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26.11.05 / Nicht Anklage, sondern Belege / Junger Historiker über Hintergründe der Grausamkeiten des Ostfeldzuges

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Nicht Anklage, sondern Belege
Junger Historiker über Hintergründe der Grausamkeiten des Ostfeldzuges

Wenn man Beiträge in Publikumszeitschriften oder angebliche Dokumentarfilme im Fernsehen über den deutsch-sowjetischen Krieg sieht, dann scheint alles klar zu sein: Die deutsche Wehrmacht hat die UdSSR ohne Grund "überfallen", um einen "verbrecherischen Vernichtungskrieg" zu führen.

Einig sind sich alle von Reemtsma bis zu dem einst in der DDR hoch angesehenen Historiker Groehler, daß die ohne Zweifel grausame Kriegführung allein von den Deutschen verursacht worden sei.

Und tatsächlich war die Kriegführung im Osten zunehmend grausam oder wie ein deutscher General es nach Hause schrieb: "Hier herrschen Verhältnisse wie im Dreißigjährigen Krieg." Waren daran wirklich allein die Deutschen schuld?

Nun kommt ein junger Historiker namens Klaus Jochen Arnold (37) daher und schreibt eine umfangreiche wissenschaftliche Abhandlung unter dem Titel "Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion", die von der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster, als Dissertation angenommen und als Band 23 in die Reihe "Zeitgeschichtliche Forschungen" aufgenommen wurde. Gleich zu Anfang schreibt der Autor, die Diskussion um die Erforschung des Kriegsverlaufes in der UdSSR werde "kontrovers" geführt, daß also noch keineswegs einhellig die Frage geklärt sei, was in der UdSSR von 1941 bis 1945 geschehen ist und warum.

Arnold befaßt sich mit Planung und Vorbereitung des "Unternehmens Barbarossa", mit der Radikalisierung der Kriegführung auf beiden Seiten, mit der deutschen Besatzungspolitik, mit dem Verhalten der Wehrmacht in den gesetzten Gebieten, mit dem Massensterben der kriegsgefangenen Sowjetsoldaten, mit der Partisanenbekämpfung und mit dem Mord an Juden. Er berichtet nicht allein, sondern fragt stets nach den Gründen, den Ursachen. Und da kommt - was bislang fast immer verschwiegen wurde - der sowjetische Geheimdienst, der NKWD, ebenso ins Spiel wie Stalins menschenverachtende Politik.

So erhält die angeblich von der deutschen Führung planmäßig durchgeführte "Hungerpolitik" gegenüber den sowjetischen Kriegsgefangenen und den Großstädten eine ganz andere Bedeutung. Man erfährt, wie die Wehrmachtführung geradezu verzweifelt versucht hat, die Millionen von Kriegsgefangenen zu ernähren - weitgehend ohne Erfolg. Die Behauptung, das alles sei planmäßig herbeigeführt, um die "slawischen Untermenschen" auszurotten, entpuppt sich als Propagandageschwätz.

Ursachen waren vielmehr der Zusammenbruch des Transportsystems und die Verwüstungen durch die sowjetische Politik der "verbrannten Erde".

Arnold belegt jede seiner Feststellungen mit dem Verweis auf die zugrunde liegenden Quellen. Er beschuldigt nicht - er weist nach. So muß Geschichte geschrieben werden. Schade nur, daß das wissenschaftliche Werk kaum eine weite Verbreitung finden dürfte. Es wäre erfreulich, wenn sich der Autor etwa nach dem Muster britischer oder amerikanischer Wissenschaftler dazu durchringen könnte, aus seinen Forschungsergebnissen ein populärwissenschaftliches Buch zu machen. H.-J. von Leesen

Klaus Jochen Arnold: "Die Wehrmacht und die Besatzungspolitik in den besetzten Gebieten der Sowjetunion - Kriegführung und Radikalisierung im ‚Unternehmen Barbarossa'", Verlag Duncker & Humblot, Berlin 2005, geb., acht Kartenskizzen, 580 Seiten, 48,80 Euro


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