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08.10.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Oktober 2005

Einmal umrühren/ "Du bist Deutschland": Aufmunterungsübungen am Stelenfeld
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Papst waren wir schon, das wissen wir aus der "Bild-Zeitung", stand groß drin damals im April. Was wir noch sind, erfahren wir seit neuestem aus dem Fernsehen. "Du bist Deutschland" - fast können wir es nicht mehr hören. Es soll nun wieder vorwärts gehen - "ohne Geschwindigkeitsbegrenzung" - jubelt man uns an.

Doch irgendwie will keine rechte "Vorwärts"-Stimmung aufkommen beim Betrachten der aufmunternd gemeinten Filmchen. Schon die Melodie im Hintergrund scheint aus der Klangtherapie für Schwersttraumatisierte entnommen zu sein. Sie suggeriert: "Alles nicht so schlimm, heul' dich ruhig aus. Jeder macht mal so eine Krise durch." Kurz: Sie verbreitet ein Gefühl wohliger Melancholie statt des Drangs nach dynamischem Aufbruch.

Was eigentlich kein Wunder ist: Die Musik von "Du bist Deutschland" stammt nämlich aus dem US-Spielfilm "Forrest Gump" von 1994. Da geht es um einen Jungen, der nicht bloß leicht körperbehindert ist, sondern auch noch einen Intelligenzquotienten von mageren 75 aufweist. Das ist mehr als dürftig und taugt eigentlich kaum zum Lesen und Schreiben. Dennoch macht Klein-Forrest seinen Weg durch's Leben und wird sogar reich. Er ist dermaßen lieb und vertrottelt, daß ihm keiner richtig böse sein kann. Erfolg hat er jeweils bloß durch glückliche Zufälle, die, obwohl reichlich konstruiert, vom Drehbuchautor recht nett eingefädelt wurden. US-Darsteller Tom Hanks spielte den tragikomischen Helden in einmaliger Weise.

Einer wie Forrest Gump hat der Armada von Werbe- und Medienleuten offenbar vorgeschwebt, als sie an Deutschland 2005 dachte: Ziemlich bekloppt, völlig durch den Wind und leicht behindert, im Kern aber vielleicht doch zu irgend etwas nütze und eigentlich ganz lieb. Man muß ihm nur gut und sanft zureden.

Angeblich haben die Macher allesamt für Umsonst gearbeitet und nur an den zu umlullenden Patienten Deutschland gedacht. Ganz mag man ihnen die Selbstlosigkeit aber nicht abnehmen. Der Verdacht schleicht sich ein, daß sie den Streifen hier nur probelaufen lassen, um ihn später an andere Völker zu verkaufen, die ebenfalls auf die Couch gehören. Woher dieser düstere Verdacht rührt? Da ist beispielsweise von Fahnen die Rede - nur zu sehen sind keine! Auch sonst fehlt es an gängigen deutschen Symbolen. Alles ist völlig austauschbar. Kein Adler, schon gar keine deutschen Soldaten, von deutschen Helden der Geschichte ganz zu schweigen. Offenbar ist der gesamte Film eigens darauf getrimmt, so austauschbar wie möglich zu sein, damit man ohne den Text gar nicht merkt, um welches Land er sich dreht. So gerät das Deutschlandbild zu einem Sammelsurium, das sich in süßem Geseier erschöpft, das man überall auf der Welt mit denselben Bildern anbringen könnte.

Aber seien wir nicht zu hart. Jede Äußerung enthüllt bekanntlich mehr über ihren Urheber als über das, worüber er spricht. Das müssen wir auch für die Produzenten von "Du bist Deutschland" gelten lassen. Einflußreiche Meinungsbildner in unserem Land, die ja auch hinter dieser Kampagne stecken, haben sich über Jahrzehnte alle Mühe gegeben, "Deutschland" in der Kanalisation der Geschichte zu versenken. Mit sagenhafter Energie durchstreiften sie und ihre Nachahmer an der Basis die Gegend auf der Pirsch nach "fragwürdigen Traditionen".

Ein Verdikt, das vom Schützenverein bis zur Studentenverbindung alles zu vertilgen trachtete, was "deutsch" roch. In Panik versetzt begann jede Trachten- oder Sängertruppe, den "völkerverbindenden Charakter" ihrer Arbeit herauszukehren, was ohne beträchtliche Beschneidungen ihres deutschen Repertoirs nicht glaubhaft war. Blieb höchstens der Sport. Eine deutsche Nationalmannschaft mußte man leider tolerieren, weil die anderen Länder ja auch noch welche hatten.

