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24.12.05 / Rückkehr der Verantwortung / Experten sehen die Familien, Religiosität und Sinnsuche im Aufwind

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Rückkehr der Verantwortung
Experten sehen die Familien, Religiosität und Sinnsuche im Aufwind
von Jürgen Liminski

Eigentlich liegt es auf der Hand, aber ein Professor muß es sagen. Nun denn, Professor Horst Opaschowski vom Hamburger BAT Freizeit-Forschungsinstitut sieht in den nächsten 20 Jahren eine Rückkehr der Verantwortung, der Sinnsuche und der Religiosität. Der Wunsch wachse, anderen zu helfen. Die neue Verantwortungsgesellschaft sei der "radikalste Wertewandel seit 30 Jahren". Dabei entdeckten die Menschen langsam die Familie wieder, die auch zum Wohlfahrtsverband werde. Angesichts steigender Kosten für Gesundheit und Rente bleibe die Familie barmherzig und billig.

Opaschowski geht aber noch weiter: Deutschlands führender Zukunftsforscher erkennt bereits jetzt wieder eine gesellschaftliche Aufwertung von Familie und Kindern als Grundbausteinen des Zusammenlebens. Die Mehrheit der Jungen merke, daß die Sorge um die Familie und die eigenen Kinder auf Dauer mehr persönliche Lebenserfüllung gewähre, als immer nur an sich selbst zu denken. Diese "Renaissance der Familie" sei Teil des großen Zukunftstrends "Sinnsuche". Seit dem 11. September 2001 verstärke sich die Suche der Menschen nach Sinn, Halt und Heimat. Der Zukunftsforscher erläuterte seine Thesen Anfang Dezember in Stuttgart öffentlich bei der Gesprächsreihe "Prominente hautnah" der DeuKap-Unternehmensgruppe.

Globalisierung, Kinderlosigkeit, Überalterung und neue Medien führten nicht länger zu einer egozentrischen Isolation des einzelnen, sondern zu einer Rückkehr des Religiösen, so Opaschowski weiter. Er untermauerte seine Thesen mit Daten aus der Meinungsforschung. Die zunehmende Sinnsuche zeige sich auch in einem Bereich, der per se nicht meßbar ist: "Die Religiosität kehrt als Lebensgefühl wieder in den Alltag zurück."

Logisch und wenig überraschend ist die Besinnung auf transzendente Werte. Eine älter werdende Gesellschaft verhält sich wie älter werdende Menschen: Man denkt öfter an den Tod und darüber hinaus. Überraschend allerdings ist die These von der Rückkehr des Religiösen in den Alltag. Das bedarf noch mancher Belege, wenn man auf die Politik und ihre führenden Gestalten blickt. Es reicht nicht, daß fast alle Minister bei der Ablegung des Amtseids sich auf Gott beriefen. Zuviel Werte-Porzellan ist in den letzten Jahren zerschmettert worden, angefangen bei der Hofierung der Schwulen-Lobby und der Abwertung von Ehe und Familie bis hin zu der Forderung selbst aus Unionskreisen nach Forschungsklonen und aktiver Sterbehilfe. Hier wird sich zeigen, wie stark die religiöse Bindung in den Alltag hineinreicht, oder ob auch hier das materialistisch-ökonomische Denken den Vorrang vor jeder ethischen Überlegung eingeräumt bekommt.

Auch im Alltag der einfachen Leute mangelt es noch an Belegen für die Rückkehr des Religiösen. Für solch eine Rückkehr wäre das Lesen der Bibel sicher ein Maßstab. Allensbach hat aber festgestellt, daß nur noch vier Prozent der Bundesbürger häufig, neun Prozent hin und wieder und gerade mal 25 Prozent wenigstens selten im Buch der Bücher lesen. Nur noch etwas mehr als die Hälfte der unter 30jährigen weiß, was das "letzte Abendmahl" ist, weniger als die Hälfte kann mit dem Turmbau zu Babel etwas anfangen.

Diese Zahlen entsprechen in etwa denen der Kirchenbesucher; viereinhalb Millionen Deutsche gehen mehr oder weniger regelmäßig zum Gottesdienst, an Weihnachten und Ostern natürlich erheblich mehr. Zwar ist die Zahl der Kirchenaustritte rückläufig und die Zahl der Wiedereintritte steigend, aber im Saldo verlieren die Kirchen immer noch jedes Jahr an die hunderttausend Mitglieder, die meisten übrigens wegen der Kirchensteuer.

