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26.11.05 / Ohne Gott in die Sackgasse / Wo ökonomische Perspektivlosigkeit und Werteverfall zusammentreffen, bröckelt die Zivilisation

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Ohne Gott in die Sackgasse
Wo ökonomische Perspektivlosigkeit und Werteverfall zusammentreffen, bröckelt die Zivilisation
von Ansgar Lange

Europa als reine Wirtschaftsgemeinschaft reicht nicht aus. Nicht zuletzt die dramatischen Ereignisse im Nachbarland Frankreich machen deutlich, wie schnell der Lack der Zivilisation abbröckelt, wenn ökonomische Perspektivlosigkeit und allgemeiner Werteverfall zusammentreffen.

Die marodierenden Jugendlichen in den Banlieus finden keinen Halt mehr in einem gesellschaftlichen Umfeld, das sich oft nur noch über materielle Werte definiert. Ein Europa ohne Gott führt ins Abseits, diese Feststellung gilt nicht nur für das traditionell laizistische Frankreich.

"Europa - nicht die Torwartfrage in der Nationalmannschaft, das Dosenpfand oder die Maut - entscheidet über unsere Zukunft", merkte der ehemalige thüringische Ministerpräsident Bernhard Vogel vor kurzem bei einer Veranstaltung des Hermann-Ehlers-Bildungswerks in Hamburg an und plädierte dafür, den Kontinent wieder stärker auf sein religiöses Fundament zu stellen. Wie christlich sind aber die 25 EU-Mitgliedsstaaten überhaupt noch? Das Bild fällt sehr unterschiedlich aus. In Vogels Wohnort Erfurt gehören noch sieben Prozent der katholischen und 20 Prozent der evangelischen Kirche an, ein Wert, der für die neuen Bundesländer noch ganz gut ist.

Im Nachbarland Polen, das genauso unter dem Kommunismus zu leiden hatte wie die frühere DDR, bekennen sich stolze 95 Prozent zur katholischen Kirche, so daß es mittlerweile nicht mehr ungewöhnlich ist, wenn eine deutsche Pfarrei von einem polnischen Kleriker betreut wird.

Anscheinend läßt sich die religiöse Entwurzelung ganzer Landstriche nicht nur mit der jahrzehntelangen Herrschaft des Kommunismus erklären. Denn warum sagen laut "Time Magazine" in Italien 82 Prozent der Menschen, daß sie zu einer Kirche gehören, und 53 Prozent, daß sie mindestens einmal im Monat zum Gottesdienst gehen, während in England zwar 83 Prozent ihre Kirchenzugehörigkeit betonen, aber nur 19 Prozent den regelmäßigen Gang ins Gotteshaus schaffen. Für Frankreich lauten die Zahlen 57 zu zwölf Prozent, für Polen 95 zu 78 Prozent und für Deutschland 76 zu 30 Prozent.

Die Medien erwecken oft den Eindruck, als spielten Religion und Kirche für die Menschen in unseren Breiten keine große Rolle mehr. Sogar das phantastische Erlebnis des Kölner Weltjugendtages wollten moralinsaure Kommentatoren mit Verweisen auf die Rolle der Frau in der Kirche, die Haltung des Papstes zur Sexualmoral oder die Frage, ob Priester heiraten dürfen, trüben.

Glaubt man einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung, so trifft diese Krittelei bei den meisten Bürgern gar nicht auf fruchtbaren Boden. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung bekundet nach dieser Studie nämlich ein positives Verhältnis zu den kirchlichen Kernaufgaben der Verkündigung, der Seelsorge und der Caritas. Und viele wünschen sich auch christliche Werte in der Politik. Selbst in Ostdeutschland waren es ja in der Regel evangelische oder katholische Christen, die politische Verantwortung übernahmen; dies gilt für alle demokratischen Parteien.

Der Franzose Paul Valéry hat zutreffend formuliert: "Überall, wo die Namen Cäsar, Tacitus und Vergil, überall, wo die Namen Moses und Paulus, überall, wo die Namen Aristoteles, Plato und Euklid Bedeutung und Ansehen haben - dort ist Europa." Bernhard Vogel forderte in Hamburg mehr Selbstbewußtsein der Christen. Es waren schließlich christliche Politiker wie Robert Schuman in Frankreich, Alcide De Gasperi in Italien sowie Konrad Adenauer oder Hermann Ehlers in Deutschland, die den Prozeß der Versöhnung der europäischen Völker in Gang setzten. Angesichts der Tatsache, daß bereits heute 17 Millionen Muslime in der europäischen Gemeinschaft leben, ist es nahezu grotesk, beim Vorwurf, Europa geriere sich wie ein "Christenklub", sofort in die Schock-starre der politischen Korrektheit zu verfallen.

Europa darf kein abgeschotteter und exklusiver christlicher Verein sein, soviel ist klar. Aber was spricht eigentlich dagegen, daß sich die abendländischen Völker ihrer Wurzeln besinnen und als Christen verstehen? Denn christliche Gesinnung verträgt sich nie mit nationalistischer Abgrenzung von anderen Völkern. Daher forderte nicht nur der Ratsvorsitzende der EKD Bischof Huber, es müsse Schluß sein mit der "Multikulti-Schummelei".

Wenn der Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche in der Türkei seine Zweifel äußert, ob seine Kirche in Istanbul sein Eigentum bleiben und ob sein Krankenhaus weitergeführt werden darf, dann sollten solche Einwände nicht immer vom Tisch gewischt werden.

Europa kann seinen muslimischen Bürgern nur dann ein attraktives Integrationsangebot machen, wenn es zugleich offen und selbstbewußt auftritt. Selbstbewußte Christen werden sich mehr Achtung bei ihren islamisch geprägten Mitbürgern erwerben als diejenigen, die sich ihrer eigenen Identität nicht mehr sicher sind und Europa am liebsten als gigantischen Konsumtempel sehen.


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