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12.11.05 / Lager 7533 Preußisch Eylau / Auszug aus einem Bericht von Hans Augusti - Lagerinsasse von April 1945 bis September 1946 am Warschkeiter See

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. November 2005

Lager 7533 Preußisch Eylau
Auszug aus einem Bericht von Hans Augusti - Lagerinsasse von April 1945 bis September 1946 am Warschkeiter See

Ende September 1944 begann für die Memelländer die Flucht - auch ich bin mit der Bauernfamilie Franz Pfau aus Powilken, - wo ich mein Pflichtjahr machte - geflüchtet. Unser Weg führte uns über Pogegen, Tilsit, Roßberg, Aulenbach, Walddorf, Norklitten, Kleinschönau, Garbnicken, Domnau. Wir wurden mit dem Bauer Erich Passarge in Powayen bei Domnau, - an der Straße Domnau nach Preußisch-Eylau zirka zwei Kilometer vor dem Ort Kapsitten - eingewiesen, wo wir bis zum Eintreffen der Sowjetarmee am 1. Februar 1945 blieben. Wir sind nicht weiter auf die Flucht gegangen, weil uns die deutschen Soldaten davon abgeraten haben. Wir finden nur verstopfte Straßen, liegengebliebene Trecks, Straße nur für Wehrmachtsverbände frei. Fürchterliche Kälte für Mensch und Tier. Vielleicht ist doch noch eine Rückkehr ins Memelland möglich. Die Russen wären doch auch Menschen!

Mitte Januar 1945 begannen die Kampfhandlungen im nordöstlichen Ostpreußen. Zwei Tage vor dem Eintreffen der sowjetischen Truppen wurde die Scheune von Passarge in Brand geschossen. Am 1. Februar wurden wir von den Truppen überrollt. Die kämpfende Truppe war uns noch human, sie sagten auch, daß die nachrückende Truppe nicht freundlich zu uns sein wird. So war es denn auch, alles Wertvolle, wie Uhren, Stiefel, Pelze und gute Sachen wurden uns abgenommen. Wir mußten bei Artilleriebeschuß den Hof verlassen und nach Domnau ziehen. Später kamen wir in die Domnauer Siedlung. Wir mußten auf die Güter von Garbnicken und Groß-Klitten, das vorhandene Getreide in den Scheunen dreschen.

Mitte März 1945 wurde ich in das Gefängnis nach Bartenstein gebracht, hier war ich zirka drei Wochen. In einem Zimmer von 4 mal 4 Meter waren zirka 40 Personen. Ich wurde mehrmals zum Verhör gebracht, sollte die Wahrheit sagen, sonst werde ich erschossen. Ich war kein Soldat, war auch nicht beim Wehrwolf, sollte Auskunft über meine Eltern und Geschwister geben und vieles andere. Anfang April 1945 wurden vier LKW mit zirka 200 Personen beladen, ich war auch dabei, und nach Preußisch Eylau in die Kaserne am Warschkeiter See gebracht, wo wir ein Gefangenenlager errichten sollten.

Als wir ankamen, wurde uns gesagt, daß hier SS-Gefangene untergebracht würden. Wenn wir das Lager fertig hätten, könnten wir nach Hause. Wir wurden zuerst in dem linken Block am Haupteingang untergebracht. Wir wurden in mehrere Arbeitsgruppen eingeteilt. Es wurde zuerst mit dem Bau eines 3,5 Meter hohen doppelten Stacheldrahtzauns um die ganze Kaserne begonnen. Gleichzeitig begann der Bau von hohen Wachtürmen, die an jeder Ecke der Kaserne standen, an zwei Seiten des Lagers wurden noch zusätzlich zwei Türme in der Mitte aufgebaut, so daß insgesamt sechs Türme mit einer Höhe von zirka sechs Metern standen.

In zwei Blöcke wurden in den Räumen Pritschen mit drei Etagen eingebaut, diese Arbeiten wurden dann eingestellt, weil Holz und Bretter nicht mehr vorhanden waren.

