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29.10.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

Der Wochenrückblick mit Hans Heckel
Ausgerechnet Hartz / Eben noch stand dieser Name für Härte und Sparsamkeit - nun duftet er nach süßem Parfum, Lippenstift und Korruption

Warum ausgerechnet dieser Name? "Mit dem Mißbrauch bei Hartz IV muß Schluß sein", mahnt der scheidende Wirtschaftsminister Wolfgang Clement. Er mag recht haben. Aber wie so oft in seiner Amtszeit überhört er völlig das Grummeln im Volk. Wenn die Deutschen die beiden Wörter "Hartz" und "Mißbrauch" im Zusammenhang hören, denken sie weniger an kleine Vorteilsnehmer, die sich listig in die falsche Schlange eingereiht haben, um ein paar Euro abzugreifen, die ihnen von Rechts wegen gar nicht zustehen.

Nach dem, was sich da seit Sommer über dem Himmel von Wolfsburg zusammenbraut, träumen wir bei den beiden Schlagwörtern statt dessen von rauschenden Partys in Rio oder noblen Privatpuffs in Braunschweig, wo sich die langen Beine junger Damen in den glänzenden Augen von VW-Betriebsratsmitgliedern spiegeln. Das Geld für die Sause, die sich über zwölf Jahre hingezogen haben soll, hat angeblich der am 13. Juli zurück-getretene VW-Personalvorstand Peter Hartz angewiesen, aus der Konzernkasse. Das behauptet sein ehemaliger Mitarbeiter Klaus-Joachim Gebauer. Und er, Gebauer, habe in Hartz' Auftrag die schlüpfrigen Partys und Reisen organisiert.

Mit von der Partie waren insbesondere Betriebsräte und SPD-Politiker. Solche Kreise mögen es, die Arbeiterschaft anzufeuern: Laßt euch nicht gefallen, daß ihr nur noch für die Profite der Aktionäre schuften müßt! Wenn ihre begeisterte Zuhörerschaft bei VW wohl gewußt hätte, für wen sie wirklich arbeitet? Soweit war es über all die Jahre nie gekommen. Nur Anfänger vergessen es, das Hemd mit dem Lippenstift der Liebesdame zu wechseln, bevor sie sich in ehrliche Streiter zurückverwandeln, in "Anwälte der kleinen Leute". Die verdächtigen VW-Betriebsräte waren offenbar Profis in dem, was sie taten, und machten daher immer einen tadellosen Eindruck.

Ärgerlich ist, daß mit Sozis und Gewerkschaftern gerade solche Leute den Geruch süßen Parfums nicht loswerden, die sich nach solchen Enthüllungen sonst besonders eindrucksvoll in Szene zu setzen vermögen und "die Empörung der einfachen Menschen über das dreiste Gebaren von ..." in die Straßen und Fernsehkanäle tragen. Jetzt sind ihnen die Hände gebunden und niemand ist da, der "Empörung" so gut kann wie sie. Deshalb läuft die VW-Geschichte so dermaßen lau über die Medienbühne.

Aber wo sind eigentlich die Dunkelroten von der PDS? Die hatten es noch nicht in den VW-Betriebsrat geschafft und wären doch jetzt in der Lage, mal richtig loszulegen? Geht nicht, die haben anderes zu tun. Es geht ihnen derzeit um die "demokratische Kultur" in unserem Land. Die PDS kann und will sich nicht beruhigen wegen der Abwatschung ihres Kandidaten für den Bundestagsvizepräsidenten, Lothar Bisky. Die Postkommunisten strafen damit jeden Lügen, der ihnen unterstellt, "ihre Lektion in Demokratie noch nicht gelernt" zu haben. Wer so etwas behauptet, kennt die Geschichte ohnehin nicht. Die Kommunisten waren in Sachen Demokratie immer schon bestens im Bilde und wußten sehr wohl mit ihr umzugehen. Sogar der große Lenin hat sich dem Martyrium ausgesetzt und seine Bolschewisten 1917 zur demokratischen Wahl gestellt. Leider hat bei der Wahl zur Russischen Nationalversammlung im November jenes Jahres nur ein Viertel der Russen soviel Einsicht in die historische Notwendigkeit gezeigt, um für die Bolschewiki zu stimmen. Da sah sich Lenin gezwungen, die Kronstädter Matrosen zu bitten, die Nationalversammlung mit Waffengewalt auseinanderzujagen. Diese Matrosenaufführung immitiert die revolutionäre Linke seit 1968 mit Hingabe an deutschen Universitäten. Es muß den Vertetern der PDS wirklich schwer gefallen sein, die Schmach bei der Bundestagspräsidentenwahl kampflos hinzunehmen. Eigentlich wäre das der Moment gewesen, da die Türen des Parlaments aufspringen und ein antifaschistisches Aktionsbündnis hereinströmt, das den Bundestag für abgesetzt erklärt. Ja, die gute alte Zeit! Es ist schon hart, wie weich und umständlich alles geworden ist.

