29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
10.12.05 / Es zählt die "demokratische Optik" / Ägyptens Wahlen bringen die "Demokratie westlicher Prägung" in der islamischen Welt noch mehr in Verruf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Dezember 2005

Es zählt die "demokratische Optik"
Ägyptens Wahlen bringen die "Demokratie westlicher Prägung" in der islamischen Welt noch mehr in Verruf
von R. G. Kerschhofer

Auch wenn wegen noch ausstehender Stichwahlen noch kein Endergebnis vorliegt, steht jetzt schon fest, daß die Nationaldemokratische Partei von Präsident Hosni Mubarak bei den in drei Etappen durchgeführten ägyptischen Parlamentswahlen wieder „einen großen Wahlsieg errungen“ hat. Ebenso hatte Mubarak bereits im September die Präsidentschaftswahlen „mit überwältigender Mehrheit“ gewonnen. Bleibt also alles wie gehabt? Nicht unbedingt.

Mubarak, der seit der Ermordung seines Vorgängers Anwar Al-Sadat im Jahre 1981 an der Macht ist, hatte bei den Präsidentschaftswahlen auf Druck der USA erstmals Gegenkandidaten zulassen müssen. „Zulassen“ ist das richtige Wort, denn es konnte nicht jeder antreten, der wollte, und keiner hatte auch nur annähernd solche Möglichkeiten wie der Präsident. Es ging einfach um die „demokratische“ Optik – und genau darin zeigt sich die Zwiespältigkeit der US-Politik: Man subventioniert ein Satelliten-Regime, schwächt es aber mit Forderungen nach „democracy“ – und bringt zugleich die „Demokratie westlicher Prägung“ noch mehr in Verruf, als sie es in der islamischen Welt ohnehin ist.

Ob nun Mubarak 88 Prozent erhielt oder etwas weniger, ist belanglos – so oder so hätte kein Kandidat mehr Stimmen bekommen als er. Andererseits unterstreicht die Wahlbeteiligung von 23 Prozent, daß die Ägypter primär mit ihren Alltagsproblemen beschäftigt sind. Bei den Parlamentswahlen wird die Beteiligung deutlich höher liegen, aber auch hier hatten die anderen Parteien nur begrenzte Möglichkeiten – die ortsüblichen „Unregelmäßigkeiten“ sind da fast bedeutungslos.

Dennoch gibt es für Mubarak eine bittere Pille: Die „Muslim-Brüder“, die nicht als Partei antreten, wohl aber „unabhängige“ Kandidaten nominieren durften, werden auf fast ein Viertel der 444 zu vergebenden Parlamentssitze kommen. Die 1928 gegründete Bruderschaft, die im Laufe ihrer Geschichte mehrmals verboten und blutig unterdrückt worden war, wurde Vorbild für fundamentalistische Gruppierungen in rund 70 Ländern. Sie ist zwar nicht so „gewaltlos“, wie es deren heutige Führung zu demonstrieren sucht, kann aber auch nicht mit anderen fundamentalistischen Gruppen in einen Topf geworfen werden – etwa mit der Hamas in Palästina oder der schiitischen Hisbollah im Libanon.

Der Zulauf zu solchen Organisationen hat allerdings stets die gleichen Ursachen: Nationale Demütigung durch fremde Mächte und wirtschaftliche Ausbeutung durch deren korrupte einheimische Helfershelfer. Man flüchtet in die Religion und findet dabei auch „weltliche“ Unterstützung. Denn dem islamischen Almosengebot entsprechend haben diese Organisationen eine starke soziale Komponente und sind so ungleich glaubhafter als die Machthaber.

Ägypten ist einer der größten Empfänger von US-Hilfsgeldern – was vor allem den Trägern des Regimes zugute kommt und die Kluft zwischen Arm und Reich weiter vergrößert. Das Land braucht amerikanisches Getreide – so wie die hochsubventionierten US-Farmer den „Absatzmarkt“ Ägypten brauchen. Zugleich hat das Land eine offizielle Arbeitslosenrate von 11 und eine inoffizielle von 20 Prozent. Mubaraks Wahlversprechen zur Schaffung ausreichend vieler neuer Arbeitsplätze ist angesichts eines Bevölkerungswachstums von 2,2 Prozent illusorisch. Die weitere Privatisierung von Staatsbetrieben wird die „Freisetzung“ von Arbeitskräften beschleunigen. Und die Reduzierung von Zöllen sowie die Senkung der Vermögenssteuer auf drei Prozent wird zwar von der Welthandelsorganisation (WTO) gelobt, doch genau dieses Lob beweist, von wo aus Ägypten gesteuert wird.

Die Einrichtung von Sonderwirtschaftszonen, die wie in Jordanien abgabenfrei produzieren und zollfrei in die USA exportieren dürfen, hat ebenfalls einen Haken: Mindestens 11,7 Prozent des Warenwertes müssen aus Israel kommen! Das heißt, daß Israel jederzeit durch Verweigerung der Zulieferung die Investitionen wertlos machen und die Arbeitsplätze vernichten könnte. Hauptmotiv der USA ist eben – neben der Nutzung des Suez-Kanals für Öl- und Truppentransporte – der „Flankenschutz“ für Israel. Daß jetzt die Ägypter gemeinsam mit EU-Personal (und von den Israelis videoüberwacht!) auch noch Nachtwächterfunktionen an der Grenze zu Gaza übernehmen müssen, wird die Beliebtheit des Regimes, der USA und Israels erst recht nicht erhöhen. Aber der 77jährige Mubarak, der wundersamerweise noch immer dichtes schwarzes Haar hat, baut seinen Sohn Gamal zum Nachfolger auf – und die Fundamentalisten müssen keinen Mitgliederschwund befürchten.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren