" verloren. Für die österreichische Bundesregierung bedeutet dies, daß sie in der Länderkammer des Parlaments über keine Mehrheit mehr verfügt - was allerdings wegen der geringen Befugnisse dieses Gremiums kaum praktische Auswirkungen hat. Für die "Orangen" könnte es der Anfang vom Ende sein: Im Burgenland tritt das BZÖ gar nicht an, und in Wien müssen sich etwaige Sympathisanten der Aussichtslosigkeit bewußt sein. Ob das aber der FPÖ zugute kommt, ist keineswegs sicher, denn Wählerfrust rechts der Mitte führt häufig zur Stimmenthaltung.

Ratlosigkeit nach Beginn der Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei: Österreichs Außenministerin Plassnik und Kanzler Schüssel Foto: Reuters


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