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12.11.05 / Korruption wird belohnt / Bundespräsident Horst Köhler fordert ehrlichen Dialog mit Afrika und startet eigene Initiative

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. November 2005

Korruption wird belohnt
Bundespräsident Horst Köhler fordert ehrlichen Dialog mit Afrika und startet eigene Initiative
von Rebecca Bellano

Ich konnte nur fasziniert feststellen, wie souverän die Staatspräsidenten selbst mit Kritik umgegangen sind", so Bundespräsident Horst Köhler nach der zweitägigen Konferenz der von Köhler und der "Zeit"-Stiftung ins Leben gerufenen Afrika-Initiative auf dem Petersberg bei Bonn. Überhaupt schien es so, als ob führende afrikanische Politiker und der deutsche Bundespräsident tatsächlich eine neue Basis des gemeinsamen Dialoges gefunden hätten. "Wir hatten Beziehungen für eine lange Zeit, aber wir hatten nie eine richtige Partnerschaft, und das versuchen wir nun auf beiden Seiten zu erreichen", lobte der nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo die Veranstaltung, obwohl einige für Afrikas politische Klasse durchaus unangenehme Themen auf der Tagesordnung gestanden hatten. Dieses Mal ging es nämlich nicht nur um Entwicklungshilfe sowie wirtschaftliche und bildungspolitische Fragen, sondern auch um Korruption und den Regierungsstil in Afrika.

Horst Köhler, der als ehemaliger Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) zahlreiche Gespräche und Verhandlungen mit afrikanischen Staatschefs geführt hatte, sah keinen Grund, sich allzu diplomatisch zu geben. Doch warum interessiert sich der deutsche Bundespräsidenten mitten in komplizierten Koalitionsverhandlungen und einem Deutschland am Scheideweg für Afrika? "Afrika braucht uns, aber wir brauchen auch Afrika, weil wir nicht vergessen dürfen, daß Probleme wie Migration, Krankheit oder Seuchen letztlich auch bei uns ankommen." Die aktuellen Ereignisse in Ceuta und Melilla zeugen davon, wie wahr diese Worte sind.

Bisher wurden derartige Treffen immer damit beendet, daß sich Europa für seine koloniale Vergangenheit entschuldigte und für Afrika weiter die Entwicklungshilfe erhöhte. Der deutsche Bundespräsident wollte diesen Weg allerdings so nicht weiter beschreiten. Zwar hält er daran fest, die Entwicklungshilfe auf die zugesagten 0,7 Prozent des Sozialproduktes zu erhöhen, doch ist er sich durchaus bewußt, daß es damit allein nicht getan ist. Korruption und Mißwirtschaft würden die Gelder nicht dort ankommen lassen, wo sie gebraucht werden. Auf seinen Afrikareisen als IWF-Chef hat Köhler auch mit zahlreichen Kleingewerbetreibenden sowie Krankenschwestern, die Aids-Stationen betreuen, gesprochen, von denen er erfahren mußte, daß selbst finanzielle Mittel zur Bekämpfung von Aids in den Taschen von Politikern und Staatsbeamten landen.

"Das Kernproblem der Armut in Afrika ist ... in der Tat hausgemacht. Wir können immer wieder den Kolonialismus anführen, aber heute sind es nun einmal souveräne Staaten. Deshalb geht es darum, daß sie ihre eigenen Verantwortlichkeit anerkennen - und die Notwendigkeit, eigenen Gestaltungswillen zu entwickeln", tadelte Köhler die Einstellung vieler afrikanischer Staaten gegenüber der "Zeit". Allerdings kritisierte das höchste deutsche Staatsoberhaupt auch die Heuchelei und Scheinheiligkeit der Industriestaaten. Man könne Afrika nicht einfach westliche Demokratie- und Gesellschaftsformen überstülpen. Oft kann ein afrikanischer Staat nur zusammengehalten werden, wenn er den verschiedenen Volksgruppen etwas zukommen läßt - häufig handelt es sich hier um Gelder aus der Entwicklungshilfe. Aus westlicher Sicht mag man das verurteilen, doch man müsse auch anerkennen, daß es schwer sei, Staaten, die aus über 200 Völkern bestehen, zusammenzuhalten.

Köhler ist aber auch für mehr Transparenz und feste Konditionen, an die die Zahlung von Entwicklungshilfe gebunden ist. Menschenrechte, Demokratie und eine unabhängige Justiz gehören dazu. Auch sei es Aufgabe des IWF nachzufassen, was aus den gezahlten Geldern geworden ist. Was funktioniert und was nicht? Und man müsse Nein sagen können.

So erinnert sich der Politiker an einen afrikanischen Präsidenten, der bei seinem Besuch in Washington von einer Hundertschaft begleitet wurde. Dieser Besuch habe einschließlich einiger Anschaffungen fünf Millionen US-Dollar gekostet. Am Ende seiner Reise sprach der Präsident beim IWF vor und teilte mit, daß seine Bevölkerung Hunger leide und er zwei Millionen US-Dollar für den Bau eines Getreidespeichers benötige. Doch Köhler mußte ablehnen, schließlich hätte der besagte Bittsteller bei einer bescheideneren Delegation mindestens zwei Getreidespeicher bauen können.

