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10.12.05 / Generationen-Konflikte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Dezember 2005

Generationen-Konflikte
Hans-Jürgen Mahlitz:

Zu den häufigsten Politiker-Zitaten zählen Sätze wie „Da bin ich mißverstanden / falsch zitiert / fehlinterpretiert worden!“ oder „So habe ich das nicht gemeint!“ Warum können unsere Volksvertreter eigentlich nicht gleich sagen, was sie meinen? Warum schaffen sie es nicht, sich so auszudrücken, daß man sie nicht mißverstehen oder fehlinterpretieren kann? (Wobei man ihnen zugestehen muß, daß man sich gegen bewußt falsches oder sinnwidrig aus dem Zusammenhang gerissenes Zitieren kaum wehren kann.)

Nehmen wir als aktuelles Beispiel den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger. Der CDU-Politiker hatte angeregt, man solle älteren Arbeitnehmern den Lohn kürzen, da sie ja nicht mehr so leistungsfähig seien. Mit „älter“ meinte er: so ab 40. Er selber ist übrigens 52, bezieht sein Ministerpräsidentengehalt aber derzeit noch in voller Höhe.

Viele Senioren und „Früh-Senioren“ (eben die ab 40) fühlten sich diskriminiert und meldeten Protest an. Prompt fühlte Oettinger sich bemüßigt, in Sabine Christiansens sonntäglicher Tele-Quasselschau Selbstinterpretation zu üben: Man müsse über altersgerechte Arbeitszeitgestaltung und gleitende Übergänge in den Ruhestand nachdenken – dies und nichts anderes habe er mit seinen flotten Sprüchen anregen wollen. Das hätte er ja auch gleich so sagen können.

Man könne, fuhr Oettinger mit seiner Selbsterklärung fort, das Renteneintrittsalter nur dann auf 67 anheben, wenn man für die Betroffenen Arbeitsbedingungen mit weniger Streß, geringeren Belastunge, mehr Urlaub und dann auch geringerem Lohn schaffe. Auf gar keinen Fall aber habe er den Eindruck erwecken wollen, Senioren seien generell weniger leistungsfähig. Genau diesen Eindruck aber hatte er zunächst erweckt.

So bleibt der Verdacht, daß mit viel Wortgeklingel nur die wahren Motive dieses Rente-mit-67-Plans vernebelt werden sollen: daß es den meisten Politikern nämlich nicht um eine langfristige Korrektur der demographischen Schieflage, sondern nur um die kurzfristige Sanierung der Rentenkassen geht.

Denn Arbeitsplätze für Ältere kann man nicht auf dem Verordnungswege schaffen. Also würden wir weniger Bezieher abschlagsfreier Renten haben (nämlich die wenigen, die das Glück hätten, tatsächlich bis 67 arbeiten zu können), dafür aber mehr „Frührentner“ mit gekürztem Altersruhegeld und mehr ältere Langzeitarbeitslose. Wer – außer den Rentenversicherungsträgern – hat eigentlich davon einen Vorteil?

Nein, die Reform muß in den Köpfen und Herzen beginnen: weg von Jugendwahn und Altendiskriminierung, hin zu gegenseitigem Respekt vor den spezifischen Stärken einer jeden Generation. Für uns Ältere – mit 63 zähle ich mich gern und nicht frei von Stolz dazu – heißt das: alles tun, um die Jüngeren nicht durch ungebührliche Belastungen jeglicher positiven Lebensperspektive zu berauben.

Aber wir haben es auch nicht nötig, uns bei gewissen JU-, Juso- oder Juli-Funktionären, die in ihrem bisherigen Leben alles außer dem eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten pflegten, quasi dafür zu entschuldigen, daß es uns überhaupt gibt. Und wir sollten es uns nicht gefallen lassen, von Politikern als fiskalische Manö-vriermasse zwecks Haushaltssanierung mißbraucht und dafür mit netten Sonntagsreden „belohnt“ zu werden. Noch sind wir – aufgemerkt, Herr Oettinger – leistungsfähig genug, uns dagegen zu wehren.


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