Neben dem Haupteingang standen zwei Blöcke links und rechts, zum Warschkeiter See auch zwei Blöcke, vor diesen Blöcken gab es zwei Wirtschaftsblöcke, in einem wurde die Küche eingerichtet, dazu wurden aus dem anderen Wirtschaftsblock die ganzen Kochkessel ausgebaut und in den ersten gebracht. Nach meiner Einschätzung waren in der großen Küche ungefähr 12 bis 15 Kochkessel, dann stand ein großer Block dem Haupteingang gegenüber, etwas dahinter wurde die Krankenstation eingerichtet. Auf der rechten Seite standen die Werkstätten und zwei Hallen, so daß alle aufgezählten Gebäude den Kasernenhof umschlossen, dieser Kasernenhof wurde von eine kleinen vier Meter breiten Straße umschlossen. Die zwei Hallen wurden als Verpflegungslager eingerichtet.

Vom Warschkeiter See wurde eine Wasserleitung ins Lager gebaut, in erster Linie für die Versorgung der Küche und der Krankenstation. Die Krankenstation wurde extra eingezäunt. Auch die Tischlerei wurde wieder in Gang gesetzt. Bis zum 1. Mai sollten der Stacheldrahtzaun und die Wachtürme fertig sein.

Zwei Tage nach der Maifeier, also am 3. Mai 1945, kamen 20 LKW - amerikanischen Typs - auf den Hof gefahren, sie stellten sich alle nebeneinander auf, dann wurden die Planen hochgemacht, es stiegen nur Zivilisten ab, Frauen, Männer, Jugendliche unterschiedlichen Alters, also keine SS-Leute. An diesem Tag kamen zirka 800 Personen ins Lager. Nun kamen jeden Tag 20 bis 30 LKW, dies ging solange bis das Lager voll war. Es wurden die fünf großen Blöcke belegt. Ich schätze, daß in jedem Block mindestens 2500 Menschen untergebracht waren, somit könnten zwischen 10000 und 12000 Personen im Lager gewesen sein. Die deutschen Frauen vom Küchenpersonal schliefen über der Küche. Der russische Küchenchef hieß Nikolai.

Durch die schlechte Ernährung im Lager, dreimal täglich einen drittel Liter wässrige Suppe und einmal täglich 200 Gramm Brot, erkrankten viele an Typhus und Ruhr, der größte Teil dieser Menschen mußte sterben, weil auch keine ausreichende medizinische Betreuung vorhanden war.

Das Leichenkommando schaffte 30 bis 40 Tote aus dem Lager. Dieser Zustand hielt bis Ende August 1945 an, danach wurden nur noch jeden zweiten Tag zirka 30 Tote aus dem Lager geschafft. Der Transport der Leichen erfolgte auf einem Leiterwagen, der durch Häftlinge gezogen wurde. Das Leichenkommando hatte eine Stärke von 12 männlichen Personen, ihr Einsatz war immer morgens gegen 4 Uhr. Auch ich war einmal dazu im Einsatz. Die Toten wurden in der Umgebung des Lagers in vorhandenen Schützengräben und Panzergräben verscharrt. Die Toten waren nur noch Haut und Knochen. Alle Toten sollen auf der Krankenstation erfaßt worden sein. Nach meiner Schätzung könnten bis Ende August 1945 zirka 4500 bis 5000 Menschen gestorben sein.

Die ersten vier Wochen waren die Blöcke immer durch einen Posten unten besetzt, später waren die Zugänge in den Blöcken immer offen. Morgens 7 Uhr bis abends 19 Uhr. Es gab im Lager verschiedene Arbeitsgruppen, tägliche Arbeitsgruppe war: Küchenkommando, Tischlerei, Hofkommando, zu dem gehörte ich, Leichenkommando, die Essensträger und kleine Außenkommandos. Ich schätze, daß zirka 300 Personen täglich im Einsatz waren. In jedem Block gab es ein Essenskommando, diese schafften die Suppe und das Brot in die Blöcke und verteilten es auch. Je nach Belegung der Blöcke wurden zwischen 12 und 15 Suppenkessel, mit einem Fassungsvermögen von 40 Litern, dreimal täglich von der Küche herangeschafft. Zwei Mann trugen immer einen Kübel.

