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29.10.05 / "Antifa"-Mythos der DDR geplatzt / Studie enthüllt: Die Stasi hat Hunderte NS-Verdächtige und bekannte Täter gedeckt und für sich nutzbar gemacht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

"Antifa"-Mythos der DDR geplatzt
Studie enthüllt: Die Stasi hat Hunderte NS-Verdächtige und bekannte Täter gedeckt und für sich nutzbar gemacht
von Hans Heckel

In Westdeutschland hätten die Altnazis in teilweise hohen Positionen unbehelligt gelebt, während die DDR mit aller Schärfe gegen sie vorgegangen sei. Dieser Mythos erschien selbst wachen Kritikern des SED-Regimes als letzter Rest von moralischer Legitimation, den sie der zweiten Diktatur in Deutschland trotz aller roten Verbrechen zugestehen wollten.

Eine jetzt als Buch erschienene Untersuchung von Henry Leide, Wissenschaftler der Birthler-Behörde für die Stasi-Unterlagen, hat diesen Mythos als Lüge entlarvt. Danach sind Hunderte Personen von Ermittlungen und Strafen verschont geblieben, obwohl dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) - der berüchtigten Stasi - "in vielen Fällen konkrete Anhaltspunkte für eine Beteiligung an Kriegsverbrechen beziehungsweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorlagen", heißt es in der Erklärung der Behörde zur Veröffentlichung der Studie vergangene Woche.

Viele wurden gedeckt, um sie für den Spitzelapparat von Stasi-Chef Erich Mielke nutzbar zu machen. Dabei griffen die Agenten des SED-Staats skrupellos zum Mittel der Erpressung und drohten den "Kandidaten" bei der Anwerbung offen mit Verfolgung wegen ihrer NS-Vergangenheit, wenn sie sich weigern sollten zu kooperieren. Manche brachen unter dem so aufgebauten Druck regelrecht zusammen, andere ließen sich nicht lange bitten und verdienten dazu noch reichlich Geld für ihre Spitzeltätigkeit.

Bei den Angeworbenen handelte es sich sowohl um Leute, die von Alliierten Tribunalen bereits verurteilt worden waren als auch um solche, die zwar offenkundig persönlich an Verbrechen - etwa in KZs - beteiligt gewesen sind, bislang jedoch noch nicht dafür vor Gericht gestanden hatten. Oft wurden laufende Ermittlungen auch einfach eingestellt, wenn sich herausstellte, daß der ins Auge Gefaßte auf andere Weise nützlich sein könnte. Henry Leide stützte sich bei seinen Recherchen auf umfangreiche, teilweise noch unerschlossene Aktenbestände wie das ehemalige NS-Sonderarchiv der MfS-Abteilung IX/11.

An konkreten Einzelfällen erläutert die 448 Seiten dicke Studie die Vorgehensweise der Stasi. Der ehemalige SS-Obersturmführer Hans Sommer wurde 1954 von einem früheren Kameraden aus dem SD (Sicherheitsdienst des Dritten Reiches), der bereits in den Diensten des MfS stand, angesprochen. Sommer war nach Leides Recherchen besonders interessant, weil er für die "Organisation Gehlen", der Vorgängerorganisation des Bundesnachrichtendienstes (BND) tätig war.

Dem in der Bundesrepublik und in Italien lebenden Sommer wird vorgeworfen, an der Sprengung von sieben Synagogen in Paris im Oktober 1941 beteiligt gewesen zu sein. Das interessierte die Stasi nicht. Aus dem Gespräch "erwuchs eine langjährige, für das MfS höchst informative und für Sommer recht lukrative Kooperation", konnte Leide ermitteln. Sommer habe den aufgefundenen Unterlagen zufolge rund 180000 D-Mark für seinen Verrat verdient. 1971 habe die Stasi den Kontakt abgebrochen.