Köhlers Worte klingen in den Ohren der geschröpften Deutschen gut. Hilfe ja, aber nicht um jeden Preis. Deutschland ist der viertgrößte Geber von Entwicklungshilfe und hat sich bisher bei der Wahl der Empfängerländer nicht mit Ruhm bekleckert. Denn es sind erstaunlicherweise Länder, die laut "Transparency International" als besonders korrupt - wie Nicaragua, Sambia, Kamerun und Montenegro - oder besonders reformfeindlich gelten - wie Kirgisien, der Tschad, die Demokratische Republik Kongo, Guinea oder Simbabwe -, die finanziell besonders bedacht werden, während Länder wie Mauritius, Südafrika und Niger, die sich konsequent für Marktwirtschaft und Demokratie einsetzen, für ihre Reformanstrengungen nur Worte des Lobes erhalten.

Ob sich das dank Köhlers Einsatz ändern wird, bleibt zu bezweifeln. Erstens ist der Druck von außen zu stark, viel zu viele Politiker und Wohlfahrtsverbände sind der Auffassung, man dürfte die armen Afrikaner nicht überfordern und man müsse sich seiner historischen Verantwortung annehmen, schließlich sei der Kolonialismus an der Lage Afrikas schuld. Zweitens gab es auf dem Bonner Kongreß schon Anzeichen dafür, daß keineswegs alles so reibungslos lief, wie nach außen hin projiziert.

Der südafrikanische Präsident Thabo Mbeki und sein nigerianischen Kollege Olusegun Obasanjo betonten zwar beide, daß sie "gegenseitig Einfluß nehmen wollten", um die Sicherheit auf ihrem Kontinent zu erhöhen, in der sich allerdings zuspitzenden Lage in Simbabwe, wo Robert Mugabe ungehindert weiße Farmer enteignet, sähe die Afrikanische Union aber "keinen internationalen Krisenfall", so Mbeki.

Aber nicht nur, daß die Bereitschaft fehlte, den Fall Simbabwes näher zu behandeln, auch der anwesende äthiopische Premierminister Meles Zenawi kam abgesehen von ein paar unangenehmen Fragen ziemlich glimpflich davon. Denn während der afrikanische Lieblingsgesprächspartner Europas zu Afrikafragen - Zenawi saß auch in Tony Blairs "Kommission für Afrika" - herrschte in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba blutiger Ausnahmezustand. Mindestens 46 Menschen sollen allein in der Woche vor dem Bonner Kongreß bei Zusammenstößen zwischen Oppositionsanhängern und Sicherheitskräften ums Leben gekommen sein. Zenawi führte die Toten auf den Umstand zurück, daß die äthiopischen Polizeikräfte nicht auf derart gewalttätige Demonstranten vorbereitet seien, und es daher unglücklicherweise zu Todesfällen gekommen sei. Mit dem Hinweis, daß Olusegun Obasanjo, gegenwärtig Präsident der Afrikanischen Union, sich über die Geschehnisse vor Ort informiert hat, ließ man den Äthiopier unbehelligt. Daß auf den Grund der Demonstrationen näher eingegangen worden wäre, drang zumindest nicht an die Öffentlichkeit. Da jedoch zahlreiche Journalisten am Kongreß teilnahmen, ist davon auszugehen, daß man Zenawi gewähren ließ. Hintergrund für die Proteste waren die umstrittenen Parlamentswahlen im Mai dieses Jahres, bei denen die Opposition zwar auch offiziell gut abschneiden konnte, doch davon überzeugt ist, daß die Regierungspartei nur durch Betrug an der Regierung geblieben sei. Zenawi wäre demnach also ein Wahlbetrüger, der in Bonn trotzdem als Gleicher unter Gleichen am Verhandlungstisch sitzen durfte. Dies läßt den Kongreß in einem ganz anderen Licht erscheinen, zumal das Schreiben der Chefin der EU-Wahlbeobachter in Äthiopien, Ana Gomes, vorlag. "Stoppt das Töten von Äthiopiern, die an Demokratie glauben. Äthiopien ist von europäischer Hilfe abhängig und ist der größte Empfänger in Afrika. Europa könnte den Ausschlag geben zugunsten von Demokratie in Äthiopien. Statt dessen entscheiden sich europäische Führer zu versagen."

Staatschefs im Gespräch: Olusegun Obasanjo (2.v.l.), Thabo Mbeki (3.v.l.), Horst Köhler und Meles Zenawi (r.). Doch das Treffen verlief nicht ganz so reibungslos wie gewünscht. Am Rande der Konferenz auf dem Petersberg demonstrierten Äthiopier gegen ihren Premier Zenawi. Fotos (2): pa


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