Daß sie durchaus noch eisern durchgreifen können, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu bietet, haben sie am Beispiel der Frustriertentruppe WASG bewiesen. Da sträuben sich noch einige gegen die Totalübernahme durch die Genossen im PDS-Vorstand Nachdem alles Bitten und Abstimmen nicht geholfen hat, zieht die Parteiführung der Postkommunisten jetzt andere Saiten auf. Man hat seinen Lenin nicht verlernt. Bis 2007 ist alles über die Bühne, so hat es der PDS-Vorstand schon mal beschlossen. Basta.

So einfach hätte es die CDU-Chefin Merkel auch gern. Gut, am 22. November wird sie nun also Kanzlerin, das scheint mal sicher. Aber Kanzlerin - von was? Selbst die Gegner der Union machen sich mittlerweile Sorgen wegen der bürgerkriegsähnlichen Zustände in der CDU.

Man sieht sich halt immer zweimal im Leben - das hätte man der designierten Regierungschefin rechtzeitig ins Ohr flüstern sollen, bevor es zu spät war. Berücksichtigt man das zweite Treffen mit einem Menschen beim ersten nicht und benimmt sich daneben, kann das Wiedersehen sehr unangenehm werden. Wenn Angela Merkel derzeit nicht schlafen kann und Schäfchen zählen muß, dürfte rittlings auf jedem zweiten Wolltierchen ein Friedrich Merz sitzen. Einst hatte sie ihn als lästigen Konkurrenten kalt abgehakt und aus dem Amt des Fraktionsvorsitzenden geworfen.

Jetzt ist er wieder da und entwickelte sich dieser Tage zum Albtraum der Kanzlerin in spe. Daß sie ausgerechnet bei der Jungen Union derart runtergeputzt wurde, die Merz feierte wie einen langersehnten Befreier, das muß sie besonders bekümmern. Bei den Nachwuchsvereinen sitzen diejenigen am Drücker, die sich für die Parteiführung von morgen halten. Solche Leute haben ein feines Näschen dafür, ob ein Polit-Stern gerade auf- oder untergeht und heften sich überschwenglich an den vermuteten Sieger. Ein böses Omen für Merkel.

Irgendwie ist alles schiefgegangen. Noch vor Amtsantritt macht die designierte Kanzlerin den Eindruck eines in die Enge getriebenen Regierungschefs, der gerade auf seinen Sturz zutaumelt. Blaß und elend das Gesicht, fade die Appelle. Das Loch, in das sie stürzen könnte, haben die vorausblickenden Koalitionsexperten bereits ausgemacht: Ein 35 Milliarden Euro tiefer Abgrund an Neuverschuldung (siehe Seite 2). Nachdem ihre eigene Partei soeben die Luft aus Kanzlerbonus und Richtlinienkompetenz gelassen hat, muß sich Angela Merkel auf den Felgen durch diese Schlucht kämpfen. Links und rechts der Spur sind all ihre "Freunde und (Koalitions-) Partner" versammelt, um ihren Fall zu erwarten.

Die CDU-Chefin merkt das natürlich und ist es seit dem schrecklichen Erlebnis bei der Jungen Union leid, immer die Gejagte zu sein. Schelmisch dreht sie den Spieß um, mit dem sie die SPD wochenlang gepiesackt hatte und läßt nun ihrerseits verkünden, daß "die Koalition noch nicht in trockenen Tüchern" sei. Die anderen, die Roten, sollen jetzt auch mal etwas beisteuern zur Kompromißsuche, nachdem sie ihren Preis mit der Komödie um Schröders angeblichen Anspruch auf ein Weiterregieren hochgetrieben hatten. SPD-Chef Franz Müntefering dürften die Mahnrufe seiner CDU-Kollegen indes eher erleichtern als erschüttern. Er muß ja noch von dem Wahlversprechen runter, daß es mit der SPD keine Mehrwertsteuererhöhung geben werde. Nach Merkels Drohung könnte er es so drehen, daß man unter Tränen habe einwilligen müssen in die (auch von der SPD sowieso geplante) Erhöhung, weil sonst keine handlungsfähige Regierung zustandegekommen wäre. Das ist echtes Partnerspiel in einer wirklich großen Koalition.


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