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03.12.05 / Deutscher Sonderweg selbst bis in den Tod / Bundeswehr distanziert sich ungewollt von "einsatzbedingt ums Leben gekommenen" Soldaten

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Deutscher Sonderweg selbst bis in den Tod
Bundeswehr distanziert sich ungewollt von "einsatzbedingt ums Leben gekommenen" Soldaten
von Herbert Kremp

Ohne daß die Öffentlichkeit nach dem ersten Erschrecken über die Todesnachricht noch Notiz davon nahm, wurde der "deutsche Soldat", der in Afghanistan zum Opfer wurde, in seinem fränkischen Heimatort Redwitz an der Rodach mit militärischen Ehren zu Grabe getragen. Armin Franz war 44 Jahre alt, Oberstleutnant der Reserve, 700 Tage im Kosovo, zum siebten Mal im aktiven Einsatz bei der Schutztruppe in Afghanistan, dort im "deutschen Anteil" des Stabes tätig - ein Vorbild für die Bundeswehr und ihren Einsatz.

Das Verteidigungsministerium hält seinen Namen zurück. Das Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam, zuständig für die Auslandseinsätze, bestätigt nicht einmal die aus anderen Quellen bekannt gewordene Identität, nicht einmal die Initialen A. F. - wohl auf Wunsch der Angehörigen, wie es heißt, aber auch "grundsätzlich", wie ein Sprecher des Kommandos erklärte. Hinterbliebene würden möglicherweise von Dritten "angesprochen, die gegen weltweite Aktivitäten der Bundeswehr oder gegen ihre Existenz überhaupt eingestellt sind". Der Name, so sein Schluß, werde auch künftig nicht mitgeteilt, von der Bundeswehr jedenfalls nicht. Wer deutsche Soldatenfriedhöfe besucht, stößt auf die Grabsteininschrift "Hier ruht ein deutscher Soldat". Hierbei handelt es sich um Soldaten, die nicht identifiziert werden konnten. Die Bundeswehr führt gesellschaftliche Gründe an, getötete Soldaten nicht zu identifizieren, obwohl man ihre Namen kennt. Ungewollt wirkt dies wie eine Distanzierung. Man verweigert die öffentliche namentliche Ehrung. Armin Franz hat sein Leben in einem Dienst verloren, den der Souverän in Gestalt des Deutschen Bundestags beschlossen hat. Nach dem Willen der Streitkräfte bleibt er ein unbekannter Soldat.

Der Oberstleutnant Armin Franz ist auch nicht "gefallen". Er kam "einsatzbedingt ums Leben", wie die etwas gekünstelte amtliche Umschreibung des Soldatentodes heißt. Aber es war kein Busunglück. Ein Terrorist rammte mit einem sprengstoffgefüllten Pkw auf einer Ausfallstraße von Kabul das leicht gepanzerte Fahrzeug vom Typ Wolf. Die Explosion tötete den Offizier und verwundete zwei Feldjäger schwer. Warum darf Armin Franz nicht gefallen sein, warum hat er selbst im Tode und darüber hinaus einen deutschen Sonderweg zu gehen? Am Hindukusch haben bis jetzt 18 deutsche Soldaten ihr Leben gelassen: durch Beschuß, Minenexplosionen, Sprengstoffattentate, beim Delaborieren von Munition; zudem wurden viele verletzt, einige schwer, andere leicht. Für andere "unruhige" Plätze, wie die Balkanregion, gilt ähnliches.

2003 standen über 10000 Soldaten und Soldatinnen aller Teilstreitkräfte unter dem Einsatzführungskommando auf drei Kontinenten. Im Sommer 2004 waren es 7000 in zehn Ländern, in Afghanistan, Äthiopien, Bahrain, Bosnien-Herzegowina, Djibuti, Eritrea, Georgien, dem Kosovo, Mazedonien, Usbekistan; Entsendungen nach Indonesien und in den Sudan kommen hinzu. Nur in wenigen Fällen tritt die Bundeswehr unbewaffnet auf. Am schwersten armiert im Kosovo, etwas leichter in Afghanistan, weil schwere Panzer auf die Bevölkerung "fast russisch" wirken müßten und der weite Transportweg logistische Probleme aufwürfen, lauten die Argumente.

