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22.10.05 / "Ein Aufbruch zu neuen Ufern" / Interview mit dem Chairman des Hanse-Parlaments Jürgen Hogeforster

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Oktober 2005

"Ein Aufbruch zu neuen Ufern"
Interview mit dem Chairman des Hanse-Parlaments Jürgen Hogeforster

In Hamburg findet vom 27. bis zum 29. Oktober im Rahmen eines EU-Förderprogramms die erste internationale wissenschaftliche Tagung des Hanse-Parlaments gemeinsam mit der Universität Hamburg und dem Institut "Haus Rissen" statt. Sie soll der Intensivierung der EU-Osterweiterung dienen und auch den historisch-kulturellen Austausch der Ostsee-Anrainer-Staaten untereinander beleben, deren mittelständische Wirtschaft das Hanse-Parlament im Sinne der alten Hanse zu neuen Erfolgen führen will.

Was wollen Sie mit der Hanse-Tagung und mit dem Hanse-Parlament bewirken?

Hogeforster: Dazu eine kleine Story: In Petersburg wurde mir ein Becher gezeigt, der vor mehr als 200 Jahren russischen und deutschen Handwerkern als Anerkennung für erfolgreiche Zusammenarbeit vom Zaren persönlich überreicht worden ist. Ein historisches Symbol für unsere Bemühungen, die wirtschaftliche Zusammenarbeit der mittelständischen Wirtschaft im Ostseeraum zu fördern. Die Ostsee-Anrainer-Staaten galten ja schon früher als ein Raum von großer Wirtschaftskraft, und die historische Hanse hat jahrhundertelang, nicht zuletzt unter der Führung der Stadt Lübeck, das praktiziert, was die EU heute erneut unternimmt, nämlich den Ostseeraum als einen Bereich verwandter kultureller und wirtschaftlicher Entwicklungen zu aktivieren. Deshalb haben wir uns von Anfang an mit Brüssel in Verbindung gesetzt, und die bevorstehende Tagung, die in allen Ostseestaaten auffallend großes Interesse findet, will jetzt die historische und kulturelle Basis unserer Arbeit deutlich machen und gleichzeitig Ziele und Strategien für eine gemeinsame Zukunftsgestaltung entwickeln.

Was ist durch die Entstehung des Hanse-Parlaments bisher praktisch in Gang gesetzt worden?

Hogeforster: Also zunächst einmal haben wir auch bereits vor unserem offiziellen Gründungstermin, dem 1. Oktober 2004, als das Hanse-Parlament ins Vereinsregister des Amtsgerichts Hamburg eingetragen wurde, einen lebhaften Austausch gehabt mit unseren derzeit 32 Mitgliedsorganisationen in den elf Ländern des Ostseeraumes. Dänemark, Norwegen, Schweden, Finnland, Rußland, die drei Baltischen Staaten, Weißrußland, Polen und Deutschland sind unser Einzugsbereich. Dort arbeiten wir mit Kammern und Verbänden zusammen und konzentrieren uns auf kleine wie mittlere Unternehmen, ohne spezifisch auf deren Zugehörigkeit zu Handwerk oder Industrie zu achten.

Auf unserem Programm steht sowohl die Förderung der Berufsausbildung als auch die Vermittlung von Austauschplätzen für Jugendliche wie für Berufspraktiker.

In Hamburg hat in diesem Frühjahr ja bereits die erste neue Fachhochschule mit einem dualen Studien-Programm, das heißt einer gleichwertigen Ausbildung in Theorie wie Praxis, ihre Arbeit aufgenommen. Sie zählt gegenwärtig 165 Studierende. Dabei handelt es sich um eine Gemeinschaftsgründung unserer Hanse-Parlamentsmitglieder, der Handwerkskammern Lüneburg, Schwerin und Hamburg.

Und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der EU?

Hogeforster: Wir haben bei der Europäischen Union im Rahmen von EU-Förderprogrammen drei Entwicklungsprojekte eingereicht.

Dabei handelt es sich

1. um ein über drei Jahre laufendes Projekt im Ostseeraum gemeinsam mit unseren Mitgliedern und öffentlichen Institutionen in deren Ländern. In diesem Rahmen sollen unter anderem vier Fachhochschulen gegründet werden, die für Mittelstandsunternehmer eine duale Eliteausbildung mit Bachelor-Abschluß ermöglichen. Die erste entsteht zur Zeit in Norddeutschland. Im nächsten Jahr wird Danzig starten. Es folgen Vilnius oder Riga in den baltischen Staaten und Pori in Finnland.

2. um die Entwicklung von Förderprogrammen für grenzüberschreitende Tätigkeiten ebenfalls für Mittelstandsunternehmer wie Sprachkurse, Exportseminare, Kooperationsbörsen oder auch gemeinsame Produktentwicklungen et cetera.

3. um den Aufbau realer wie virtueller Netzwerke, die die Zusammenarbeit der Organisationen und Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft mit den öffentlichen Verwaltungen und Universitäten erleichtern. Dabei geht es auch um eine Anerkennung der Berufsbildungsabschlüsse aller Ostseestaaten untereinander.

