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03.12.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Weihnachtszeit Es gibt Geschenke: Orden vom KGB, Apfelkuchen von Lenin und ein zweites Deutschland für die lieben Nachbarn / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher schwärmte 1990 nach dem glücklichen Ende des Kalten Krieges, ab jetzt sei Deutschland - erstmals in seiner Geschichte - "nur noch von Freunden umgeben". Das war bekanntlich ein böser Irrtum, denn die meisten Anrainer waren zuvor 45 Jahre lang auch schon Freunde, allerdings mehr Freunde der deutschen Teilung als der Deutschen selbst. Bis zur Vereinigung hatte gewissermaßen jeder ein verbündetes Deutschland und eines, das auf der anderen Seite stand. Damit waren alle recht zufrieden. Seinen Schmerz über die deutsche Einheit verarbeitete dann jeder Nachbar auf die Art, die seiner nationalen Eigenart entsprach: London schnaubte wie ein Dampfkessel mit Überdruck, Rom keifte, Paris intrigierte und Warschau sah bereits das Ende kommen. Unter den größeren europäischen Hauptstädten war nur Madrid ehrlich gerührt vom Bruderkuß der Deutschen an der Mauer, wie Helmut Kohl in seinen dieser Tage erschienenen Memoiren aufgedeckt hat.

Entsprechend kompliziert gestaltete sich die deutsche Außenpolitik der 90er Jahre. Wo früher zwei deutsche Staaten sozusagen stillschweigend arbeitsteilig vorgehen konnten, mußte man nun ständig mit irgendeinem Land Streit anfangen, um eines anderen Landes Freund sein zu können. Denn untereinander konnten und können sich unsere Nachbarn schließlich auch nicht riechen.

Nun endlich jedoch ist diese schwierige Episode dank der großen Koalition vorüber. Die Welt kann aufatmen, die "zwei Deutschlands" sind wieder da und teilen sich brüderlich die Macht in Berlin. Während der frischgebackende Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Schröderdeutschlands Achse nach Paris und Moskau wienert, knüpft die neue Kanzlerin die Taue ihres Merkeldeutschlands nach Washington, London und sogar Warschau. Künftig hat draußen in der Welt wieder jeder sein eigenes Deutschland, mit dem er gegen das andere Front machen kann.

Die Medien haben die neue Lage schon sehr treffend "Kalter Frieden" in Anlehnung an den "Kalten Krieg" getauft. Dann müßte Berlin schon bald wieder die gleiche Dichte an ausländischen Einflußagenten aufweisen wie zu Zeiten der Mauer. Sie werden überall herumlaufen und versuchen, "ihr" Deutschland zu lenken und gegen das der anderen Seite auszuspielen.

Manche Mächte können dabei auf lange erprobte Methoden zurückgreifen. Rußland etwa läßt wieder Orden auf seine Lieben regnen, wie es schon zur Sowjetzeit guter Brauch war. Im Auftrag des Kreml verteilt eine "Akademie für Probleme der Sicherheit, Verteidigung und Rechtsordnung" gleich sechs verschiedene Orden und sieben unterschiedliche Medaillen. Bereits im Juni hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck in der russischen Botschaft feierlich den Orden "Peter der Große" ans Revers bekommen, weil, so die Begründung, seine Veranstaltungen zum 60. Jahrestag des Endes des "Hitlerfaschismus" so hübsch gelungen seien. Als Ehrengast bei der Verleihung applaudierte auch der ehemalige Stellvertretende Minister für Staatssicherheit der DDR und Chef der Stasi-Auslandsspionage Markus Wolf. Der war eingeladen worden, weil er ebenfalls zu den Ordensträgern zählt, genauso wie Weißrußlands Staatschef Alexander Lukaschenko und Nord-Koreas großer Führer Kim Jong Il. Der neue SPD-Vorsitzende hat Eingang gefunden in einen Club wirklich interessanter Gesprächspartner. Der Koreaner konnte im Unterschied zu Wolf leider nicht persönlich zum Jubeltag seines neuen Freundes Platzeck nach Berlin kommen, weil er Angst vorm Fliegen hat, und Lukaschenko war verhindert, weil er derzeit mal wieder eine Wahl fälschen oder Oppositionelle einlochen oder sonst etwas erledigen mußte, was man als gewissenhafter Landesvater eben zu tun pflegt.

