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24.12.05 / Als habe er mir zugezwinkert / Gerade in unserer hektischen Zeit ist es wichtig, einen guten Freund an der Seite zu haben

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Als habe er mir zugezwinkert
Gerade in unserer hektischen Zeit ist es wichtig, einen guten Freund an der Seite zu haben
von Helga Licher

In der Weihnachtszeit dürfen sie in keinem Haus fehlen. Als Boten Gottes haben die Engel einst die Welt erobert, um ihre Botschaft zu verkünden. Nachdenklich stehe ich vor dem kleinen Tisch auf dem unsere Weihnachtskrippe ihren Platz gefunden hat. Liebevoll haben wir den verwitterten Holzschuppen mit Tannenzweigen dekoriert und den Schafen einen neuen Unterstand gebastelt. Über dem Dach schwebt mit weit ausgebreiteten Flügeln ein kleiner Engel, der die heilige Familie beschützt. Sanft streiche ich dem Engel über sein goldenes Haar. Mit seinen Löckchen und den runden Pausbäckchen sieht er genau so aus wie unsere Tochter, als sie im Babyalter war. Aus diesem Grund wurde er kurzerhand zum Schutzengel unserer Familie ernannt.

Gerne erinnere ich mich an meine Kinderzeit, als meine Mutter abends vor dem Schlafengehen mit mir gemeinsam ein kleines Gebet an den Schutzengel richtete.

Ich spüre noch heute das Gefühl der Sanftheit und Sicherheit, das mich umgab wenn ich nach dem Gebet müde die Augen schloß und langsam in das Reich der Träume hinüber glitt. Schade nur, daß die Schutzengel in unserer heutigen Zeit unmodern geworden sind, denke ich. Kann nicht jeder Mensch so ab und zu einen persönlichen Schutzengel gebrauchen, der ihn begleitet und beschützt? Gerade in unserer hektischen Zeit ist es doch so wichtig geworden, einen guten Freund an seiner Seite zu haben, auf den man sich verlassen kann.

Oft kann man seinen Schutzengel nicht auf den ersten Blick erkennen. Sie schlüpfen nur allzu gerne in verschiedene Kostüme und tarnen sich so geschickt, daß niemand auf die Idee kommt, es mit einem Boten Gottes zu tun zu haben. Ich glaube, genau das ist auch der Grund, warum so viele Menschen denken, sie hätten gar keinen Schutzengel, oder er wäre ihnen vielleicht aus irgendeinem Grund abhanden gekommen.

Ein Gedanke beschäftigt mich in letzter Zeit immer wieder. Ist es möglich, seinen Schutzengel zu verleihen?

Jeder kennt das Gefühl, einsam und verlassen der Welt schutzlos ausgeliefert zu sein. Vielleicht hat der Schutzengel gerade eine wohlverdiente Pause eingelegt, und es war eben kein Vertreter zur Stelle.

Wenn es mir zur Zeit gut geht, könnte ich vielleicht für eine kurze Zeit meinen Schutzengel an einen Menschen ausleihen, der ihn gerade dringend braucht. Natürlich nur mit der Garantie, ihn jederzeit zurückzubekommen. Denn auch ich brauche einen kleinen persönlichen Schutzengel, auf den ich mich stets verlassen kann.

Lächelnd rücke ich die Figuren der Heiligen Drei Könige an ihren Platz neben der Krippe. Das rechte Bein des alten Esels wackelt beachtlich und muß nötig repariert werden, überlege ich, während ich dem Hirten behutsam ein Staubkorn vom Hut wische.

Versonnen fällt mein Blick wieder auf den Weihnachtsengel. Du wirst schon gut auf uns aufpassen, denke ich und plötzlich ist mir, als habe er mir zugezwinkert.


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