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26.11.05 / Nichts als Agitation

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Nichts als Agitation
von H.-J. von Leesen

Als im April in Berlin in der "Gedenkstätte deutscher Widerstand" einmal wieder eine Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht eröffnet wurde, hielten auch zwei Vertreter eines polnischen "Instituts des Nationalen Gedenkens - Kommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen die polnische Nation" Ansprachen. Eine solche Kommission gibt es in unserem Nachbarstaat. Man bemüht sich, in der Vergangenheit gegen das eigene Volk begangene Verbrechen aufzuklären und noch lebende Täter zur Verantwortung zu ziehen. Das entspricht zum einen der Forderung jeder seriösen Geschichtsforschung, festzustellen, was eigentlich geschehen ist. Zum anderen können auf diese Weise aufgeklärte Tatbestände genutzt werden, um Forderungen an die Verursacher zu stellen. So geschieht es - in Polen.

Wer sich in Deutschland umsieht, wird derartige Institutionen vergeblich suchen. Hier existieren lediglich, und das seit Jahrzehnten, Organisationen und Institute, die nicht etwa an Deutschen begangene Verbrechen aufklären wollen, sondern die in allen Winkeln der Erde nach Untaten forschen, für die man Deutsche verantwortlich machen kann.

Da residiert in Ludwigsburg die "Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen", deren Personalbestand gerade um einen zusätzlichen Ermittler aufgestockt werden soll. Die einzige Sorge: Die Beschuldigten sterben reihenweise weg, so daß man immer weniger vor Gericht stellen und einsperren kann. Zur Zeit planen die Ermittler dieser "Zentralen Stelle" Dienstreisen zu Archiven in Tschechien, Weißrußland und in den USA in der Hoffnung, dort noch recht viele Belege über mögliche deutsche Verbrechen zu finden.

Während erheblicher Aufwand getrieben wird, um wirkliche oder angebliche deutsche Kriegsverbrechen auch 60 Jahre nach Kriegsende aufzuklären, kümmert sich keine staatliche Stelle um Verbrechen, deren Opfer Deutsche wurden. Das war allerdings nicht immer so. Erich Mende, Mitbegründer der FDP und von 1962 bis 1966 Vizekanzler, berichtete in seinem Buch "Die FDP - Daten, Fakten, Hintergründe", das 1972 erschien, daß die Regierung unter Bundeskanzler Adenauer sich die permanenten Beschuldigungen der Sieger nicht bieten ließ. Er schreibt (S. 43): "Im Bundesjustizministerium ist 1950 auf Weisung (des Bundesjustizministers) Dr. Dehler eine Akte angelegt worden ‚Tu quoque' (Auch Du), in der unter Angabe von Ort, Zeit und Sachverhalten Tausende von Kriegsverbrechen alliierter Soldaten gegenüber Deutschen festgehalten wurden. Sie sollten einer Versachlichung der einseitig geführten Diskussionen in der Kriegsverbrecherfrage dienen und Verfahren ermöglichen, die nicht von Rache, sondern von Schuld und Sühne geprägt waren." Gleichzeitig drohte Mende zusammen mit anderen Bundestagsabgeordneten, die Zustimmung zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) im Bundestag zu verweigern, solange noch deutsche Soldaten in Haft saßen, von deren Schuld er nicht überzeugt war.

Als sowohl die Erfassung alliierter Kriegsverbrechen als auch die drohende Verweigerung der Zustimmung zur EVG bekannt wurden, "setzte bei den Hohen Kommissaren (der Siegermächte) eine hektische Aktivität ein". Die noch festgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen wurden von den Siegermächten überprüft und eine große Anzahl zügig entlassen. Die antideutsche Propaganda ließ merklich nach, was zeigt, daß sich das entschiedene Vertreten deutscher Interessen keineswegs negativ auswirkte.