Kenner der Szene bezeichnen die ordenverteilende "Akademie" als Außenposten des russischen Geheimdienstes FSB, der früher KGB hieß. Mittels Ordensverleihungen und anderer Formen der "Kontaktaufnahme" versuche sie, ein Netz von Informanten zu knüpfen, die für Moskau Wissenswertes zu erzählen haben. Soso. Aber: Was weiß Platzeck schon? Daß er einmal SPD-Vorsitzender würde, ahnte er im Juni selbst noch nicht. Macht nichts, verlautet aus Moskau. Man freue sich trotzdem mit ihm über den politischen Aufstieg. Sind halt Profis, die Herren von der "Akademie". Im Geheimdienstgeschäft muß man Geduld haben.

Nun sind solche Einrichtungen natürlich keine ausschließlich russische Spezialität. Auch die USA pflegen ein ausgedehntes Netz von "Foundations" mit ausgesprochenem Faible für offenen Informationsaustausch. Alles sehr honorige und hochkarätig besetzte Vereine und nicht zu verwechseln mit solchen "Stiftungen", welche sich der Wäsche von Banknoten widmen, die zu sehr nach Waffenöl oder Kokablättern riechen.

Wenn Sozialdemokrat Platzeck derlei Zuneigung aus Moskau erfährt, dürfen sich führende Unionspolitiker gewiß bald auf reizvolle Einladungen zum Gedankenaustausch nach Übersee freuen. Orden und Preise gibts da bestimmt auch welche. Nur daß die im Stammland des Kapitalismus nicht selten sogar noch mit etwas Barem "dotiert" sind. Wer als deutscher Wähler genau wissen will, welcher seiner Politiker auf welcher Hochzeit tanzt, wird nach dem Studium von dessen Preise-, Ordens- und Einladungsregister schon ein bißchen schlauer sein.

Daß sich auf den bunten Blechplättchen aus Moskau nun Peter der Große und nicht mehr eine der Ikonen des Sozialismus findet, scheint einen der neuerdings Verschmähten kräftig zu wurmen: Beim Personal des ehemaligen KP-Führers Lenin in der Wolgastadt Samara geht der nackte Schauder um: "Rätselhafte Schritte" seien zu vernehmen, berichten sie käseweiß. Dann rieche es überdies nach Apfelkuchen, dem Leibgericht des Gründers der Sowjetunion.

Dafür gibt es nur zwei mögliche Erklärungen. Die erste (wahrscheinliche): Das Lenin-Museum am Ende der Welt leidet unter beträchtlichem Besucherschwund und hat eine pfiffige Werbeagentur gebeten, sich etwas einfallen zu lassen. Um Lenins verrottete Bettwäsche, seine ollen Pantoffeln oder ähnlichen Krempel zu sehen, reist man nicht über Tausende von Kilometern an. Aber für richtige Schritte? Und Apfelkuchen?

Die zweite, für jeden aufgeklärten Menschen indiskutable und daher weitaus reizvollere Erklärung wäre: Lenin ist tatsächlich wieder da und hat Kuchen mitgebracht. Das ist nett von ihm und wäre gar nicht zu erwarten gewesen von jemandem, der Millionen ermordet hat und zur Strafe nun schon seit 81 Jahren sauer eingelegt vom Volk begafft wird.

Das ist er wohl, der Zauber der Weihnachtszeit, der bewirkt, daß sogar ein Lenin gemütlich wird. Forscher und Kritiker beklagen indes, daß uns das Gespür für die Jahreszeiten verlorengehe, für den Rhythmus der Natur, in den unsere alten Feste gebettet seien und in dem sich früher viel stärker als heute unsere Stimmungen gespiegelt hätten. Mit der Möglichkeit, im Dunkeln Licht zu machen, alles zu beheizen und mitten im Winter "in die Sonne" zu fliegen, hätten wir den Kontakt zu dem natürlichen Auf und Ab verloren. Es sei denn, wir leben im münsterländischen Ochtrup. Dort wurde den Menschen die Wonne eines naturgemäßen Wintereinbruchs in seiner ganz ursprünglichen Weise zuteil. Abends kamen sie in Turnhallen zusammen, um sich zu erzählen, wie herrlich duster und kalt es zu Hause ist und wie sehr sie das in all den Jahren ihrer Entfremdung von der Natur vermißt haben. Ja, da freut man sich wieder an den einfachen Dingen wie an einer Tasse heißen Kaffee, am Frühling oder darüber, daß die verflixten Aggregate endlich anspringen.


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