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24.12.05 / Großvater kauft Geschenke / Zu Weihnachten herrscht Hochbetrieb in den Geschäften, doch Opa hat alles im Griff

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Großvater kauft Geschenke
Zu Weihnachten herrscht Hochbetrieb in den Geschäften, doch Opa hat alles im Griff
von Willi Wegner

Und paß gut auf dich auf", sagte seine Frau. "Geh schön vorsichtig. Es ist glatt draußen. Und kauf keinen Firlefanz!"

"Ich bin ja schon eine ganze Weile erwachsen", erwiderte der Großvater, nahm seinen Stock und verließ die Wohnung. Während er die Treppen hinabstieg, erhellten sich seine Züge. Er blieb stehen, zog seine Brieftasche, öffnete sie und sah hinein. Er lächelte. Was er jetzt vorhatte, das gefiel ihm. Er würde Weihnachtsgeschenke für Hans und Marion einkaufen. Hans und Marion waren ihre Enkelkinder. 17 und 15 Jahre alt. Eigentlich hatte Oma schon für die Geschenke gesorgt, aber Opa wollte auch noch etwas kaufen. Speziell von ihm - für die beiden. Sie sollten sich freuen. Er wußte noch nicht, was er kaufen würde. Aber es fällt mir schon noch etwas ein, sagte er sich.

Der Bus war wie immer überfüllt. Eingekeilt stand der Großvater mitten unter den anderen Fahrgästen, die ebenfalls keinen Sitzplatz mehr bekommen hatten. Plötzlich fiel sein Blick auf jenes junge Mädchen, das unmittelbar vor ihm saß und fast so aussah wie Marion. Gerade jetzt zog sie einen kleinen Taschenspiegel aus ihrem Handtäschchen, betrachtete sich eine Weile sehr wohlgefällig darin und steckte ihn wieder fort. Dann hob sie den Kopf, sah einen kurzen Augenblick in das Gesicht des vor ihr stehenden Mannes und schaute schließlich wieder nach unten auf ihre Knie.

Nach einigen Stationen erhob sich die kleine hübsche Dame, flatterte ein wenig mit den Wimpern und sagte: "Na los, Opa - der Platz ist angewärmt!" Sie warf den Kopf in den Nakken, dann quetschte sie sich durch die Mauer der stehenden Fahrgäste und stieg aus.

Auf den Straßen herrschte ziemlicher Verkehr. Manchmal war es fast unmöglich, die Fahrbahn zu überqueren. Außerdem war es glatt, wie Oma gesagt hatte.

Und dann stand der Großvater plötzlich an einer sehr belebten Straßenkreuzung und wußte nicht, ob er es wagen sollte, als jemand neben ihm sagt: "Na, Opa - Hemmungen?"

Großvater blickte den Fragenden an. War das Hans? Nein, natürlich nicht, aber dieser Junge sah fast so aus wie Hans, sein Enkelkind.

"Jaja", lachte der Junge, "das ist ein anderer Verkehr als 1920, was?!" Dann lief er leichtfüßig zwischen ein paar Autos über die Straße und ließ den alten Mann stehen. Der Großvater aber dachte: Es ist doch nicht möglich, daß sie alle so sind.

Nachdem Opa in mehrere Schaufenster hineingesehen hatte, betrat er ein Geschäft und kaufte zwei schöne dicke Fotoalben, ein blaues für Hans, ein rotes für Marion. Das war schon mal ein schöner Anfang! An der Kasse herrschte Hochbetrieb. Großvater, mit der Brieftasche in der Hand, rückte meterweise voran. Erst nach zehn Minuten war er endlich an der Reihe - aber seine Brieftasche war fort!

Sie war einfach weg. Eben hatte er sie noch in der Hand gehabt. Mit dem Geld darin! Ob man sie ihm in dem Gedränge gestohlen hatte? Vielleicht war es so schnell gegangen, daß er es gar nicht hätte bemerken können ...

Doch dann war da plötzlich ein Geschubse, und zwei Jugendliche standen vor dem Großvater - ein etwa siebzehnjähriger Junge und ein etwas jüngeres Mädchen. Sie sahen aus wie Hans und Marion. Der Junge hielt Großvaters Brieftasche in der Hand und sagte: "Hier, Opa - die haben sie eben verloren! Zufällig haben wir's gesehen!"

Da sagte der Großvater: "Danke, das ist sehr lieb von euch! Recht schönen Dank auch!" - und er dachte: Sie sind doch nicht alle so! Es ist wie bei den Erwachsenen. Es gibt Gute und nicht so Gute ...

Als Großvater nach Hause kam, fragte Oma: "Na, hast du auch gut auf dich aufgepaßt?"

"Da waren zwei", sagte der Großvater, "die sahen aus wie Hans und Marion - die haben auf mich aufgepaßt. Die waren schon in Ordnung. Ich sage dir, es ist ein Gedränge an den Kassen, du glaubst es nicht!"

"Ach, was redest du nur wieder für einen Unsinn!" sagte Oma.

Dieser Junge sah aus wie sein Enkelkind

Im Weihnachtsstreß: Beim Geschenkeinkauf darf nichts vergessen werden, natürlich erst recht nicht der Christbaum.


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