Dennoch war gerade das vergangene Jahr ein religiöser Höhepunkt, vor allem für Deutschland. Das Sterben von Johannes Paul II. und die Wahl von Benedikt XVI. gerieten de facto zu einer dreiwöchigen Katechese für die ganze Welt. Der Weltjugendtag im August war ebenfalls ein Weltereignis, zu dem 10000 Journalisten nach Köln gereist waren. Christen waren in den Talkshows nicht mehr so verpönt. Man könnte fast von einer Wiederkehr des Christlichen sprechen. Die Sehnsucht ist da, und die Industrie der Sehnsüchte - Film und Fernsehen, insbesondere Hollywood - hat den Trend entdeckt. Man kokettiert mit christlichen Zielgruppen. Es mehren sich die Filme mit christlichen Motiven, sei es "Narnia", sei es "Der Exorzismus der Emily Rose" oder die "Passion" und andere Streifen. Auch in der Musik erlebt das Christliche einen Aufschwung. Xavier Naidoo ist der beste Soulsänger Deutschlands - und der gläubigste.

Diesen Befund macht auch der eher dem Lager der SPD-Freundlichen, der Säkularisierten und Skeptiker zuzurechnende Göttinger Politologe Franz Walter in einem Beitrag für die der Aufklärung verpflichtete Zeitschrift "Universitas" aus. Unter dem Titel "Renaissance der Religion" warnt er allerdings auch: "Die Bundesgenossenschaft mit den Medien ist für die Kirchen nicht ungefährlich. Politiker haben es häufig leidvoll erfahren. Die Medien vermögen schnell zu popularisieren, aber ebenso rasch verschleißen sie dann, entwerten und entsorgen sie erbarmungslos die Stars von gestern." In der Tat, wer darauf setzt, verkennt die Mechanismen und Eigengesetze der Medien. Wer dagegen das Hoch oder wenigstens den Hauch des Religiösen dauerhaft in den Medien verankern will, der wird auf eigene Medienmittel nicht verzichten können (schon zur Bestätigung und Selbstvergewisserung der Gläubigen) und der wird auch darüber nachdenken müssen, wie christliche Ideen über Sterben, Tod und Lebensformen wirksamer als heute in den Kreislauf der Mediengesellschaft eingebracht werden können.

Diese Gesellschaft braucht dringend solche geistigen Bluttransfusionen. Die Renaissance des Religiösen macht es deutlich. Das räumen selbst kirchenferne Wissenschaftler ein, und auch der Papst erinnert unablässig an die Folgen, die gottlose Gesetze für die Gesellschaft haben. Anfang Dezember erinnerte Benedikt XVI. zum Beispiel in einer Ansprache an die Teilnehmer einer internationalen Konferenz über Leben und Familie an "das gegenwärtige Phänomen der Säkularisierung". Sie sei dafür verantwortlich, daß "Identität und Aufgabe der Institution Familie" in der Öffentlichkeit nicht mehr klar verstanden würden. In jüngster Vergangenheit seien sogar "unrechte Gesetze" verabschiedet worden, da man sich der grundlegenden Bedeutung der Ehe vielfach nicht mehr bewußt sei. Kinder, sagte der Papst, wie wenn er es zur kinderentwöhnten Welt der Europäer sagen wollte, "Kinder sind wirklich der größte Schatz und das wertvollste Gut der Familie. Deshalb muß man allen Menschen helfen, sich über das Übel bewußt zu werden, das dem Verbrechen der Abtreibung innewohnt. Indem sie das menschliche Leben in seinen Anfängen zerstört, ist Abtreibung zugleich ein Angriff gegen die ganze Gesellschaft."

Die Kirche erinnere Politiker und Gesetzgeber als die Diener des Gemeinwohls an ihre Aufgabe, "das fundamentale Recht auf Leben zu verteidigen, das eine Frucht der Liebe Gottes ist", fügte der Heilige Vater hinzu. Wenn diese Aufgabe in Vergessenheit gerate, dann werde "die Zerstörung des Embryos oder seine

willkürliche Verwendung im Interesse des Fortschritts der Wissenschaften" voranschreiten. Ohne entsprechende ethische Richtlinien entstehe dadurch eine "Bedrohung für den Menschen selbst, der dann zu einem bloßen Objekt oder Instrument verkommt". Sollte es tatsächlich soweit kommen, "wird die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert werden".


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