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24.12.05 / Skandalöse Kampagne gegen Kinderprojekt / Politiker

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Skandalöse Kampagne gegen Kinderprojekt
Politiker von PDS und FDP profilieren sich auf Kosten eines sozial engagierten Pfarrers: "Durch die Mägen missioniert"
von Peter Ströming

Berlin-Hellersdorf liegt weit im Osten der Stadt. Zahllose Plattenbauten waren hier zu DDR-Zeiten aus dem Boden gestampft worden. Die Wohnungen waren verhältnismäßig komfortabel und begehrt. Arbeiter, Lehrer, Ärzte und Angestellte im Staatsapparat lebten hier Tür an Tür. Inzwischen sind viele der Höherqualifizierten weggezogen. Zwar haben das Land Berlin und die zuständige Wohnungsbaugesellschaft versucht, durch Modernisierungen, Umbauten, billige Mieten und andere Anreize die soziale Entmischung und den damit verbundenen Abstieg des Bezirks aufzuhalten, doch namhafte Stadtsoziologen glauben nicht mehr daran, daß das gelingen kann. Es bleiben die zurück, die sozial schwach sind. "Sozial schwach" heißt nicht einfach, kein Geld zu haben, sondern auch die Unfähigkeit, die Mittel, über die man verfügt, vernünftig zu verwenden. Im Zweifelsfall ist das neue Computerspiel wichtiger als eine ausgewogene Ernährung. Am meisten leiden darunter die Kinder.

Für sie gibt es in Hellersdorf die "Arche", eine Einrichtung, halb Kindertreff, halb Schulspeisung, die in einer leerstehenden Schule untergebracht ist. 400 Jungen und Mädchen kehren hier regelmäßig ein. Chef und Organisator ist Pfarrer Bernd Siggelkow, ein gebürtiger Hamburger. Der Bezirk steuert einen Zuschuß von 36000 Euro bei, davon wird die Pfarrstelle finanziert. Im übrigen wird die "Arche" durch Spenden getragen.

In der Bezirksverordnetenversammlung hatte nun eine bemerkenswerte Koalition aus PDS und FDP beschlossen, den Zuschuß um die Hälfte zu kürzen. PDS-Vertreter Martin Uther, ein 30jähriger Erzieher, warf "Arche" vor, die Kinder "durch den Magen zu missionieren", weil, wie in einer kirchlichen Einrichtung üblich, zu Beginn der Malzeit ein Tischgebet gesprochen wird. Die Teilnahme ist aber freiwillig. Außerdem warf der PDS-Mann dem sechsfachen Vater Bernd Siggelkow vor, nicht genug körperliche Distanz zu den Kindern zu halten. Damit lag der Vorwurf des sexuellen Mißbrauchs in der Luft, der geeignet ist, den Spendenfluß umgehend zum Versiegen zu bringen. Siggelkow hat umgehend eine Unterlassungs- und Verleumdungsklage gegen den PDS-Politiker eingereicht.

Für die FDP waren, offiziell zumindest, finanzpolitische Argumente maßgeblich. Ihr Fraktionsvorsitzender Sebastian Czaja verstieg sich gar zu der Behauptung, "Arches" Werben um Spendengelder schädige den Ruf von Hellersdorf. Er sprach vom "Rufmord am Bezirk". Beobachter vermuten indes, daß es dem 21jährigen Nachwuchspolitiker in Wahrheit bloß um Effekthascherei zur Hebung seines Bekanntheitsgrades und die Beförderung seiner Karriere geht. Zu diesem Zweck hatte Czaja zuvor schon alles Mögliche unternommen: Zuerst produzierte er Schlagzeilen durch die Liaison mit einer "Miss Ostdeutschland", die sich als Nacktmodell versuchte.

Die Überschriften in einer Boulevardzeitung waren von der Sorte: "Darf sich eine Politikerfreundin nackt zeigen?" Da die Zeitung die Monitore in den U-Bahnen angemietet hat, waren auch Unbeteiligte ihrer Berichterstattung ausgeliefert. Schließlich hieß es: "Politiker verstößt sein Nacktmodell". Zu dieser Zeit war Czaja noch CDU-Mitglied. Da sein Affärchen ihm dort keinen Karriereschub bescherte, inszenierte er einen öffentlichen Zwist mit seinem neun Jahre älteren Bruder Mario, der für die CDU im Landesparlament, dem Abgeordnetenhaus sitzt. "Nach sehr langer, reiflicher Überlegung" trat Sebastian zur FDP über, die dadurch in der Bezirksversammlung Hellersdorf Fraktionsstatus erlangte. In seiner Erklärung bescheinigte er sich selber "Rückgrat, sowie Treue zu den eigenen Überzeugungen" und schloß mit dem Lutherwort: "Hier stehe ich. Ich kann nicht anders."

Bezirksbürgermeister Uwe Klett von der PDS hat unterdessen kalte Füße bekommen angesichts der schrillen Kampagne seines Genossen Uther. Klett gilt als Pragmatiker. Er weiß, daß die selbstlose Arbeit von "Arche" unbezahlbar ist. Wenn das Projekt Schaden nimmt, könnte dafür mit einem Anstieg der Kinder- und Jugendkriminalität zu zahlen sein. So nannte Uwe Klett Uthers Äußerungen nun "unerträglich" und entschuldigte sich umgehend "bei Pastor Siggelkow für die beschämenden Äußerungen". Die Hellersdorfer PDS-Fraktion hat ihren peinlichen Finanzbeschluß daraufhin korrigiert.

Nicht so die FDP-Bezirksfraktion, obwohl Berlins FDP-Landesvorsitzender Martin Lindner, der manchen als um Seriosität bemühter, ja einzig ernstzunehmender Oppositionspolitiker im Landesparlament gilt, sich um Schadensbegrenzung bemüht. Er besuchte die "Arche" sofort, lobte den Kampf gegen Kinderarmut und bot seine Kochkünste an. Es sei nicht das Ziel der FDP gewesen, "die PDS bei ihrem Kampf gegen ein kirchliches Projekt zu unterstützen". Aber auch er konnte den Bezirkspolitiker Czaja nicht zu einer Änderung seiner Haltung bewegen. Lindner nahm es mit Humor: "Herr Czaja ist gerade erst dem Kindesalter entschlüpft, das hat wohl zu seiner Entscheidung beigetragen." Doch leider, solche Leute schicken sich an, die Deutschen zu regieren. Erst im Bezirk, dann in der Stadt und schließlich im Land.


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