28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
19.11.05 / Ein Zaun namens Wanda / Berliner Museum für Kommunikation zeigt Ausstellung über DDR-Zaunkultur

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. November 2005

Ein Zaun namens Wanda
Berliner Museum für Kommunikation zeigt Ausstellung über DDR-Zaunkultur
von Harald Fourier

Als Angela Merkel am 11. Juli in Berlin das Wahlprogramm der Union vorstellte, da benutzte sie eine Formulierung, die ihr hinterher von vielen Journalisten um die Ohren gehauen wurde: "Wir wollen Gärtner sein, nicht Zaun", äußerte die CDU-Chefin, die - in der DDR aufgewachsen - hätte wissen müssen, daß mit dem Bezug auf "Zäune" bei den Menschen zwischen Rügen und Vogtland an den schmerzhaftesten Teil ihrer Geschichte gerührt wird. Sie haben seitdem ein besonderes Verhältnis zu Zäunen. Am nächsten Tag veröffentlichte eine Berliner Zeitung einen Merkel-kritischen Beitrag mit der spöttischen Überschrift "Die Gärtnerin".

Eine Ausstellung "Zaunwelten", die seit vergangener Woche in Berlin zu sehen ist, beleuchtet die zwiespältige Beziehung zu dem Drahtgeflecht, mit dem man Gärten hübsch einfassen, aber auch 17 Millionen Menschen gewaltsam einsperren kann. Nicht von ungefähr wurde die Ausstellung am 9. November eröffnet: "Zaunwelten - Bilder und Geschichten zur Alltagskultur der DDR".

Das Markenzeichen des SED-Staates waren Mauer und Stacheldraht. Trotzdem waren Zäune - wie so vieles andere auch - Mangelware bei Honecker und Co. Und ein Schuß Ideologie war vielleicht auch dabei. So sehr die Existenz des DDR-Staates an dem einen, großen Zaun hing, so sehr hatten die Machthaber als Kommunisten andererseits ideologische Vorbehalte dagegen, daß die Bürger ihren privaten Besitz demonstrativ abgrenzten.

Letztlich hat sich als Reaktion auf den staatlich verordneten Mangel eine sehr lebendige "Heimwerkerszene" auch beim Zaunbau herausgebildet. Die beiden Künstlerinnen Nicole Andries und Majken Rehder (beides Westdeutsche) haben den "kreativen Umgang mit dem Mangel" untersucht.

Gerade im sozialistischen Kollektiv gab es vor dem Hintergrund immergrauer Plattenbauten, Trabants und Uniformen das Bedürfnis nach Abgrenzung, nach Privatheit, nach Individualität. Die DDR-Bewohner haben zu Zäunen zusammengezaubert, was immer sie in der Mangelwirtschaft so gefunden haben: alte Maschinenteile, Bremsscheiben-Überreste, Industrieschrott.

Das alles und die dazugehörigen Geschichten haben die beiden Kulturwissenschaftlerinnen zusammengetragen und die Geschichten aufgeschrieben. Die von Ottfried Matthies zum Beispiel. Der 66jährige Lokführer hat seine Geschichte erzählt: "Der Zaun - das ist eine Liebeserklärung an meine Frau. Die runden Teller, die da mit eingeschweißt sind, die Ausstanzteile, die habe ich in Form eines W eingesetzt, weil meine Frau Wanda heißt." Rehder und Andries haben dieser Geschichte in Anlehnung an einen Filmtitel den Namen "Ein Zaun namens Wanda" gegeben.

Sie haben insgesamt mit rund 30 Inhabern von Datschen (Wochenendhäuschen) ausführlich gesprochen. Dabei sind sie auf "individuell geprägte Ästhetik als Spielfeld symbolischer Selbstdarstellung" gestoßen, wie sie finden.

"Was bedeutet ein Zaun im Kontext der sozialistischen Gesellschaft?" lautet eine der Fragen, die sich Nicole Andries dabei gestellt hat. "Diese kulturelle Marginalie diente uns als Einstieg für diese kulturelle Studie", sagte sie bei der Eröffnung ihrer Ausstellung über ein harmloses, aber schillerndes Thema.

"Zaunwelten" - Ausstellung bis 8. Januar 2006, Museum für Kommunikation, Leipziger Str. 16, 10117 Berlin (Di. bis Fr. 9-17 Uhr; Sa., So. und Feiertag 11-19 Uhr), Eintritt 3 Euro, www.ddr-zaunwelten.de

Trotz Sozialismus zäunten viele ihr Eigentum ein, Industrieschrott war als Eisenersatz sehr beliebt, aus der Not eine Tugend gemacht: Aufgrund von Materialmangel mußten Reste herhalten. Fotos (4): Museum für Kommunikation, Berlin


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren