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24.12.05 / Spannend wie ein Krimi / Kunsthistoriker der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten auf der Spur von verschollenen Gemälden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Spannend wie ein Krimi
Kunsthistoriker der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten auf der Spur von verschollenen Gemälden
von Silke Osman

Kommissar Zufall tritt unvermutet auf, hilft den Männern und Frauen auf die Sprünge, wenn auch manches Mal eine erfolgversprechende Spur wieder im Sande verläuft. Ein Krimi? - Keineswegs. Doch spannend kann die Arbeit mit alten Meistern allemal sein, davon wissen die Kunsthistoriker der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) ein Lied zu singen. Christoph Martin Vogtherr, Kustos für französische und italienische Malerei bei der SPSG, ist gerade Bildern auf der Spur, die einst Friedrich der Große für seine Sammlung erworben hat. "Friedrich kaufte nur die teuersten und besten Bilder", weiß Vogtherr, der ein Jahr lang in Paris Bibliotheken und Archive durchforsten wird, um ganz speziellen Fragen nachzugehen: Warum hat der Preußenkönig gerade diese Bilder auf dem Pariser Kunstmarkt gekauft? Wann und zu welchem Preis hat er sie erworben? Und wer hat ihn dabei eventuell beraten? Eine langwierige Arbeit, denn schließlich besitzt die SPSG mit rund 400 Bildern nach dem Louvre in Paris die bedeutendste Sammlung französischer Malerei des 18. Jahrhunderts.

Doch nicht nur Friedrich der Große hat Wesentliches zum Aufbau der Gemäldesammlung in Preußens Schlössern beigetragen, auch sein jüngerer Bruder Heinrich, oft unterschätzt und im Schatten des großen Bruders stehend, war durchaus daran beteiligt. Zu dieser Auffassung gelangten die Kunsthistoriker, als sie für das Jahr 2002 eine Ausstellung zum 200. Todestag des Prinzen vorbereiteten. Dabei zeigte sich deutlich, daß Heinrich "eine wichtige Gestalt der Epoche mit einem europäischen Netz von politischen, intellektuellen und künstlerischen Kontakten" war (Vogt-herr). Schon 1985 hatte die damalige Potsdamer Schlösserverwaltung im Rahmen einer Ausstellung zum ersten Mal auf Forschungen zur Sammlung des Prinzen verwiesen. Doch 20 Jahre mußten vergehen, bis man endlich greifbare Erfolge vorweisen konnte. Fünf Bilder aus der Sammlung des Prinzen wurden nun in Bordeaux aufgespürt. Und ein Ostpreuße war's, der die Forscher "indirekt" auf die heiße Spur führte. Ein Werk des in Königsberg geborenen Barockmalers Michael Willmann, das im Inventar des Schlosses Rheinsberg 1802 aufgeführt war, sollte sich im Musée des Beaux Arts in Bordeaux befinden. Dort konnte Gerd Bartoschek, Kustos für die deutschen und niederländischen Gemälde der SPSG, zwei Gemälde identifizieren, die seit 1779 im Berliner Palais des Prinzen Heinrich nachweisbar waren. Eines dieser Bilder wurde schließlich von den Franzosen für die Ausstellung in Rheinsberg ausgeliehen.

"Wie so häufig im Vorfeld großer Ausstellungen fehlte damals die Zeit für weitere Recherchen", bedauert Vogtherr. Doch bald gab sich dann doch Gelegenheit, genauere Nachforschungen in Frankreich anzustellen. "Die drei identifizierten Gemälde aus der Sammlung des Prinzen Heinrich waren alle durch einen Händler der französischen Armee nach Bordeaux gelangt, der sich wahrscheinlich zur Zeit der Versteigerung von Heinrichs Nachlaß in Berlin aufhielt. Dieser Charles-Henry Gauldrée de Boilleau, Marquis de Lacaze, hatte sie 1829 der Stadt Bordeaux als Teil seiner Sammlung verkauft, die er bereits 1821 dem neuen Museum der Stadt als Leihgabe überlassen hatte." Ingesamt sind es fünf Gemälde aus der Sammlung des Prinzen, die sich aus Platzmangel bis vor kurzem im Depot des französischen Museums befanden. Nun aber wurden sie als Dauerleihgabe der SPSG zur Verfügung gestellt, die im Gegenzug die Bilder restaurieren wird.

"Das Projekt", betont Vogtherr, "zeigt beispielhaft die Vorteile einer internationalen Kooperation. Beide Seiten erlangen wertvolles Wissen über die Geschichte ihrer Sammlungen; Kunstwerke aus dem Depot werden restauriert und öffentlich ausgestellt, und ein preußisches Schloß des 18. Jahrhunderts gewinnt originale Stücke aus der Sammlung seines früheren Bewohners zurück. Über diese Aspekte hinaus tragen solche Projekte aber auch wesentlich zum Zusammenwachsen Europas und zum Ausbau eines internationalen Netzwerks bei. Der Blick auf das 18. Jahrhundert ruft in Erinnerung, wie intensiv die Verbindungen zwischen den Regionen - zumindest für bestimmte Bevölkerungsschichten - schon einmal waren. An dieses Erbe können das Museum von Bordeaux und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg mit besonderer Freude anknüpfen und es in den Formen unserer Zeit weiterentwickeln."

Neben den fünf Leihgaben aus Bordeaux kann die Stiftung in Rheinsberg aber auch drei Neuerwerbungen präsentieren. Prinz Heinrich war 1802 hochverschuldet gestorben, seine Kunstsammlung wurde versteigert und in alle Himmelsrichtungen verteilt. Hin und wieder allerdings tauchen Stücke auf dem Kunstmarkt auf. So hat die Stiftung in Paris zwei Gemälde des Italieners Michele Rocca erwerben können, die seit 1769 im Berliner Palais des Prinzen Unter den Linden nachgewiesen waren und zu den seltenen Werken des norditalienischen Rokoko zählen ("Acis und Galathea", "Bacchus und Ariadne").

Nicht weniger bedeutend ist die dritte Neuerwerbung der SPSG für Schloß Rheinsberg, handelt es sich doch um ein Gemälde des Hofmalers Antoine Pesne, der unter drei preußischen Königen wirkte und wesentlich zur Entstehung des friderizianischen Rokoko beitrug. Seine "Gesellschaft im Freien"

(Landschaft mit wandelndem und lagerndem Paar) war der Pesne-Forschung bisher unbekannt und gilt heute als das einzige direkte Zeugnis für Pesnes Auseinandersetzung mit der Kunst Watteaus, hat er doch Figuren aus einem Meisterwerk seines französischen Kollegen direkt "zitiert" ("Liebe auf dem Lande", heute im Schloß Charlottenburg). Zu Zeiten Kaiser Wilhelms II. gehörte das Gemälde Pesnes zur Einrichtung seiner Wohnung im Oberen Fürstenquartier des Neuen Palais. Es stammte aus dem Nachlaß des Staatsministers im Departement für auswärtige Angelegenheiten Friedrich Wilhelm von Thulemeier, der 1784 mit Franklin, Jefferson und Adams einen "Commercientractat" aushandelte, mit dessen Abschluß Preußen die Vereinigten Staaten von Amerika diplomatisch anerkannte.

Die Hohenzollern hatten das Bild von Pesne Mitte der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts an einen Industriellen nach Boitzenburg / Elbe verkauft, dessen Familie es später in die Schweiz mitnahm. Nach langen Irrwegen ist es nun auf märkischen Boden zurückgekehrt und kann in Rheinsberg bewundert werden. Und da sage noch einer, Kunstgeschichte sei nicht spannend.

Schloß Rheinsberg: Ein Blick in die Bildergalerie zeigt neue Pracht.


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