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19.11.05 / Ein Mann mit großen Zielen / Königsbergs Gouverneur Georgij Boos will das Gebiet in den nächsten fünf Jahren von Grund auf verändern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. November 2005

Ein Mann mit großen Zielen
Königsbergs Gouverneur Georgij Boos will das Gebiet in den nächsten fünf Jahren von Grund auf verändern
von Manuela Rosenthal-Kappi

Königsbergs neuer Gouverneur Georgij Boos hat schon kurze Zeit nach seinem Amtsantritt ehrgeizige Pläne vorgelegt und erste Veränderungen vorgenommen. Als erstes reduzierte er die Gesamtzahl der Mitglieder der Gebietsregierung um die Hälfte, um Geld zu sparen, von ursprünglich 40 Regierungsmitgliedern wurden 20 entlassen. Schlüsselpositionen in Wirtschaft und Landwirtschaft besetzte der ehrgeizige Gouverneur mit vertrauten Politikern aus Moskau, entsprechende Positionen in den Bereichen Finanzen und Gesundheit mit Frauen, die sich zuvor in der Gebietsduma bewährt hatten. Die Kritik provozierende Verkleinerung der Gebietsregierung, deren Mitgliederzahl erst kurz zuvor von 32 auf 40 erhöht worden war, begründet Boos mit der Unverhältnismäßigkeit der Ausgaben, die das Gebietsbudget mit 60 Millionen Rubel (über eindreiviertel Millionen Euro) jährlich belasten. Zum Vergleich: während in Moskau 36 Regierungsmitglieder 9 Millionen Menschen regieren, waren im Königsberger Gebiet 40 Regierungsmitglieder für nur 940000 Menschen verantwortlich.

Ein weiterer, von vielen kritisierter Schritt zur Konsolidierung des Haushalts ist die Erhöhung der Preise für die öffentlichen Verkehrsmittel um zwei bis fünf Prozent. Aufgrund der sehr schlechten Verkehrswege im gesamten Gebiet hält Boos an diesem Punkt eisern fest, da von den zu erwartenden Einnahmesteigerungen auch der Ausbau des Verkehrsnetzes und damit der Infrastruktur profitieren soll. So soll ein Teil der Einnahmen in den Bau von über 700 Kilometern Schnellstraßen fließen. Einen Großteil der Restfinanzierung hat der Verkehrsminister der Russischen Föderation, Igor Lewitin, in Aussicht gestellt.

Boos' Pläne für die Entwicklung der Region erinnern an die Fünfjahrespläne ehemaliger kommunistischer Regierungen. Der Gouverneur hat deutliche Vorstellungen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre soll sich die Region grundlegend verändern. Die Bevölkerungszahl zum Beispiel soll sich verdoppeln. In der Tat wären gemessen an der durchschnittlichen Bevölkerungsdichte in Mitteleuropa fünf Millionen Einwohner in diesem Gebiet normal, was mehr als dem Fünffachen der tatsächlichen Bevölkerung entspräche. Um die demographische Entwicklung entsprechend zu beeinflussen, kündigte Boos an, schon im kommenden Jahr das Kindergeld für jedes zweite und dritte Kind zu erhöhen.

Eine Verdoppelung der Bevölkerung innerhalb eines halben Jahrzehnts ist in der Exklave jedoch nicht allein durch eine Erhöhung der Geburtenrate und den Rückgang der Sterberate zu erreichen. Boos möchte daher neue Arbeitskräfte ins Land locken, von denen er sich eine intensive sozioökonomische Entwicklung der Region verspricht. Er plant Bedingungen zu schaffen, die arbeitsfähige Menschen aus Rußland und dem Baltikum, aber auch im Ausland lebende Russen, die grundsätzlich zur Rückkehr in die Russische Föderation bereit sind, anlocken. Nach Schätzungen mangelt es im Gebiet an 15000 qualifizierten Arbeitskräften.

Boos spricht in seinem Regierungsprogramms eine deutliche Sprache: Korruption duldet er nicht. Bestechlichen Beamten und Schmiergeldzahlern hat er den Kampf angesagt. Dies gab er sowohl den Leitern des Zollamtes sowie der Industrie- und Handelskammer als auch Geschäftsleuten bei ersten Gesprächen zu verstehen. Nur ehrlichen Geschäftsleuten soll es künftig möglich sein, im Königsberger Gebiet zu investieren. Steuerschlupflöcher soll es künftig nicht mehr geben.

Ein weiterer Punkt seines Programms ist die Abschaffung von Privilegien pensionierter Beamter. Pensionszuschläge, Dienstwagen und Leibwächter will Boos abschaffen. Andererseits soll die Privatisierung einiger ehemaliger Staatsbetriebe rückgängig gemacht werden.

Eines der vordringlichsten Probleme des Königsberger Gebiets stellt die Energieversorgung dar. Durch den Bau von Wärmekraftwerken und Gasbehältern à 500 Millionen Kubikmeter Fassungsvermögen, die mit Gas aus St. Petersburg gefüllt werden sollen, soll die Exklave unabhängig von der Energieversorgung aus Litauen werden.

Innerhalb der nächsten zehn Jahre will Georgij Boos das Königsberger Gebiet den EU-Standards anpassen. Es soll sich in nichts mehr von den zur EU gehörenden Nachbarstaaten unterscheiden.

Boos ist einer der ersten Gouverneure, die gemäß der neuen Praxis durch den Präsidenten der Russischen Föderation eingesetzt werden. Oppositionsführer Solomon Ginsburg und andere Oppositionelle kritisierten die rigide Vorgehensweise. Da Boos ein führender Vertreter der Präsidentenpartei "Edinaja Rossija" ist, sei es ihm ein leichtes, sich die Königsberger Abgeordneten zu unterwerfen und Gesetzesänderungen durchzusetzen.

Sollte die Rechnung des neuen Gouverneurs aufgehen und sollten sich die negativen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Erscheinungen durch eine härtere Gangart der Regierung in den Griff bekommen lassen, könnte die Exklave in der Tat zu einem attraktiven Bindeglied zwischen Rußland und der EU werden.

Georgij Boos: Königsbergs neuer Gouverneur


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