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26.11.05 / Rein deutsche Sicht der Dinge / Neue Untersuchungen ergeben, daß das Ausland Brandts berühmten Kniefall übersah

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Rein deutsche Sicht der Dinge
Neue Untersuchungen ergeben, daß das Ausland Brandts berühmten Kniefall übersah
von Harald Fourier

Es ist der 7. Dezember 1970: Eine Wagenkolonne hält an einer Stelle, an der einmal das Warschauer Ghetto war. Jetzt stehen hier Plattenbauten. Es ist naßkalt und windig. Willy Brandt geht zum Denkmal, legt einen Kranz nieder und sinkt zur Überraschung aller Anwesenden auf die Knie. Der deutsche Bundeskanzler verharrt so für etwa eine Minute.

In seinen Memoiren beschrieb er seine Motivation so: "Am Abgrund der deutschen Geschichte und unter der Last der Millionen Ermordeten tat ich, was Menschen tun, wenn die Sprache versagt." Ein Schritt zur Überwindung des Kalten Krieges, eine große Geste der Versöhnung, eine Ikone - so wurde Brandts Kniefall in Warschau beschrieben. Jeder hat sofort das Bild vor Augen, wenn er nur das Wort "Kniefall" hört.

Wie wir jetzt erfahren, hat diese ach so große Geste längst nicht die Symbolkraft entwickelt, die ihr wohl zugedacht war. Die Historiker Michael Wolffsohn und Thomas Brechenmacher haben ein Buch geschrieben, in dem sie das Ereignis genauer unter die Lupe genommen haben. In "Denkmalsturz? Brandts Kniefall" (Olzog, 180 Seiten, 18,50 Euro; zu beziehen über den PMD) weisen die beiden Autoren zwei Dinge nach: Erstens ist der Kniefall als die große Geste der Entspannungspolitik eine sehr deutsche Sichtweise der Dinge. Selbst in Deutschland war Brandts Kotau umstritten. 48 Prozent der Deutschen hielten den Kniefall - Meinungsumfragen zufolge - für eine übertriebene Geste. Elf Prozent waren unentschlossen, 41 Prozent begrüßten den Kniefall.

Im Ausland dagegen wurde die Geste nicht einmal wahrgenommen. Da sind zunächst einmal die Polen, die nur die vorangegangene Kranzniederlegung am Grabmal des Unbekannten Soldaten groß herausstellten. In der gleichgeschalteten polnischen Presse wurde nur die obere Hälfte des Kniefall-Bildes veröffentlicht, so daß niemand Brandts Beine sehen konnte.

Ansonsten feierte die rote Presse das Gesamtereignis - Brandt war zur Unterzeichnung des Warschauer Vertrages angereist - als Ergebnis der erfolgreichen sowjetischen Friedenspolitik. Nur das altstalinistische Radio Tirana warnte davor, daß die westdeutschen Entspannungsbemühungen gegen die Existenz der Volksrepublik Polen und der DDR gerichtet seien.

In Frankreich gab es keine nennenswerten Reaktionen. Georges Pompidou sah sogar das "Schamgefühl verletzt". Brandt hätte besser der eigenen Opfer gedacht, dachte der französische Präsident wohl.

In Großbritannien gab man sich desinteressiert. Insgeheim ängstigten sich die Briten wohl ein weiteres Mal, daß das europäische Machtgefüge auseinanderfallen könnte, wenn die Entspannungspolitik ein besseres deutsch-polnisches Verhältnis produzieren würde, vermutet Wolffsohn.

Das Bundespresseamt hat die Berichterstattung der Weltpresse ordentlich aufgebauscht. Dabei gab es in den USA keine offiziellen Reaktionen und auch keine Berichte über das Ereignis in Zeitungen oder Zeitschriften. Schweigen im Walde. Ebenso im arabischen Raum.

Der zweite Aspekt, den Wolffsohn recherchiert hat, beweist noch stärker, daß Brandts Kniefall ein großes Mißverständnis war: Weder er noch Egon Bahr konnten den Aufstand im Warschauer Ghetto (Frühjahr 1943) und den der polnischen Heimatarmee (August 1944) auseinanderhalten. Der zweite Aufstand ereignete sich, als die Rote Armee bereits vor der Tür stand. Doch die stoppte ihren Vormarsch an der Weichsel und wartete höflich ab, damit sie hinterher weniger zu "befreien" hatte.

Auch Roman Herzog hat später diese beiden Ereignisse miteinander vermengt. Kanzler Schröder dagegen schließlich nutzte die Einladung der Polen 2004, um bei seinen Gastgebern auf Landsleute in seiner Heimat (Preußische Treuhand) zu schimpfen.

In Wolffsohns Buch wird es nach dieser bemerkenswerten Betrachtung dann sehr lang und sehr weilig. Es folgen rund 100 zähe Seiten über das deutsch-israelische, deutsch-jüdische Verhältnis zum damaligen Zeitpunkt. Dies alles hat mit dem Titel nichts zu tun.

Kurz gesagt wirft Wolffsohn Brandt vor, alle Juden und Israelis miteinander pauschal gleichgesetzt zu haben. Offensichtlich ist der Historiker beleidigt, weil der 1992 Verstorbene ihm und seiner Religion zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet hat. Kein jüdisches Phänomen, aber eine bei vielen Juden besonders ausgeprägte Form der Selbstwahrnehmung.

Deswegen urteilt Wolffsohn abschließend, daß das "Denkmal Brandt" nicht stürzen würde. Trotzdem: "Die Verwechselung ist historisch peinlich und dokumentiert die nicht seltene Kenntnis- und Ahnungslosigkeit staatlicher Repräsentanten." Ein schlechteres Zeugnis hätte Wolffsohn den Volksvertretern Nachkriegsdeutschlands wohl kaum ausstellen können.


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