Das Hofkommando, bei dem ich war, bestand aus Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren. Wir hatten die Aufgabe, das ganze Hofgelände sauber zu halten, dazu wurden alle Straßen, Wege und Plätze sowie die Rasenflächen gekehrt und geharkt.

Alle 14 Tage ging es zur Entlausung und zum Baden. Diese Anlage war außerhalb, gleich dem Lager am Warschkeiter See eingerichtet worden. Die Haare wurde geschoren wegen der Kopfläuse, alles lief mit Glatze herum.

Einmal in der Woche wurde Verpflegung ins Lager gebracht, in der einen Halle war das Magazin eingerichtet worden. Es wurde Mehl, Zucker, Brot und Trockenbrot sowie Affenfett eingelagert. Der Aufschrift nach kamen die meisten Produkte aus Amerika. Die Suppen bestanden aus Kohlblättern, Rübenblättern, manchmal Kartoffeln, Bohnen oder Erbsen, mit viel Wasser und etwas Mehl, damit die Suppe leicht sämig war.

Das Gut Rommitten war das Versorgungsgut für das Lager, es gab dort ein ständiges Außenkommando mit einem 14tägigen Einsatzwechsel.

In der Erntezeit war ein ständiges, kleines Kommando dort, auch ich war acht Wochen dort im Einsatz. In Romitten wurden Feldfrüchte angebaut, Kartoffeln, Kohl, Mohrrüben, Tomaten und Getreide. In Romitten waren 30 Pferde, ich war hier als Kutscher tätig.

Im November 1945 kam ich wieder ins Lager Preußisch Eylau, das freie Leben war nun vorbei Der Winter 1945 / 46 war sehr kalt, die Schlafräume ungenügend. Wir bekamen Winterbekleidung, Wattejacke, Wattehose, Pelzmütze und Handschuhe. Die Arbeitskommandos im Lager oder außen waren ständig tätig.

Ins Lager kamen immer neue Zugänge, damit war das Lager gleichmäßig belegt. Die Zu- und Abgänge in den Blöcken wurden registriert, damit die Verpflegung gesichert war. In der Krankenstation wurde auch über die Zu- und Abgänge Buch geführt. Denn ich glaube, jeder Eingelieferte hatte eine Akte, von mir weiß ich dies hundertprozentig, denn meine Akte kam immer mit mir in das jeweilige Lager, so bis nach Tapiau und 1948 nach Großbaum im Kreis Labiau.

Anfang Juni 1946 kam ich mit einem Arbeitskommando zum Torfstechen nach Knipitten, Galben und Guwöhnen. Wir wurden in einem Vorwerk in der Nähe des Torfbruchs untergebracht. Diese Arbeit war schwer, der Torf wurde aus 2,5 Meter tiefen Gruben auf Loren geladen und zur Torfpresse gefahren. Hier wurde der Torf zu flachen Platten gepreßt, die auf Bretter kamen, in 20 Zentimeter lange Stücke geteilt und dann zum Trocknen auf die Wiesen gebracht.

Wir mußten uns hier selbst verpflegen, einmal in der Woche wurden uns Lebensmittel gebracht: Brot und Mehl.

Dieser Einsatz dauerte bis Mitte September 1946, dann wurden wir nach Tapiau gebracht. Ich gehörte also 16 Monate zum Lager Preußisch Eylau, davon zirka sieben Monate im Außendienst.

Dies ist ein Auszug aus dem Tatsachenbericht zum Lager 7533 Preußisch Eylau von Hans Augusti, Geburtsjahr 1928, aus Tilsit, Kossinnastr. 2, heute wohnhaft in Stadtilm / Thüringen, Orchideenweg 6.


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