25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.10.05 / Konservative ohne Lobby / In einer sozialdemokratisch geprägten großen Koalition ist kein Platz für den rechten Flügel der Union

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Oktober 2005

Konservative ohne Lobby
In einer sozialdemokratisch geprägten großen Koalition ist kein Platz für den rechten Flügel der Union
von Hans Heckel

Angela Merkel werde die erste CDU-Kanzlerin an der Spitze einer sozialdemokratischen Regierung sein, witzelte das politische Berlin am Rande des schwarz-roten Koalitionspokers. Die Mehrheit der Kommentatoren spielte damit allein auf die Tatsache an, daß sich die Union den Kanzlersessel erkauft hat, indem sie dem roten Partner ein personelles Übergewicht am Kabinettstisch zubilligte. Für Konservative und Nationalliberale mag in dem Bonmot sehr viel mehr mitschwingen. Jenen, die seit Jahren und Jahrzehnten eine schleichende Linkswanderung der bürgerlichen Parteien beklagen, erscheint die aufziehende Regierungskonstellation wie der logische und tragische Schlußpunkt einer langen Entwicklung.

Für die CDU könnte es daher fortan gefährlicher werden an ihrem rechten Flügel. Der hat bislang scheinbar jede Kröte geschluckt und ist aus Furcht, von einer CDU-Niederlage würden vor allem Rote und Grüne profitieren, am Tag der Entscheidung stets zähneknirschend unter's Dach der Union zurückgekehrt. Unter den Voraussetzungen einer großen Koalition aber wird es für die Unionsführung ungleich schwerer werden, die demokratische Rechte erneut per "Lagerwahlkampf" ins Glied zu zwingen.

Was sich während der vergangenen Jahre in glücklosen Parteineugründungen, in "Konventen", Initiativen und verzweifelten Aufrufen bemerkbar gemacht hat, könnte in Opposition zu einer allzu sozialdemokratisch geprägten Regierungspolitik unter einer Kanzlerin der CDU ein (auch partei-)politisches Eigenleben jenseits der C-Parteien entfalten. Das wurde schon oft prognostiziert, doch heute kann ohne jede falsche Dramatisierung festgestellt werden, daß die Lage der Zweiten Republik noch nie so ernst war - weshalb lange angebahnte Entwicklungen jäh zum Ausbruch kommen können.

Affären wie der Rauswurf des damaligen CDU-Parlamentariers Martin Hohmann haben Narben hinterlassen. Selbst solche potentiellen CDU-Anhänger, die weder in Inhalt noch Wortwahl mit dem Fuldaer Abgeordneten übereinstimmen mochten, sahen in seiner Behandlung einerseits ein Indiz für die Willfährigkeit der Unionsspitze gegenüber linken Kampagnen und andererseits ein Zeichen für den fortschreitenden Linksrutsch von CDU und CSU selbst. So entstand für sie der Eindruck, daß die Union konservative Positionen und ihre Protagonisten entweder nicht mehr stützen kann oder sogar überhaupt nicht mehr stützen will.

Doch der Entfremdungsprozeß währt schon sehr viel länger: Inhaltliche Defizite wie die völlige Vernachlässigung der Familienkrise und des Geburtenrückgangs, die Behandlung von Vertriebenen und Enteigneten oder der Umgang mit der Bundeswehr während der Kohl-Ära ließen Konservative und Nationalliberale schon damals Schritt für Schritt innerlich Abschied nehmen von der großen Partei, die sie einst selbstverständlich für die "ihre" gehalten hatten. Nur die noch größere Distanz, die sie von den Sozialdemokraten trennte, hielt sie zumindest in den Wahlkabinen bei der Stange. Die große Koalition vor Augen ist dieser letzte Anreiz, doch noch Union zu wählen, jedoch hinfällig.

Bliebe die FDP, der es angesichts einer großen Koalition als einziger nichtlinker Oppositionspartei überlassen bliebe, den Heimatlosen ein Auffangbecken zu bieten. Die Liberalen haben jedoch in der jüngeren Vergangenheit mehrfach und drastisch deutlich gemacht, daß ein rechter Flügel das letzte ist, was sie zu tolerieren bereit wären. In den 90er Jahren wurde dem vermehrten Engagement von Nationalliberalen, wie dem ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl, von seiten der FDP-Führung brachial ein Riegel vorgeschoben. In Stahls Berliner Landesverband wurden (die sonst heiß umworbenen) FDP-Beitrittsbewerber einzeln unter die Lupe genommen, um den weiteren Zufluß von Nationalliberalen abzublocken.

