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26.11.05 / Das Spiel mit den Zahlen / Wer gilt als Ausländer und wer nicht - Europäische Vergleiche aufgrund unterschiedlicher Definitionen fast unmöglich

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Das Spiel mit den Zahlen
Wer gilt als Ausländer und wer nicht - Europäische Vergleiche aufgrund unterschiedlicher Definitionen fast unmöglich
von Jan C. Jugl

Möchte man Migration in der EU oder deren einzelnen Mitgliedsstaaten untersuchen oder miteinander vergleichen, so ergibt sich eine ganze Reihe von Problemen, die dies Unterfangen mitunter erheblich erschweren. Es ist bereits gar nicht so einfach, die genaue Anzahl Zahl von Migranten in einem Land zu bestimmen. Noch schwieriger gestaltet es sich, beispielsweise die Migration nach Deutschland mit derjenigen nach Frankreich zu vergleichen, etwa um Aussagen zu machen, welches Land mehr Menschen als ein anderes aufgenommen hat.

Diese Schwierigkeit, insbesondere vergleichende Aussagen zu Migration zu treffen, ist mehreren Gründen geschuldet. Vornehmlich liegt es daran, daß es keine EU-weit verbindliche Definition gibt, wer genau als "Migrant" einzustufen ist, gibt. In einigen Mitgliedsstaaten gelten Zugewanderte erst nach einem einjährigen Aufenthalt als (sich dauerhaft aufhaltende) Migranten und werden statistisch erst dann als solche ausgewiesen. Andere Länder richten sich nach der tatsächlichen Aufenthaltsdauer, wieder andere danach, wie lange und zu welchem Zweck ein Mensch beabsichtigt, sich im Land aufzuhalten. Die in Deutschland immer noch verbreitete (dadurch aber nicht richtige) Gleichsetzung des "Ausländer"-Begriffs, der ja im rechtlichen Sinn nur nichtdeutsche Staatsbürger einschließt, mit "Migrant" ist sogar irreführend, weil nicht alle Ausländer "Migranten" sind (etwa, wenn sie bereits in der dritten Generation hier aufwachsen und das Herkunftsland ihrer Großeltern gar nicht kennen) und zugleich nicht alle Migranten "Ausländer" sind (beispielsweise, wenn sie als Spätaussiedler eingebürgert sind). In den EU-Mitgliedsstaaten mit kolonialer Vergangenheit konnten sich Einwanderer aus ehemaligen Kolonien außerdem sehr leicht einbürgern lassen und wurden daher von keiner Ausländerstatistik erfaßt. Manche Mitgliedsstaaten (wie Frankreich) erheben gar keine offizielle Statistik über die zugewanderte Bevölkerung. Andere Länder, wie zum Beispiel Griechenland oder Portugal, brauchen sehr lange, bis sie eigene Statistiken vorlegen. Zu all diesen technischen und definitorischen Problemen kommen noch unterschiedliche Verfahren beim Erstellen der Statistiken.

Allzuoft werden Zahlen als "unwiderlegbare Beweise" für oder gegen bestimmte Positionen angeführt. Wichtig ist allerdings, Statistiken generell zu hinterfragen und genau nachzuvollziehen, wie eine bestimmte Grafik oder eine Tabelle zustande gekommen ist und welche Aussagen sie enthält. An einigen Beispielen zu Migrationsdaten in Europa soll gezeigt werden, wie wichtig es ist, nüchternen Zahlen nicht blind zu vertrauen und vor allem: Nichts unhinterfragt hinein zu interpretieren.

So zeigt eine Tabelle beispielsweise, um wie viele Personen die Bevölkerungen der betrachteten Länder pro 1000 Einwohner gewachsen ist, gibt aber keinen Hinweis auf die tatsächliche Zahl von Migranten oder den jeweiligen Ausländeranteil.

Auch Grafiken, bei denen die absoluten Ausländerzahlen entnommen werden können, haben jedoch noch ihre Tücken.

"Ausländer" ist ein sehr unscharfer Begriff und sagt nicht mehr aus, als daß eine bestimmte Person eine andere Staatsbürgerschaft besitzt, als die einheimische Bevölkerung. Die Zusammensetzung dieser Gruppe ist in höchstem Maße inhomogen und unterscheidet sich stark von Land zu Land. Luxemburg zum Beispiel hat zwar mit 38 Prozent einen im europäischen Vergleich extrem hohen Ausländeranteil, drei Viertel dieser Gruppe kommt jedoch aus dem EU-Ausland. Von den in Deutschland lebenden Ausländerinnen und Ausländern stammte Ende 2003 rund jeder Vierte aus einem EU-Mitgliedstaat. In Frankreich leben hingegen deutlich mehr zugewanderte Menschen, als es die Ausländerquote vermuten ließe: Durch die koloniale Vergangenheit ist es Migranten aus den ehemaligen französischen Kolonien und Überseegebieten sehr leicht möglich, die französische Staatsbürgerschaft anzunehmen, womit sie statistisch zwar als Franzosen mit Migrationshintergrund, aber nicht als Ausländer gezählt werden.

Auszug aus dem Dossier "Migration" der Bundeszentrale für Politische Bildung.


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