Die Jahrzehnte des Auskehrens waren äußerst erfolgreich. Bei der Feier eines ländlichen CDU-Kreisverbandes zum 3. Oktober vergangenen Montag spielte die jugendliche Musikkapelle zwar recht gekonnt allerlei Jazziges. Die Nationalhymne mußten die Anwesenden jedoch allein vom Blasinstrument des "Bandleaders" begleitet anstimmen. Die jungen Musiker hatten das Stück nie gelernt.

Kurz: Die Entdeutschung des Landes hat sich bis in die letzten Winkel der Republik hinein durchgesetzt. Alles ist bis zu seiner völligen Zerstäubung "hinterfragt", "kritisch durchleuchtet" und seiner "Fragwürdigkeit" überführt worden. Was übrigbleibt, gibt es bei "Du bist Deutschland" am abendlichen Bildschirm zu besichtigen. Mehr fiel den Produzenten zu dem Thema einfach nicht mehr ein.

Was wir dort als erstes lernen: "Deutschland" ist das Netteste, Harmloseste und Formloseste, das diese Welt kennt. Jetzt geht es nur darum, die graue Masse ein wenig schneller umzurühren, und schon blubbert aus ihr der nächste Aufschwung hervor.

Damit der Pampe aber keine "Geister der Vergangenheit" mehr entsteigen, feuert uns der Sänger Xavier Naidoo vorsorglich vom Berliner Holocaustmahnmal herab an. So kann nicht vergessen werden, daß Deutschland vor allem etwas zum Grämen und Schämen bleibt. Das Stelenfeld ist neben der im Hintergrund vorbeihuschenden Dresdner Frauenkirche das einzige "nationale Symbol".

Also muß immerhin die Einsicht gereift sein, daß ein Vaterland schon irgendwie sein muß. Man kommt aber offensichtlich mit der Tatsache nicht zurecht, daß es sich dabei um Deutschland handelt und versucht daher, dieses sperrige Ding weichzuspülen, damit es leichter runtergeht.

Das benachbarte Ausland beobachtet die deutsche Verrenkung aufmerksam. Die Londoner "Times" fühlt sich an ähnliche Propaganda-Übungen in England Ende der 60er Jahre erinnert. Damals ging es mit dem Abstieg Großbritanniens gerade erst so richtig los. Die Aussichten für die Berliner Politik lassen vermuten, daß "Du bist Deutschland" ebenfalls den Beginn einer ähnlich lausigen Epoche einläutet.

Die Briten hatten indes einen entscheidenen Vorteil: Sie waren zwar politisch und wirtschaftlich ermattet, die Nation regelrecht verboten hatte ihnen jedoch keiner. So blieben manche Traditionen wunderbar intakt. Londons Politik knüpft noch heute - trotz aller Kolonial- und Kriegsverbrechen - mühelos an ihre alten Muster an.

Der Jubel des britischen Außenministers über den am Horizont aufscheinenden EU-Beitritt der Türkei war daher vollkommen echt. Die deutsch-französiche Achse als Rückgrat der Europäischen Union lag den Briten schon lange wie eine Gräte im Hals. Paris und Berlin zu entzweien wollte nicht gelingen, der klassische "Festlandsdegen" mußte woanders hineingeschoben werden. Für Berlin-Paris und die gesamte EU ist das Türkei-Abenteuer im Londoner Kalkül nun so etwas wie Napoleons Marsch nach Moskau: Mit großem Gepäck sollen sie losziehen, in den Untiefen Anatoliens alles verlieren und danach geschwächt und zerstritten zurückkehren. Das ist dann Großbritanniens große Stunde als "Ordnungsmacht", die einen neuen Plan für Europa entwirft, mit den USA im Rücken.

Deutschland öffnet sich vorsorglich für die Kulturen ferner Länder, um weiteren EU-Erweiterungen gelassen entgegensehen zu können. In manchen islamischen Regionen werde "Demokratie" so verstanden, daß nur einmal jemand gewählt werde und der dann aber für immer, erklärte der Orient-Experte Peter Scholl-Latour. Wer Kanzler Schröder in diesen Tagen beobachtet hat, merkt: Die Wahlergebnisse sind dem Kanzler ebenso egal wie einem altorientalischen Pascha, der sich nur zum Schein auf dieses Spiel eingelassen hat.

"... wir senden Arbeiterlieder." Zeichnung: Götz Wiedenroth


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