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10.12.05 / Rotkreuzler auf Informationsfahrt / Trotz aller Hilfe entdeckte der DRK-Kreisverband Schleswig-Flensburg noch viel Handlungsbedarf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. Dezember 2005

Rotkreuzler auf Informationsfahrt
Trotz aller Hilfe entdeckte der DRK-Kreisverband Schleswig-Flensburg noch viel Handlungsbedarf

Es ist wichtig und notwendig, daß wir die Menschen im Königsberger Gebiet weiterhin unterstützen, finanziell, ideell und mit Sachmitteln. Zu diesem einhelligen Resümee kamen die 45 Teilnehmer, aktive Rotkreuzler aus dem Kreis Schleswig-Flensburg am Ende einer Studienfahrt nach Königsberg.

Der DRK-Kreisverband Schleswig-Flensburg e. V. unterhält seit 1991 einen intensiven Kontakt zum Russischen Roten Kreuz. Mehr als 50 Hilfsgütertransporte wurden in dieser Zeit durchgeführt mit Lebensmitteln, mit Krankenhausbetten, mit Einrichtungsgegenständen für Pflegeheime, Kinderheime sowie Sozialstationen.

Rund 200000 Euro Bargeld wurden in Königsberg und in der Region eingesetzt, um alten Menschen zu helfen und Kindern die notwendigste Nahrung zu geben. Ein Vorzeigeobjekt und ein bedeutender Ausdruck der Hilfe ist das Pflegeheim „Haus der barmherzigen Schwestern“ im ehemaligen Villenvorort Juditten, innerhalb der Stadtgrenzen Königsbergs. Dieses Haus, eine alte Villa, gebaut 1938, wurde 1994 bis 1996 grundsaniert und umgebaut. Die finanziellen Mittel stellte der DRK-Kreisverband aus Spenden zur Verfügung. Das Inventar wurde mit mehreren Transporten dorthin transportiert. Die Einrichtung gehört nach wie vor zu den besten in der Russischen Föderation. Sie wird von der Stadt Königsberg getragen. Bauunterhaltung und Renovierungen werden wie bei allen Bauten in der Föderation nach einigen Jahren dringend erforderlich. Sie trägt der DRK-Kreisverband. 30 pflegebedürftige alte Menschen werden dort stationär versorgt. Problematisch sind die Einkommensverhältnisse im sozialen Bereich. Eine Krankenschwester verdient in der Regel um umgerechnet 50 Euro monatlich. Eine Abwanderung in berufsfremde Arbeiten, vor allen Dingen in die freie Wirtschaft, nimmt zu, so daß in der Zwischenzeit auch im Königsberger Gebiet Personalmangel im Pflegebereich besteht. Einige Schwestern haben in der Vergangenheit in Einrichtungen des DRK-Kreisverbandes hospitiert, so daß ein Stück Altenpflege vorgehalten wird, die es so bisher in der Russischen Föderation nicht gab. Das „Haus der barmherzigen Schwestern“ ist Ausdruck und Symbol der guten Zusammenarbeit zwischen dem Russischen Roten Kreuz, der Stadtverwaltung und dem DRK-Kreisverband Schleswig-Flensburg e. V.

„So ist es auch nicht verwunderlich“, so Kreisverbandsgeschäftsführer Siegfried Hoefer „daß wir von unserem Haus sprechen, das gleiche tun die Kollegen in Königsberg / Kaliningrad und die Vertreter der Stadtverwaltung.“

Seit 2002 gibt es in der Exklave sieben Sozialstationen, in der Trägerschaft des Russischen Roten Kreuzes, in den Orten Königsberg, Insterburg, Ragnit, Gumbinnen, Ebenrode und Angerapp. Rund 20 Krankenschwestern arbeiten in diesen Sozialstationen. Zurzeit werden zwischen 60 und 80 alte Menschen betreut. Da es keine staatlichen Zuwendungen und Hilfsleistungen gibt, sind die hilfsbedürftigen alten Menschen auf die Hilfeleistungen von Organisationen angewiesen, deren Arbeit in der Regel von ausländischen Hilfsorganisationen unterstützt wird.

Der DRK-Kreisverband hat in den vergangenen Jahren alle Personalkosten für die Krankenschwestern übernommen. Seit dem Februar beteiligt sich die Arbeitsverwaltung in Königsberg an den Personalkosten. Allerdings, und dies ist das große Problem, handelt es sich um einen befristeten Zuschuß, der am Ende dieses Jahres ausläuft.

Die Überlebenschancen für alte, schwache und hilfsbedürftige Menschen sind sehr gering, soziale und medizinische Hilfe ist dringend erforderlich.

Zu den Sozialstationen gehören auch Kleiderkammern, die regelmäßig vom DRK-Kreisverband durch Hilfsgütertransporte gefüllt werden.

Im Auftrage der Walter-Breitenstein-Stiftung Kiel, deren Geschäftsführung beim DRK-Landesverband liegt, betreut Geschäftsführer Siegfried Hoefer, das Kinderheim Villa Brandes in Insterburg.

Kinderheime gehören in Ausstattung und Förderung ebenso wie Altenheime zu den Außenseitern der russischen Gesellschaft. Das Haus in Insterburg hat Platz für 45 Kinder zwischen zwei und sieben Jahren. In der Regel sind es Sozialwaisen, deren Eltern oft dem Alkohol verfallen oder kriminell sind und somit den Familien entzogen wurden.

1994 hat die Walter-Breitenstein-Stiftung das Haus, es ist das ehemalige Bürgermeister-Wohnhaus, grundsaniert. Aber auch hier – wie bei vielen anderen Bauten – nagt der Zahn der Zeit an Farbe und Bauzustand des Hauses. So konnten in den letzten Jahren Bäder, Waschküche und einige Räume saniert werden. Alle Reiseteilnehmer zeigten sich sehr beeindruckt von der Art und Weise, wie die Einrichtung geführt wird und waren überrascht über die Fröhlichkeit, auch über die Anhänglichkeit der Kinder.

Der zweistündige Besuch im Kinderheim hat einen tiefen Eindruck bei allen hinterlassen. Auch hier wurde deutlich, daß permanente Hilfe notwendig ist, solange der russische Staat nicht fähig oder willens ist, seinen Aufgaben ausreichend nachzukommen.

Anläßlich des Empfangs des Russischen Roten Kreuzes durch die Präsidentin Valentina Kober für die Gäste aus dem Kreis Schleswig-Flensburg, wurde noch einmal sehr deutlich, daß Hilfsmaßnahmen dringend erforderlich sind, weil die sozialen Bereiche nicht ausreichend oder gar nicht gefördert werden.

Wie groß die Armut in der Bevölkerung ist, besonders auf dem Land, zeigten die Bilder, mit denen die Reisegruppe aus dem Kreis Schleswig-Flensburg permanent konfrontiert wurde. Verfallene Häuser, brachliegende Felder, schlecht bestellte Äcker, viele ärmliche alte Menschen und Kinder haben den Eindruck noch deutlicher vermittelt, daß es noch viel zu tun gibt. Auch das schöne Wetter konnte nicht verdecken, was aus der ehemaligen Kornkammer Deutschlands in den letzten 60 Jahren geworden ist. Darüber täuschen auch die wenigen Lichtblicke, das Reiterzentrum in Georgenburg bei Insterburg oder das Seebad Rauschen nicht hinweg. S. H.

Pflegeheim Brünneckallee (Dubininastraße) 24 in Königsberg


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