29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.12.05 / Er kämpfte für die Pressefreiheit / Der Verleger Johann Friedrich Cotta setzte Zeichen in seiner Zeit

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Er kämpfte für die Pressefreiheit
Der Verleger Johann Friedrich Cotta setzte Zeichen in seiner Zeit
von Rüdiger Ruhnau

Das Schiller-Gedenkjahr neigt sich dem Ende zu. Erstaunlich, wie unerhört modern das Werk des Dichters geblieben ist. Es hat sich erhalten, weil Schiller kein avantgardistischer Moralschwätzer gewesen ist. Wenn seine Stücke 200 Jahre nach dem Tod neu aufgeführt, gelesen, verfilmt, in Ausstellungen behandelt und diskutiert werden, dann belegt dies, daß des Dichters Dramen und ihre Helden nichts an Interesse und Aufmerksamkeit eingebüßt haben. Schillers Briefe "Über die ästhetische Erziehung des Menschen" sind noch heute lesenswert, sein Glaube, die Betrachtung des "Schönen" könne die Menschen verbessern, ist in unserer Zeit wichtiger denn je.

Anfang des Jahres 1793 machte sich Schiller auf die seit langem beabsichtigte Reise in die Heimat. Sein alt gewordener Vater verlangte ihn noch einmal zu sehen und für Gattin Lotte hoffte er, im Schwabenland bessere Ärzte zu finden. In Stuttgart knüpfte der Dichter die später so fruchtbare Verbindung mit dem jungen Verleger Johann Friedrich Cotta, die Schillers Vorhaben eingreifend veränderte und Cotta zum ersten Verleger Deutschlands machen sollte. In der Schwabenmetropole entstand auch die bekannte Schiller-Büste, die sein alter Studienfreund, der Bildhauer J. H. Dannecker modellierte. Die 1659 in der Universitätsstadt Tübingen gegründete Cotta'sche Buchhandlung hatte ihre Bedeutung hauptsächlich mit ihrem wissenschaftlichen Sortiment gewonnen, ihre Autoren waren Gelehrte aus der theologischen und juristischen Fakultät. In vier Generationen erwarben die Cottas Reputation im Buchgeschäft. Im Alter von 23 Jahren trat Johann Friedrich Cotta (1764-1832) in die Buchhandlung, Verlag und Sortiment seines Vaters ein. Mit kaufmännischer Begabung, Ehrgeiz und Fleiß erreichte er bald eine Ausweitung der Verlagsarbeit in den größeren deutschen Raum. Die Herausgabe von Schillers literarischer Monatsschrift "Die Horen" begründete nicht nur die geschäftliche Partnerschaft zwischen Cotta und dem Dichter, sie führte auch zur persönlichen Freundschaft der beiden Männer.

Friedrich Schillers Idee, "ein großes vierzehntägiges Journal, an dem dreißig oder vierzig der besten Schriftsteller Deutschlands mitarbeiten", kam Cottas Ambitionen auf dem Gebiet der schönen Literatur geradezu entgegen. Die Zeitschrift erschien in drei Jahrgängen von je zwölf Heften bei Cotta, der die "Horen"-Mitarbeiter Goethe, Herder, Fichte, Hölderlin, die Brüder Humboldt für seinen Verlag gewinnen konnte und bald der "erste und respektierteste Buchhändler in Deutschland" genannt wurde.

In dem "Contract über Die Horen, welche unter der Aufsicht des Hofrats Schiller erscheinen soll", heißt es unter anderem: "Jeden Monat erscheint ein Stück von 8 Bogen Median mit deutscher Schrift, die Seite von 30 Zeilen. Alle enthaltenen Aufsätze müssen entweder historischen oder philosophischen oder ästhetischen Inhalts sein. In den eingesandten Stücken darf der Redakteur keine Änderungen treffen, sondern muß, wenn eine Verbesserung nötig ist, die Stücke dem Verfasser zurück-senden." In weiteren 26 Vertragspunkten wurden alle Einzelheiten genauestens festgelegt. Schiller sandte das Avertissement der "Horen" an Goethe, der "mit Freuden und ganzem Herzen von der Gesellschaft sein" wollte.