Am "unsichersten" ist die Lage in Afghanistan, wo die Bundeswehr in Kabul, Kundus, Faisabad und nun auch in Mazar-i-Sharif im nördlichen Teil des Landes mit maximal 3000 Soldaten ihrem Auftrag nachgeht. Während die amerikanisch geleitete Operation "Enduring Freedom" Terroristen bekämpft, zeitweilig unterstützt von etwa 100 Mann der deutschen Eliteeinheit "Kommando Spezialkräfte" (KSK), auch von der Marine am Horn von Afrika, steht die Schutztruppe Isaf (International Security Assistance Force) mit dem deutschen Kontingent der afghanischen Regierung bei der Herstellung und Wahrung der inneren Sicherheit zur Seite, leistet Kommunikations-, Logistik- und medizinische Hilfe für die afghanische Nationalgarde, während deutsche Polizeikräfte am Aufbau der afghanischen Polizei mitwirken. Die Nato will die zivil-militärische Wiederaufbauhilfe in den Provinzen ausweiten, beteiligt sich aber nicht aktiv an der Bekämpfung von Terroristen, Aufständischen und der großen Drogenszene.

Auf diesen feinen Unterschied nehmen die Feinde der Karsai-Regierung keine Rücksicht. Daher zählen Taliban, al-Qaida, die Truppe Herb-e-Islami des Fundamentalisten Gulbuddin Hekmatyar und des paschtunischen Stammesführers Haqqani zu den militärischen Gegnern auch der Isaf. Sie beziehen ihren Waffenstolz aus dem erfolgreichen Kampf gegen die Weltmacht Sowjetunion ab 1979 und dem von Bin Laden initiierten Angriff auf die USA am 11. September 2001. Der politisierte Islam spielt eine brisante Rolle.

Die Bundeswehr operiert seit vier Jahren in Afghanistan. In der Zwischenzeit wurde der afghanische Staat durch Verfassung, Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen (September 2005) legalisiert, doch beherrscht die Regierung weder das Land der Warlords noch die Sicherheit in der Hauptstadt. Der Ausgang des "nation-building"-Experiments ist ungewiß. Experten rechnen mit einer weiteren Tätigkeit des deutschen Truppenkontingents bis zu zehn Jahren. Die Begründung des früheren Verteidigungsministers Struck lautet, die Sicherheit der Bundesrepublik werde auch am Hindukusch verteidigt.

Obwohl man diesen Hinweis nicht gerade als undramatisch bezeichnen kann, herrscht in der Öffentlichkeit eine bemerkenswerte Gleichgültigkeit. Die öffentlich Indolenz dürfte jedoch in erster Linie in einer Unsicherheit der politischen Führung begründet sein: Die Leistungen der deutschen Truppe werden nicht herausgestellt. Die Beispiele von Einsatzbereitschaft, Tapferkeit, vorbildlichem Handeln bleiben öffentlich unerwähnt wie die Identität von Gefallenen und Verwundeten. Der Staat, der ängstliche Schleicher, stiftet keine Auszeichnungen, er vergibt steuerfreie Zulagen. Der Dienst wird gemacht, am Ende quittiert - der Rest ist ein etwas peinliches Schweigen.

Herbert Kremp ist einer der bekanntesten deutschen Journalisten. Er war Chefredakteur ("Rheinische Post", "Die Welt"), Korrespondent in China und in Brüssel (Nato, EU). Dieser Beitrag erschien in der "Welt". Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Warum darf Armin Franz nicht "gefallen" sein: Bundeswehr agiert politisch überkorrekt.


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