Wo haben Sie für diese Bemühungen besonders starkes Interesse gefunden?

Hogeforster: Das Echo ist am stärksten in Polen und in den drei baltischen Ländern. In Warschau hat das Wissenschaftsministerium der Gründung der Fachhochschule sofort zugestimmt, und die Stadt Warschau will dafür in Danzig ein Gebäude bereitstellen, so daß schon im kommenden Jahr mit der Arbeit begonnen werden kann. Es haben sich aber auch viele betriebliche Einzelkontakte entwickelt, wobei sich Betriebe in Polen und dem Baltikum als besonders kooperationsbereit erwiesen haben. Ein Feinmechanik-Unternehmen aus Hamburg arbeitet zum Beispiel mit polnischen Betrieben zusammen und hat in Polen für seine Produkte einen neuen Markt entwickelt, wodurch es seine Hamburger Mannschaft um fast die Hälfte vergrößern konnte.

Und wie verhält es sich mit Rußland?

Hogeforster: Hier kommen uns die EU-Aktivitäten mit spezifischen Förderprogrammen entgegen. In diesem Rahmen hat man sich aus Brüssel direkt an das Hanse-Parlament gewandt, um unsere Kontakt-Netzwerke zu nutzen. Das gilt vor allem für ein Projekt zur Stärkung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie zur Förderung der Berufsausbildung in Rußland und Weißrußland.

Wir haben zum Beispiel in Kaliningrad, dem früheren Königsberg, zwei Partner, mit denen wir zusammenarbeiten: eine halb-staatliche Stiftung zur Förderung kleiner Betriebe mit 14 regionalen Beratungseinrichtungen sowie die dort in Gründung befindliche Handwerkskammer. Sie wird von Frau Burlakowa Rimma Michajlowna geleitet, die mir übrigens in einem Gespräch sagte, als ich Kaliningrad Königsberg nannte: "Deshalb müssen Sie sich nicht entschuldigen. Wir sind hier geboren, und wir fühlen uns als Königsberger."

Und wo haben Sie im Vergleich dazu ihr schwächstes Echo festgestellt?

Hogeforster: Leider war das Echo in Deutschland am schwächsten, obwohl unsere Aktivitäten hierzulande auf politischer Ebene sehr begrüßt werden, wie beispielsweise ganz besonders von Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust. Aber in den Bereichen der Wirtschaft gibt es vielfach eine abwartende, fast ängstliche Haltung. Mittelfristig werden im Ostseeraum wahrscheinlich etwa 20 Prozent unserer Mittelständler aktiv werden.

Dabei spielt nicht zuletzt auch der Disput um die klassische Meisterprüfung eine Rolle, die es in Europa ja nur noch in Luxemburg und zu Teilen in Österreich gibt. Das erschwert einen Bildungsaustausch natürlich nicht unerheblich. Deshalb soll unsere hochqualifizierte Meisterprüfung all denen, die sie abgelegt haben, ein verkürztes Studium ermöglichen, das dann, wie für die anderen Kandidaten in den neuen Fachhochschulen auch, mit dem international anerkannten Bachelor abgeschlossen wird und damit auch den deutschen Meister stark aufwertet.

Was halten Sie in Ihrem Programm jetzt für Ihre wichtigste Aufgabe?

Hogeforster: Die Hauptaufgabe ist das Thema Ausbildung hochqualifizierter Unternehmer und Führungskräfte, wollen wir doch mit den neuen Studienprogrammen gerade den mittelständischen Unternehmer besonders stärken. Einschlägigen Statistiken zufolge sind 99 Prozent aller Unternehmen des Ostseeraumes kleine und mittlere Unternehmen, Betriebe, die 80 Prozent aller Arbeitsplätze stellen und ebenso fast 80 Prozent der gesamten Steueraufkommen bestreiten. Denn nicht nur in Deutschland ist die mittelständische Wirtschaft entscheidend für Wohlstand und Arbeitsplätze. Um so mehr beeindruckt mich die große Bereitschaft rings um die Ostsee, mit dem Hanse-Parlament weiter voranzukommen. Da ist ein neues Feuer entstanden; denn für das Hanse-Parlament bedeutet Tradition nicht Pflege der Asche, sondern Weitergabe der Flamme. Also ein Aufbruch zu neuen Ufern.

 

Dr. Jürgen Hogeforster, Jahrgang 1943, schloß sein Studium der Ingenieurwissenschaften sowie der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit einer Promotion über die Methoden der Regionalplanung ab. Von 1983 bis 2003 fungierte er als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hamburg. Des weiteren arbeitete er als Ministerialrat im Planungsstab des niedersächsischen Ministerpräsidenten und als Geschäftsführer der Prognos AG. Seit diesem Jahr steht er an der Spitze des Hanse-Parlamentes.

Das Gespräch führte Rosemarie Fiedler-Winter.

Foto: Hafen der Hansestadt Reval (Tallinn)


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