Für die lange erwünschte Befestigung seines Verhältnisses zu Goethe bildeten "Die Horen" den Grundstein. Goethes "Wilhelm Meister" und Schillers "Horen" waren in den literarischen Salons des Jahres 1795 die wichtigsten Gesprächsthemen. Nicht alle, die Schiller zur Mitarbeit an seiner Zeitschrift angeschrieben hatte, folgten der Einladung. Der Königsberger Kant, den er sehr verehrte, antwortete mit einem freundschaftlichen Brief, bat aber um Aufschub. Daß Goethe und Schiller ihre anderweitigen Verlagsbindungen zu Gunsten Cottas lösten und dem Tübinger Verleger die Rechte an ihre Gesamtausgaben übertrugen, stärkte wiederum das Ansehen Cottas, der keine Kosten und Mühen scheute, um die Autoren zufriedenzustellen.

Johann Friedrich Cotta, der sein juristisches Studium in Tübingen mit dem Doktorexamen abgeschlossen hatte, war schon 1807 nach Umfang wie Qualität seines Verlags der bedeutendste deutsche Verleger.

Neben den Werken der klassischen deutschen Autoren brachte sein Verlag aber auch Zeitschriften zur Lektüre für die Damenwelt heraus. Die wichtigste politische Tageszeitung des Verlags mußte unter dem Zwang der Zensur Namen und Ort wechseln, sie erschien als "Allgemeine Zeitung" ab 1810 in Augsburg, zuletzt in München, wo sie noch das Jahrhundert überdauerte.

Als bedeutendste Kulturzeitschrift des 19. Jahrhunderts gilt wiederum das von Cotta gegründete "Morgenblatt für gebildete Stände", eine Tageszeitung für Literatur und bildende Kunst, die sich an eine breite Leserschaft wandte. Daß man schon damals über Journalisten schimpfte, zeigt ein Brief von Justinus Kerner an den Freund Ludwig Uhland, in dem es heißt: "Cotta ist ein Lumpenhund, daß der Deine Gedichte nicht annahm ..."

Neben der unternehmerischen Seite sind die politischen Aktivitäten Johann Friedrich Cottas bemerkenswert. Als Deputierter des deutschen Buchhandels auf dem Wiener Kongreß trat er energisch für die Pressefreiheit ein. Später war Cotta Vizepräsident des württembergischen Landtags und handelte als Diplomat den Zollverein zwischen Württemberg, Bayern und Preußen aus.

Nach der Adelserneuerung 1817 nannte er sich Johann Friedrich Freiherr Cotta von Cottendorf. Er besaß mehrere Landgüter, beteiligte sich an industriellen Unternehmen und erwarb in Baden-Baden sogar ein altes Kapuzinerkloster, das er zu einem modernen Kurhotel umbauen ließ. Noch heute gehört es zu den führenden Häusern der Kurstadt. Den Nachkommen Johann Friedrichs gelang es mit viel kommerziellem und politischem Geschick, dem Cotta-Verlag Welgeltung zu verschaffen. Bismarcks "Gedanken und Erinnerungen" erschienen noch 1898 in der "Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger G.m.b.H.", die aber bereits von Alfred Kröner übernommen worden war. Das Geschäftsarchiv des Cotta-Verlags umfaßt zahlreiche Briefe aus der Korrespondenz des Verlages mit Schiller, Goethe, Hölderlin, Fichte, Schelling, Jean Paul und vielen anderen. Es befindet sich heute im Deutschen Literaturarchiv in Marbach, dem wichtigsten Grundlagenforschungsinstitut für Geisteswissenschaften.

Johann Friedrich Cotta: Er verlegte die Großen.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren