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03.12.05 / Gedanken zur Zeit: / Endlich die Notbremse ziehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Gedanken zur Zeit:
Endlich die Notbremse ziehen
von Wilfried Böhm

Dem Sozialhilfeempfänger geht es mit Hartz IV an die Einmalleistungen der Sozialhilfe, sprich ans "Weihnachtsgeld", den Rentnern stehen "Minusrunden" ins Haus, und für die Pendler wird der Weg zur Arbeit teuer. Ja, es soll und muß gespart werden, "es geht ans Eingemachte", wie man zu sagen pflegt, wenn es eng wird.

Zugegeben: Das ist eine verdammt schwere Aufgabe, vor allem deswegen, weil ihre Lösung seit Jahrzehnten nicht angepackt, sondern immer wieder verschleppt worden ist. "Vergnügungssteuerpflichtig" ist Politik gegenwärtig gewiß nicht, wie sich der neue Bundeswirtschaftsminister Michael Glos auszudrücken beliebt.

Altbundeskanzler Helmut Kohl verpaßte in den Jahren nach 1983 nicht nur die "geistige und moralische Wende", um derentwillen er gewählt worden war, sondern täuschte 1990 sich und die Bürger über die Milliardensummen, die für die Überwindung der Sozialismusfolgen im Deutschland zwischen Rügen und dem Thüringer Wald aufgebracht werden mußten. Dahinter stand die Überzeugung, daß "die deutsche und die europäische Einheit zwei Seiten ein und derselben Medaille" seien, so als sei die Wiederherstellung der nationalstaatlichen Einheit von Magdeburgern und Kölnern dasselbe wie das Zusammenleben von Stockholmern und Lissabonern in einem gemeinsamen Europa - und nicht etwas qualitativ völlig anderes. In diesem Denken kam die deutsche Einheit nur als eine Art "Nebenprodukt" der europäischen Einheit vor.

Daraus ergab sich der grundsätzliche Fehler, in den Jahren nach der unerwarteten Selbstbefreiung der Deutschen zwischen Rügen und Thüringerwald die milliardenschweren deutschen Nettoleistungen an die Europäischen Union (EU) in Brüssel nicht nur fortzusetzen, sondern noch zu steigern. In den 90er Jahren hatten diese Nettoleistungen gewaltige Ausmaße angenommen, und Deutschland war unbestritten der Zahlmeister der EU, als sich in den Jahren von 1991 bis 1994 die deutschen Nettobeiträge von 19 Milliarden D-Mark auf 28 Milliarden D-Mark pro Jahr erhöhten, was man in Brüssel als "Waigel-Kurve" bezeichnete und dankbar zur Kenntnis nahm. Der Bayer amtierte damals als Bundesfinanzminister.

Insgesamt flossen vom Hauptnettozahler Deutschland seit 1990 bis heute über 310 Milliarden (in D-Mark gerechnet!) in die Brüsseler Umverteilungsmaschinerie - und das angesichts der mehr als 440 Milliarden (ebenfalls D-Mark), die nach Angaben des bis vor kurzem zuständigen Bundesministers Stolpe von 1990 bis 2004 für den "Aufbau-Ost" aufgebracht wurden. Beide Aufgaben in einem Kraftakt zu lösen, war objektiv unmöglich und hat, weil es dennoch praktiziert wurde, wesentlich zur heutigen wirtschaftlichen und finanziellen Lage Deutschlands beigetragen. Doch es gilt noch immer als "politisch nicht korrekt", diese Tatsachen auszusprechen.

Im Gegenteil: Ausgerechnet dieses Deutschland, das seine Netto-Milliarden nach Spanien, Portugal, Irland und Griechenland gepumpt hat, wird als "Defizitsünder" an den europäischen Pranger gestellt, ein geradezu aberwitziger Umstand, besonders mit Blick auf Spanien, das den Hauptanteil an den deutschen Nettoleistungen kassiert, sich damit seine Strände verschönert und gleichzeitig die Deutschen mit einiger Dreistigkeit ermahnt, "endlich ihren Staatshaushalt in Ordnung zu bringen". Das gilt aber auch im Blick auf Griechenland, das sich seinen Beitritt zur Euro-Zone mit falschen Haushaltszahlen quasi erschlichen hat und munter weiter kassiert. Pikant auch, daß - so betrachtet - Deutschland als geburtenschwächstes Land Europas ausgerechnet Irland, dem geburtenstärksten Land, die Kindergärten finanziert.

Der Hinweis auf die "Rückflüsse" von der EU nach Deutschland ist und bleibt angesichts der Nettozahlen ein Roßtäuschertrick. Ein konkretes Beispiel: Deutschland erhält jährlich zwar fast zwölf Milliarden (in D-Mark) zurück, muß aber - wie die Bayerische Staatskanzlei vorrechnete - im Agrarbereich vier D-Mark (zwei Euro) nach Brüssel überweisen, um zwei D-Mark (einen Euro) zurückzuerhalten. Bei den Struktur- und Regionalbeihilfen ist es ähnlich: Deutschland muß 3,30 D-Mark an die EU-Kasse zahlen um zwei Mark zurückzuerhalten.

Die Situation ist absurd: Während Deutschland den traurigen Mut aufbringen muß, bei seinen Sozialhilfeempfängern, Rentnern und pendelnden Familienvätern zu sparen, hat Berlin für "Brüssel" auch künftig jährlich mit über 15 Milliarden (aus Vergleichsgründen wiederum in D-Mark) jährlich zu rechnen - ohne bis jetzt dort die Notbremse zu ziehen und angesichts der eigenen Finanzlage ein Moratorium zu verlangen. Alles andere hieße, daß die EU daran geht, die Kuh zu schlachten, von der sie bisher recht gut hat leben können. Da bleibt nur, daß Frau Merkel "in Europa" das tut, was Frau Thatcher einst für ihr Land und damit für das Zusammenleben in Europa an Gutem bewirkt hat.


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