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24.12.05 / Der etwas andere Rückblickauf 2005 / Kein gutes Jahr für Multikultiideale

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Der etwas andere Rückblickauf 2005
Kein gutes Jahr für Multikultiideale
von Sverre Gutschmidt

Vertrauen spielte im zu Ende gehenden Jahr politisch die zentrale Rolle - Bundeskanzler Gerhard Schröder gab erst vor, es verloren zu haben, gewann dann im September viel Wählervertrauen zurück und verlor es kürzlich ganz, als er seine Männerfreundschaft mit Putin nach Ende seiner Regierung auch finanziell vertiefte. Wie brüchig die Vertrauensverhältnisse auch in der CDU sind, offenbarten die "Andinos" - eine Gruppe miteinander seit Jahrzehnten befreundeter CDU-Landesfürsten. Bei diesen personellen wie inhaltlichen Schwenks der Politik hatten Konservative dieses Jahr harte Zeiten durchzustehen. Zwar wurde Angela Merkel Kanzlerin, doch die Machtverteilung im Parlament ist dank WASG-PDS noch linkslastiger geworden. Beinahe wäre mit Lothar Bisky ein Mann in ein repräsentatives Staatsamt gelangt, dessen einstige Nähe zur Staatssicherheit ein offenes Geheimnis ist. Die linke, rot-grüne Bundesregierung führte mit Hartz IV noch mehr Bürokratie ein und verschätzte sich sowohl mit den Kosten als auch der sozialen Sprengkraft. Derweil mußte der Vordenker, Peter Hartz, in Folge der VW-Korruptionsaffäre von seinem Posten bei Volkswagen zurücktreten. So wie diese Pleite sind galoppierende Staatsverschuldung und ständig sinkende staatliche Investitionen in Bildung, Gesundheit und viele andere Bereiche inzwischen zur bitteren Gewohnheit geworden. 2005 - ein Jahr, das Folgen haben wird. Handwerklich unsauber ausgeführte Gesetze - so das Antidiskriminierungsgesetz - blieben angesichts der Probleme von Arbeitslosigkeit und geringem Wachstum fast unbemerkt. Weitgehend unbeachtet im politisch-medialen Tagesgeschäft blieb auch das "Ende" des "Falles Hohmann", Synonym für den Stand konservativer Standpunkte in der Gesellschaft und den Parteien. Sein Rauswurf aus der CDU ist endgültig - so scheint es. Obwohl nach wie vor richterlich nichts Antisemitisches in den Äußerungen Hohmanns festgestellt werden kann, entschied im Herbst das Berliner Landgericht, daß der Parteiausschluß rechtens sei - wegen "parteischädigenden Verhaltens". Hohmann nahm's gelassen - er will sich seiner Familie widmen und ist "nur noch erleichtert".

Einen Beitrag ganz anderer Art zur geleiteten Kultur oder "Leitkultur", die dieses Jahr eine Renaissance feierte, war die Großkampagne "Du bist Deutschland". Angesichts wachsender Arbeitslosigkeit, höherer Steuern und tiefer struktureller Probleme wirkte das gekünstelt muntere "geh runter von der Bremse" der Kampagne befremdlich. Geleitet werden sollte der Bürger zu mehr Selbstvertrauen und sogar Patriotismus. Gezeigt wurden jedoch bevorzugt gesellschaftliche Randgruppen, anscheinend einer Multikulti-Phantasie entsprungen. Dabei konnte, wer wollte, in allen Medien das Ende dieses Gesellschaftsprojektes miterleben. Gedeutet wurden die Anschläge von London und die Unruhen in Frankreich freilich anders: von sozialen Mißständen und den Unterprivilegierten der Gesellschaft war die Rede. Davon, daß neue Schulen, öffentliche Bibliotheken und andere Fördereinrichtungen in der Banlieu zuerst abgefackelt wurden, sprach kaum jemand.

Es schwelte in Europa und an seinem Rand - so auch die Flüchtlingsproblematik in Nordafrika. Tausende wollten scheinbar plötzlich nach Europa. Der Ansturm auf die spanischen Enklaven Ceuta und Melilla führte die lange ausgeblendete Wirklichkeit vor. Die heftig kritisierten Vorschläge, kontrollierte Lager in Nordafrika einzurichten, wurden zwangsweise umgesetzt. Die Medien bemäntelten die wirtschaftlichen Motive der Flüchtenden, zeigten Interviews mit Betroffenen, die "es auf jeden Fall wieder versuchen" würden. Als Marokko, genötigt von den Europäern, das Gegenteil bewies, schritt die EU ein. Effektives Abhalten vom Eindringen in Europa ja - aber "human", ohne Zwang und Rücktransport. Eine gewisse Doppelzüngigkeit europäischer Politik zeigte sich auch im Verhältnis zur Türkei - die müsse nun endlich ihre Beitrittsverhandlungen bekommen, weil man es ihr seit den 60er Jahren immer wieder versprochen habe, so Erweiterungskommissare und rot-grüne Bundesregierung unisono. Das dieses Versprechen damals nur gegeben wurde, weil niemand je mit einem Beitritt des heute rasch wachsenden Volkes rechnete, blieb verborgen. Die Türkei hingegen bewies 2005 gegenüber Christen, Schweizer Fußballern und ihren politischen wie ethnischen Minderheiten wenig vom Geist einer rechtsstaatlich-freiheitlichen europäischen Demokratie. 2005 war somit ein Jahr wichtiger Weichenstellungen - im Fall eines Türkeibeitritts zur EU steht die Weiche auf millionenfachen Zustrom vom Bosporus. Anschläge dort und Terrorangst in Deutschland führten zu neuen verschärften Gesetzen. Hierzulande einschließlich Beschneidung von Datenschutzbestimmungen und natürlich dem neuen biometrischen Paß, der an viele Bürger gar nicht erst vergeben wird, weil ihre Köpfe nicht ins Normraster passen.

Auch im Irak erreichten 2005 die Terrorangst, das Bomben und Morden traurige Rekorde - im Gegensatz zu Warnungen für Europa fanden diese Ereignisse jedoch hier kaum noch öffentliche Beachtung, bis der spektakuläre Entführungsfall Osthoff durch die Aufmerksamkeit der Medien wieder ein deutsches Interesse an den Entwicklungen im Irak suggerierte. Nur: Die Mahnwachen in Deutschland blieben verhalten. Neben den großen Katastrophen - immerhin begann das Jahr mit der Bewältigung der Tsunami-Folgen und brachte später Zehntausenden in Kaschmir den Erdbeben-Tod - gab es auch viele persönliche Tragödien. Mit dem Tod von Peter Glotz verlor nicht nur das Projekt eines "Zentrums gegen Vertreibungen" einen wichtigen Befürworter. Der einstige Vordenker der SPD war der einzige, der in seiner Partei noch vernehmbar Empathie und Einsatz für die Interessen der Vertriebenen zeigte. Nun warten die Vertriebenen auf die Einlösung der Zusagen Angela Merkels.

Alles Negativschlagzeilen also? - Nein, das Projekt "Zentrum gegen Vertreibungen" ist auf einem guten Weg. Immerhin hat sich das politische Klima deutlich zugunsten einer historisch wahrheitsgetreuen Darstellung von Flucht und Vertreibung gewandelt.

Eine nicht nur bauliche Leistung, die gegen alle Widerstände sogar schon fertig ist - und das früher als geplant -, stellt das Projekt Dresdener Frauenkirche dar. Es fand ein weltweit positives Echo, machte nicht nur den Dresdenern Mut und zeigte, wie die Besinnung auf Tradition und Geschichte auch konkrete ökonomische Erfolge hervorbringt. Was in den Medien dabei nur am Rande zu sehen war: Das Phänomen Frauenkirche steht symbolhaft für den Erfolg des Bundeslandes Sachsen. Die positive Entwicklung dort zeigt sich an den Investitionen - nicht nur im Vergleich zu den anderen Neuen Ländern, sondern inzwischen auch im Vergleich mit westdeutschen Standorten. Eben weil Sachsen nach der Wende nicht nur die Bürokratie der Bundesrepublik umsetzte, sondern die Kerne selbständigen Bürger- und Unternehmertums förderte.

Im Sinne dieser Neubesinnung findet ein Umdenken auch anderswo statt. Private Initiative, Gemeinsinn und der Wunsch, die Zerstörungen der Vergangenheit zu überwinden, gaben auch anderen Projekten Anstoß. So dem Aufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Erste Baumaßnahmen haben bereits begonnen, 2008 ist Grundsteinlegung. Die Fassade wird mit Spendenmitteln wiederhergestellt, innen zieht das bei Fertigstellung wahrscheinlich fusionierte Berlin-Brandenburger Parlament ein. Überraschenderweise fanden sich Originalteile der Fassade des Baus wieder. Engagierte Sponsoren ermöglichten bereits den Wiederaufbau des Haupteingangs, des prachtvollen Fortuna-Portals. Der Verstärkungseffekt: Das Berliner Schloßprojekt erhält so weiter Zulauf, auch wenn das andere Potsdamer Bauvorhaben, die Garnisonkirche wegen Streits um die geplante geschichtliche Belehrung im Inneren der Kirche vorerst ein leeres Planspiel bleibt.

"Preußens kulturelle Zentren im Wiederaufbau", so könnte man das Jahr 2005 umschreiben - das mehr als nur renovierte Berliner Bodemuseum ist ein weiterer Meilenstein dazu. Die komplette Wiederherstellung der Berliner Museumsinsel geht voran. Spätestens bei Einbeziehung eines wiederaufgebauten Berliner Stadtschlosses in die kulturelle Gesamtkonzeption könnte ein deutscher Louvre entstehen.

Eine andere positive Entwick-lung - speziell für die Ostpreußen - ist das gewachsene historische und kulturelle Interesse an dem Land, hervorgerufen durch das 750. Gründungsjubiläum Königsbergs. Waren die offiziellen Feiern eine einseitig geschichtsklitternde, russische Veranstaltung, so ist der Nachhall der zahlreichen anderen Veranstaltungen ein anderer: Selten wurde Ostpreußen so oft in Reportagen vorgestellt, das neue spezifisch an deutschen historischen Wurzeln orientierte Lebensgefühl der heutigen jungen Bewohner im Königsberger Gebiet so unverkrampft und ideologiefrei dargestellt. So fällt kaum ins Gewicht, das Berichte zu den Feiern selbst sich auf Schröder und Putin als "Medienereignis" konzentrierten. Überhaupt war 2005 ein Jahr runder Jubiläen - neben Anlässen zum Feiern wie der Wahl Joseph Kardinal Ratzingers zum Papst bot sich auch genug nachdenklich Stimmendes. 60 Jahre nach Kriegsende gedachten die Völker Europas ihrer Kriegsopfer im Geist der Versöhnung, bildete das millionenfach durchlebte und durchlittene in der Erinnerung und den gemeinsamen Feiern eine identitätsstiftende Brücke in der schnellebigen Zeit der Globalisierung - über Grenzen hinweg. 2005 war, trotz vieler Halbherzigkeiten, so gesehen auch ein Jahr guter Anfänge.


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