Union wie FDP setzten bislang darauf, daß sich die Masse der Bevölkerung, darunter insbesondere die Jugend, stillschweigend aber stetig nach links bewege. Deshalb dürfe man den rechten Flügel als fortwährend dahinschmelzende Gruppe wegen kurzfristig zu gewinnender Wahlen zwar nicht allzu sehr verärgern, wegen der langfristigen Entwicklung nach links aber auch nicht wirklich ernstnehmen.

Umfragen unter jungen Leuten strafen diese Einschätzung indes Lüge. Zwar scheuen junge wie auch ältere Deutsche, sich öffentlich als "rechts" einzustufen. Dies liegt jedoch weniger an Inhalten als an der Tatsache, daß es der Linken (die weiterhin ganz selbstverständlich als "Linke" auftritt) gelungen ist, den Begriff "Rechts" zu diffamieren, ja zu kriminalisieren. Daher möchte kaum noch jemand mit diesem Etikett herumlaufen. Nach Inhalten befragt, ergibt sich ein anderes Bild: Als das Meinungsforschungsinstitut "Forsa" im Auftrag des Jugendmagazins des "Stern", "Neon", im Juni dieses Jahres 2000 repräsentativ ausgewählte 18- bis 30jährige nach ihren Vorstellungen befragte, traten überraschend konservative Einstellungen zutage. Familie, Arbeit, Erfolg, Gesetzestreue, Verläßlichkeit - das sind die Werte, auf welche die Befragten sich stützen wollen und die ihnen wertvoll sind.

Es scheint so, als sei die Union bei ihrer Vermutung einer allgemeinen gesellschaftlichen Linkswendung auf Medien und Berater hereingefallen, die entweder selbst in linkem Wunschdenken befangen sind oder zuviel unter ihresgleichen verkehren, wo sie das Verständnis für die Welt draußen verloren haben.

Der Generation der heute 18- bis 30jährigen steht der Sinn kaum noch nach dem "Aufbrechen überkommener gesellschaftlicher Strukturen". Sie wären statt dessen froh, solche "Strukturen" überhaupt noch in intaktem Zustand vorzufinden. Daß die Menschen längst spüren, daß auch die Nation unbedingt zu diesen "Strukturen" gehört, haben mittlerweile alle bemerkt - neuerdings quälen sich sogar Zeitgenossen öffentlich mit ungelenken Patriotismusübungen, die jeden positiven Bezug zum Vaterland eben noch zum Fall für den Verfassungsschutz erklärt hätten. Lange Zeit ist es der Union gelungen, patriotische Kreise an sich zu binden, da die Linke noch kläglicher abschnitt bei der Bejahung des eigenen Landes. Doch die Union hat auch in diesem psychologisch äußerst wichtigen Gebiet das Feld geräumt. Nur deshalb fiel es selbst einem Gerhard Schröder so leicht, die C-Parteien mit pseudopatriotischem Wahlkampfgeklingel 2002 vor sich herzutreiben.

Die Unionsoberen mögen sich damit beruhigen, daß der letzte Versuch einer rechten Konkurrenzpartei, die Schillpartei in Hamburg, nach kurzem heftigen Aufflackern auf Landesebene wieder verschwunden ist. Innerparteiliches Durcheinander und das unstete Wesen ihres Gründers Ronald Schill hatten es zuwege gebracht, daß die Truppe schon nach zwei Jahren wieder aus der Verantwortung flog und im Nichts versank. Daß die CDU das gesamte Schill-Potential einsammeln und so erstmals in der Geschichte des Stadtstaats die absolute Mehrheit der Parlamentssitze erringen konnte, verdankte sie allerdings allein der ausgeprägten Abneigung der Hansestädter gegen eine Rück-kehr der Sozialdemokraten ins Rathaus und der Popularität ihres Spitzenkandidaten Ole von Beust. Das Unbehagen an der Union ist damit keineswegs verschwunden.

So bleibt "Schill" ein Menetekel für die CDU. Dessen plötzlicher Aufstieg rührte daher, daß zahlreiche Hamburger den Unterschied zwischen Union und SPD nicht mehr erkennen konnten. Genau dies könnte sich alsbald auf Bundesebene wiederholen. Und es ist nicht auszuschließen, daß künftige Konkurrenten der Union aus den Fehlern ihrer Vorgänger gelernt haben werden. Bei bisherigen Neugründungen von Mitterechtsparteien konnte die Union noch darauf vertrauen, daß diese oft nur aus einem momentanen Impuls heraus geboren wurden, weshalb die anfängliche Begeisterung bald verflog. Auch hemmte die kleinen Mitbewerber ihr politischer Dilettantismus. Eine programmatisch wie personell gut aufgestellte neue Formation hingegen hätte die Chance, sich dauerhaft in dem Vakuum einzunisten, das die Union hat wachsen lassen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren