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24.12.05 / Zurück zu Gott

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Gedanken zur Zeit:
Zurück zu Gott
von Ulrich Schacht

Kürzlich war in der schwedischen Presse zu lesen, daß die Zahl der Kirchenaustritte auffällig rückläufig sei: 10000 Menschen weniger als im Vorjahr hätten sich aus der lutherischen Kirche verabschiedet. Für ein Land mit rund acht Millionen Einwohnern ist das keine geringe Zahl. Optimisten sprechen deshalb von einer Trendwende.

Es könnte sich in der Tat um mehr handeln als lediglich um eine statistische Petitesse aus dem europäischen Norden, denn auch südlich der Ostsee tut sich seit geraumer Zeit einiges, das in der Summe als Rückkehr des Menschen zu Gott und Glauben gedeutet werden könnte.

Spätestens jedoch seit dem weltöffentlichen Tod von Papst Johannes Paul II., der ebenso global wahrgenommenen Inthronisation seines Nachfolgers Benedikt XVI. sowie dem katholischen Weltjugendtreffen in Köln, das den neuen Papst wie eine Lichtgestalt feierte, dämmert es auch den verstocktesten Atheisten wie zynischsten Materialisten, daß der Mensch auf Dauer vielleicht doch nicht von Brot allein leben kann und mag. Und daß er deshalb andere Antworten auf die Sinnfrage seines Lebens verlangt, als geschichtsignorante Sozialismusgläubige, neoliberale Kapitalismusanbeter oder schandhubernde Zivilreligionspriester anzubieten haben.

Vor solchem Hintergrund stellen so unterschiedliche Zeitschriften wie "Literaturen" (12/05), "Sezession" (11/2005) oder "Geo" (12/2005) aktuell die "Religion" in den Mittelpunkt ihres Nachdenkens, fragen "Wie gewaltig ist der Glaube?" oder konstatieren "Die Abkehr vom Egoismus", weil "Gemeinsinn und Nächstenliebe neu entdeckt" würden.

In der konservativen Kulturzeitschrift "Sezession" beschäftigt sich vor allem der Historiker Karlheinz Weißmann, der auch evangelische Theologe studiert hat, mit dem Phänomen.

Wie andere Beobachter konstatiert Weißmann eine auffällige "Veränderung der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion" durch den "Bedeutungsverlust der Säkularisierungsthese". Zugleich macht er jedoch darauf aufmerksam, "daß die Wiederbelebung des Glaubens" nicht unbedingt zur Befolgung jenes Rates führt, den schon Max Weber einst gab: nämlich "in die alte Kirche zurückzukehren". Vielmehr handele es sich, so Weißmann mit Hartmut Böhme, bislang eher um "flottierende Energien", "frei von verpflichtendem Gehalt", die man auch mit Besorgnis sehen müsse, weil dadurch die "soziale Funktion" des Religiösen verfehlt werde, das darin allerdings nicht aufgehe.

Sein Essay "Vom Nutzen der Religion" operiert dabei vor allem mit kulturanthropologischen Argumenten, die zuletzt doch nur eines beweisen: den Wandel auch der Religionen, die Veränderung des Elementaren.

In "Literaturen" diskutieren die Politologin Gesine Schwan, der Philosoph Rüdiger Safranski und der Essayist Gustav Seibt die Gretchenfrage Fausts: "Wie hast du's mit der Religion?" Glaubt Safranski, es handele sich bei dem aktuellen Phänomen vor allem um "Psycho-Religiosität als selbstgemachter Denk- und Fühlweise", so widerspricht Gesine Schwan solcher "Kuschelgott"-Theorie und registriert statt dessen ein verstärktes Interesse am harten dogmatischen Kern". Die Erklärung von Seibt dagegen nimmt zur Prämisse, "daß viele innerweltliche Versprechungen seit 1989 entwertet worden sind" und so "der Glaube an die Geschichte verlorengegangen" sei.

Am Ende bekennt sich Safranski als jenseitsungläubiger "Transzen-dentalist", Gustav Seibt gibt zu, ein glaubensloser Bewunderer des Religiösen zu sein, und einzig die zum Katholizismus konvertierte Protestantin Gesine Schwan bekennt sich zum Glauben als gelebtem "Wagnis" zwischen Mystik und Intellektualität, das sie jedoch nicht als Dilemma empfinde, sondern als eine Befreiung.

Bei "Geo" schließlich will ein umfangreicher Report über den "Aufstieg des Guten" zwar kein einziges theologisches Dogma beweisen, aber mit vielen kleinen Geschichten von praktizierter Nächstenliebe aus Deutschland illustriert er nichts anderes als jene neutestamentliche Geschichte vom barmherzigen Samariter, die ganz im Zentrum dessen steht, worauf christlicher Glaube seit je zielt.


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