Was dann folgte, zeigte die andere Seite des perfiden Umgangs der Kommunisten mit der NS-Vergangenheit. Von nun an habe die DDR-Propaganda den Fall Sommer "dazu benutzt, um die Verwendung ehemaliger Nazis im bundesrepublikanischen Sicherheitsapparat anzuprangern".

Auch für Spitzeldienste innerhalb der DDR wurden Verdächtige aus der NS-Zeit "geworben", wie der damals in Sachsen lebende Josef Settnik. Nach Zeugenaussagen soll er im KZ Auschwitz an Selektionen, Vergasungen und Folterungen beteiligt gewesen sein. Mit den Vorwürfen konfrontiert, spionierte Settnik als "IM Erwin Mohr" bis 1971 die katholische Kirche aus. Er starb 1986.

Manche NS-Täter wurden auch geschützt, weil sie in der DDR schon Karriere gemacht hatten, als ihr Fall ans Licht kam. Wie die Jenaer Kinderärztin Rosemarie Albrecht, die während des Krieges an der Nervenklinik Stadtroda tätig und dort in Euthanasiefälle verwickelt gewesen sein soll. Als in Westdeutschland ein Verfahren gegen ihren damaligen Klinikchef eingeleitet wurde, baten die bundesdeutschen Behörden 1966 ihre Kollegen in der DDR um Beweismaterial über den Mann. Dies wurde verweigert, weil man fürchtete, daß auch die Vergangenheit von Rosemarie Albrecht mit aufgerollt werden könnte. Sie war aber bereits zur "verdienten Ärztin des Volkes" aufgestiegen, weshalb durch einen Prozeß gegen den Chefarzt nach der Befürchtung des zuständigen Stasi-Offiziers "ein unseren gesellschaftlichen Verhältnissen widersprechendes Ergebnis erreicht werden" könnte. Das westdeutsche Verfahren gegen den Chefarzt mußte eingestellt werden.

Der zynische Umgang des SED-Regimes mit dem NS-Erbe zeigte sich indes nicht nur darin, daß Verdächtige oder überführte Täter geschützt und nutzbar gemacht worden sind. Auch wurden Menschen wegen angeblicher NS-Verstrickung verfolgt und verurteilt, die völlig unschuldig waren. In den berüchtigten "Waldheimer Prozessen" 1950 wurden nach Angaben der Birthler-Behörde Menschen nicht aufgrund eigener Taten, "sondern aufgrund von Pauschaltatbeständen" abgeurteilt.

Nach Auffassung von Behördenleiterin Marianne Birthler wirft die Studie ein besonders grelles Licht auf die vielen, die in "unverständlicher Loyalität" zur DDR gestanden hatten, weil sie angeblich das "antifaschistische" Gegenstück zu einer Bundesrepublik gewesen sei, wo scheinbar notorische NS-Verbrecher ungeschoren blieben, während die DDR wenigstens hierin "sauber" geblieben sei. Geblendet vom inszenierten "Antifaschismus" der DDR hätten auch "kluge Leute" zu den Verbrechen des SED-Staats geschwiegen.

Auch zahlreiche westdeutsche Linke fielen auf die Fassade herein - oder wollten auf sie hereinfallen. So gelang es der DDR, Antifa-Kampagnen gegen Repräsentanten der Bundesrepublik zu entfesseln mit Hilfe von gefälschtem oder manipuliertem Material, das von westdeutschen Linken nur zu gern übernommen wurde.

Henry Leide: "NS-Verbrecher und Staatssicherheit. Die geheime Vergangenheitspolitik der DDR", gebunden, 448 Seiten, 29,90 Euro, zu bestellen beim Preußischen Mediendienst, Telefon (0 40) 41 40 08-27

Marianne Birthler: Die von ihr geleitete Behörde deckt immer wieder unangenehme Details der deutsch-deutschen Vergangenheit auf Foto: pa

Von der Stasi gedeckt: Hans Sommer Foto: BStU


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