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03.12.05 / Quo vadis - wo sich Wege kreuzen / Ein deutscher Kabarettist auf den Spuren eines polnischen Nobelpreisträgers

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Quo vadis - wo sich Wege kreuzen
Ein deutscher Kabarettist auf den Spuren eines polnischen Nobelpreisträgers

Vor wenigen Wochen endete ein Kommentar des Herausgebers dieser Zeitung mit dem beliebten Zitat "Quo vadis?" (Wohin gehst du?). Daß es in diesem Text um die politische Entwicklung Polens und um das deutsch-polnische Verhältnis ging, verleiht der Zitat-Auswahl Wilhelm v. Gottbergs eine besondere Note. Handelt es sich doch um den Titel des bedeutendsten Romans von Henryk Sienkiewicz - und der war Pole.

Geboren am 5. Mai 1848 in Okrzejska im sogenannten Kongreß-Polen, erhielt der Autor vor genau 100 Jahren, am 10. Dezember 1905, den Literaturnobelpreis verliehen. Sienkiewicz entstammte altem polnischen Landadel, der aber inzwischen total verarmt war und sich zu den Opfern der polnischen Teilungen zählen durfte. Schul- und Studienzeit verbrachte er in Warschau. Dort wandte er sich ohne Universitätsabschluß dem Journalismus zu. Als Amerika-Korrespondent diverser polnisacher Zeitungen machte er mit satirisch-kritischen Reportagen auf sich aufmerksam. Sein erster historischer Roman griff Themen aus der jüngeren Geschichte seines Heimatlandes auf.

Im Jahre 1896 gelang ihm dann der große Wurf: "Quo vadis", die dramatische Schilderung der Christenverfolgungen unter dem römischen Kaiser Nero, war auf Anhieb das, was man heute "Bestseller" nennt. Das Monumentalwerk, 1898 auch in deutscher Übersetzung erschienen, verkaufte sich weltweit bestens; bald war der Autor ein reicher Mann.

So konnte er es sich leisten, die Frage "Quo vadis?" für sich persönlich auf recht extravagante Weise zu beantworten - er ging in die Bretagne. Auf einer seiner zahlreichen Reisen hatte es ihn in den damals noch touristisch unerschlossenen Westen Frankreichs verschlagen, wo es ihm so gut gefiel, daß er beschloß, hier seßhaft zu werden. Im Départment Côte du Nord kaufte er sich von dem mit "Quo vadis" verdienten Geld eine kleine Insel mit einem veritablen Schlößchen: Chateau de Costaérès, zur Gemeinde Trégastel gehörend und von der St.-Guirec-Bucht in Ploumanach bei Ebbe zu Fuß erreichbar.

Hier, vor der imposanten und offensichtlich kreativitätsfördernden Felsenküstenkulisse der Côte de Granit rosé, schrieb Sienkiewicz weitere nobelpreisträchtige Romane, aber auch politische Kampfschriften mit dem Ziel, die staatliche Einheit Polens wiederherzustellen.

Allzu lange hielt es den unsteten Geist jedoch nicht in der Bretagne; er zog ihn zurück in die polnische Heimat, die er aber bei Ausbruch des Weltkrieges erneut verlassen mußte. Ende 1916 verstarb er im Schweizer Exil; acht Jahre später fand er seine letzte Ruhe in heimatlicher Erde.

Wie eng Geschichte und Schicksal von Polen und Deutschen miteinander verwoben sind, zeigt sich auch am weiteren Geschick des kleinen, architektonisch und kulturgeschichtlich eher unbedeutenden Schlößchens vis-à-vis des Vogelschutzparadieses der Sept Iles: Es wechselte mehrfach den Eigentümer, bis es schließlich in den 80er Jahren von einem Deutschen gekauft wurde.

Der genießt hier - wenn er nicht gerade damit beschäftigt ist, in Deutschland das für ein unbeschwertes Schloßherrendasein unabkömmliche Kleingeld zu verdienen - Romantik, französisches Savoir-vivre und Natur pur. Seine Nachbarn in Trégastel und Ploumanach wissen, daß er irgendetwas beim Fernsehen macht; was genau, wissen sie nicht.

Das liegt vor allem daran, daß sich die schrägen Späße des deutschen TV-Komödiantentums nur schwerlich ins Französische übertragen lassen - deshalb und nicht wegen der Pariser Sprachschutzgesetze sind Sendungen wie "Nonstop Nonsens" westlich des Rheins nicht zu sehen. Es handelt sich bei dem deutschen Wahlbretonen auf den Spuren des polnischen Nobelpreisträgers nämlich um den Berliner Schauspieler und Kabarettisten Didi Hallervorden. Und sollte man ihn mal dort an der bretonischen Felsenküste treffen, fragt man ihn besser nicht "Quo vadis?", sondern "Quando vadis?" (wann gehst du?). Die von der Natur vorgegebene Antwort: bei Ebbe! H.J.M.

Eigene Insel: Hierher verschlug es nicht nur den Nobelpreisträger.


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