Aber das alles ist lange her. Dabei würde eine "Kommission zur Verfolgung von Verbrechen gegen die deutsche Nation" nach polnischem Vorbild sowohl der historischen Aufklärung als auch der psychischen Gesundung der Deutschen dienen. Aber solche Arbeiten überläßt man in diesem Staate Privatleuten.

Einer von ihnen ist der aus Sachsen stammende, heute in Berlin im Ruhestand lebende ehemalige Vorsitzende Richter einer Großen Strafkammer Dr. Theodor Seidel. Sein Vater, der in den letzen Kriegswochen als Volkssturmsoldat zur Verteidigung seiner Heimat eingesetzt wurde, kehrte aus dem Krieg nicht zurück. Nachdem sein Sohn in den Ruhestand getreten war, machte der sich daran, den Tod seines Vaters aufzuklären. Und er stieß auf das Massaker von Niederkaina (bei Bautzen). Bei den Kämpfen waren zahlreiche Angehörige der 2. Kompanie des 33. Volkssturmbataillons in die Gefangenschaft von auf sowjetischer Seite kämpfenden polnischen Einheiten geraten. Die sperrten die deutschen Kriegsgefangenen in eine Scheune des Rittergutes Loebenstein und steckten sie in Brand. Wer auszubrechen versuchte, wurde erschossen. Heute findet man an einem Mauerrest der Scheune eine Gedenktafel mit dem zurück-haltenden Text: "Zum Gedenken an 195 Opfer, die in dieser ehemaligen Scheune am 22. April 1945 von Angehörigen der 1. Ukrainischen Front verbrannt wurden."

Theodor Seidel, auch deutschen damaligen Meldungen gegenüber mißtrauisch, recherchierte nach der Wiedervereinigung überaus genau. Dabei stieß er in Ostsachsen auf unwiderlegbare Dokumente über sowjetische Greueltaten sowohl an der Zivilbevölkerung als auch an deutschen Kriegsgefangenen, die einen Umfang hatten, wie Seidel ihn nicht für möglich gehalten hatte (siehe PAZ Nr. 46). Vor allem in den Kirchenbüchern, die von den Pastoren überall geführt wurden, war er fündig geworden. Obwohl das Gebiet, das Seidel systematisch flächendeckend erforschte, - es umfaßt etwa den Bereich zwischen Bad Muskau, Hoyerswerda, Kamenz, Bautzen, Bischofswerda - verhältnismäßig klein war, mußte er feststellen, daß dort in der Zeit vom 16. April bis zum 9. Mai 1945 mindestens 1023 Zivilpersonen willkürlich getötet worden waren. Die Zahl der umgebrachten deutschen Kriegsgefangenen betrug mindestens 552.

In der DDR-Zeit wurde darüber selbstverständlich kein Wort öffentlich verlautet. In der Literatur über jene Zeit, ob sie in der DDR oder in Polen erschien, wurden die Verbrechen sorgfältig verwischt, und die Historiker schreckten auch nicht davor zurück, handfest zu fälschen. So behauptete einer von ihnen: "Die polnischen und sowjetischen Truppen wurden beim Einzug in die von Sorben bewohnten Ortschaften ... begrüßt und bewirtet." Seidel stellte fest, wie es wirklich war: Die Sowjettruppen hausten unter den Sorben genauso wie unter den Deutschen. Da wurden Daten gefälscht, um behaupten zu können, aufgrund der deutschen "barbarischen Kampfführung" sei "auch den polnischen und sowjetischen Soldaten die Geduld gerissen". Seidel belegt, daß es stets umgekehrt war: Bei Gegenstößen fanden deutsche Truppen die von den Sowjets ermordeten Frauen, Männer und Kinder ebenso wie gemeuchelte Kameraden. Sie machten daraufhin in manchen Fällen keine Gefangene mehr.

Es ist im heutigen Deutschland üblich, nicht zu verdeckende Kriegsverbrechen der Sieger damit zu rechtfertigen, daß man sie als verständliche Rache für vorangegangene deutsche Übeltaten erklärt und damit verständlich machen will. So geschah es auch im Zusammenhang mit den Vorgängen im östlichen Sachsen. Sie entstammen sämtlich zur DDR-Zeit erschienener Literatur beziehungsweise polnischen Veröffentlichungen. In den meisten Fällen vermißt Seidel genauere Quellenangaben; es handelt sich meistens nur um allgemeine Behauptungen.

Aus den den deutschen Streitkräften vorgeworfenen Greueltaten ragt die angebliche Erschießung von über 100 sowjetischen und polnischen Gefangenen bei Uhyst / Spree hervor, die auch in polnischen Veröffentlichungen ihren Platz fand. Es lag nahe, bei kompetenten deutschen Stellen nachzufragen, ob dort von einem solchen deutschen Kriegsverbrechen etwas bekannt sei. Das Militärgeschichtliche Forschungsamt hatte davon ebensowenig Kenntnis wie das Bundesarchiv, Zentralnachweisstelle in Aachen, oder die Außenstelle Ludwigsburg. Das Bundesarchiv Berlin konnte jedoch einen Aktenfund melden, und zwar in den Beständen des früheren Generalstaatsanwalts der DDR. Das Studium der vorhandenen Akten ergibt ein aufschlußreiches Bild, wie im kommunistischen Lager deutsche Kriegsverbrechen konstruiert wurden.

Es dürfte feststehen, daß man bei Uhyst ein größeres Massengrab gefunden hat, das aber nicht nur sowjetische und polnische Soldaten aufwies, sondern auch eine nicht genannte Zahl von deutschen Gefallenen. Bereits 1962 wurde dazu ein "Gutachten" entwickelt, in dem aus den Toten von deutschen Truppen ermordete Kriegsgefangene wurden. Schwierigkeiten bereitete nur die Deutung der deutschen Gefallenen. Man war in der Formulierung vorsichtig. Stets wurde betont, daß es sich "möglicherweise" zugetragen haben könnte, wie im Gutachten behauptet. Einige Jahre blieb das "Gutachten" unbeachtet, bis es in Polen veröffentlicht wurde. Daraufhin leitete die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen ein und bat den zuständigen DDR-Staatsanwalt um Rechtshilfe.

Das löste offensichtlich bei den DDR-Dienststellen Verlegenheit aus, denn das "Gutachten" enthielt keinerlei konkrete Hinweise, sondern nur mehr oder weniger polemische Verdächtigungen (siehe Dokumentation im Kasten).

Wie die bei Uhyst begrabenen deutschen und sowjetischen Soldaten zu Tode gekommen sind, ist nicht geklärt. Genauso kann es sich um die eilige Beerdigung von in Kämpfen gefallenen Soldaten gehandelt haben. Aus der Tatsache, daß ein Massengrab vorhanden war, ein deutsches Kriegsverbrechen herzuleiten, ist jedenfalls nichts als Agitation.

 

Aus den Akten des Generalstaatsanwaltes der DDR, heute Bundesarchiv Berlin

Auszug aus "Gutachten", Nationale Volksarmee (NVA), Institut für deutsche Militärgeschichte, Potsdam, 1. November 1962

"... Immerhin war es bei dem wechselhaften Verlauf der Kämpfe möglich, daß den faschistischen Truppen eine gewisse Zahl polnischer und sowjetischer Gefangener in die Hand fiel ... Man muß daher annehmen, daß die in Uhyst aufgefundenen ermordeten Soldaten aus den vorausgegangenen Gefechten stammten ... Möglicherweise haben die Erschießungen im Zusammenhang mit den am 19./20. April beginnenden Rückverlegungen des Truppengefechtsstandes stattgefunden ... Die Tatsache, daß in den Massengräbern auch deutsche Soldaten aufgefunden wurden, gebührt besondere Aufmerksamkeit. In erster Linie wird es sich dabei um Soldaten handeln, die versucht hatten, sich dem verbrecherischen Hitlerkrieg zu entziehen oder die nach erfolglosen Gegenangriffen wegen angeblicher Feigheit zum Tode verurteilt wurden". Auch könne "es sich ... um Angehörige des ‚Nationalkomitees freies Deutschland' (deutsche Kriegsgefangene, die in sowjetischer Kriegsgefangenschaft umerzogen worden waren und nun auf Seiten der Sowjets am Kriege teilnahmen, der Autor) gehandelt haben ..., die den Faschisten in die Hände gefallen sind."

Brief des Leitenden Oberstaatsanwaltes Düsseldorf an Zentralstelle für die Bearbeitung von nationalsozialistischen Verbrechen bei dem Generalstaatsanwalt der DDR, Berlin. 19. Dezember 1974. "Betr.: Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Mordes an Kriegsgefangenen im Jahre 1945 ... Sehr geehrter Herr Staatsanwalt Wieland! Ich führe ein Ermittlungsverfahren, dessen Anlaß ein Bericht der polnisch-sprachigen Zeitung ‚Za Wolnwse i Lud' vom 4. August 1973 ist." (Es folgt die Übersetzung des langen Artikels, dessen Kern die Behauptung ist, daß in deutsche Hand gefallene polnische Soldaten in Uhyst, Kreis Hoyerswerda, erschossen worden seien.) Der Düsseldorfer Oberstaatsanwalt bittet seinen DDR-Kollegen um nähere Angaben, damit er die Ermittlung aufnehmen kann.

Daraufhin fragt am 18. Juni 1975 der DDR-Staatsanwalt Wieland bei der NVA, Deutsches Militärarchiv, an, ob dort bekannt sei, welche Einheiten der "faschistischen Wehrmacht und der SS" zu jener Zeit in den Kreisen Hoyerswerda und Bautzen an Kampfhandlungen teilgenommen haben. Die NVA erwidert am 3. Juli 1975, daß sie nichts zu dem Thema beitragen könne, was nicht allgemein zugänglich wäre.

Im weiteren Verlauf befindet sich in den Akten eine Aktennotiz vom 3. Oktober 1975 an den "Stellvertreter des Generalstaatsanwaltes der DDR, Genosse Borchert". "Dieser Vorgang ist sozusagen eine vom ehemaligen Cottbuser Bezirksstaatsanwalt Kieper stammende unangenehme Erbschaft! Der Sachverhalt: 1965 veröffentlichte der Cottbuser BstA. die Dokumentation ‚Verjährung - niemals', die eine bemerkenswerte agitatorische Initiative der Cottbuser Genossen darstellte, deren juristischer Wert allerdings recht begrenzt war ... Nunmehr hat sich die Staatsanwaltschaft Düsseldorf an uns ... gewandt" unter Berufung auf die Cottbuser Dokumentation.

"Das eigentliche Problem besteht nunmehr darin, daß in der Dokumentation zwar drei in der BRD lebende Personen genannt werden, jeder Beweis für ihr Mittäterschaft jedoch fehlt. Meines Erachtens ist es jedoch unbedingt erforderlich, das BRD-Rechtshilfeersuchen zu beantworten. Schließlich handelt es sich um eine von der Staatsanwaltschaft der DDR veröffentlichte Dokumentation, deren Wahrheitsgehalt absolut außer Frage zu stehen hat."

Daraufhin schreibt der DDR-Generalstaatsanwalt an den Düsseldorfer Kollegen am 9. Oktober 1975: "Zur vorstehend erwähnten Angelegenheit sende ich Ihnen anliegend den Auszug ‚Die Mordtaten der faschistischen Feldgendarmerie ...', aus der in der Anlage Ihres Schreibens erwähnten Dokumentation, deren übriger Inhalt zum Gegenstand Ihres Ermittlungsverfahrens in keinerlei Beziehung steht, so daß ich von der Übersendung der gesamten Dokumentation Abstand genommen habe ... Ich betrachte damit Ihr Rechtshilfeersuchen als abschließend beantwortet. Wieland, Staatsanwalt. H-J.v.L.


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