19.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.12.05 / Wie die Tanne Karriere machte / Vor 135 Jahren gelang dem Christbaum im Deutsch-Französischen Krieg der nationale Durchbruch

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Wie die Tanne Karriere machte
Vor 135 Jahren gelang dem Christbaum im Deutsch-Französischen Krieg der nationale Durchbruch
von Manuel Ruoff

Die immergrünen Pflanzen haben mit ihrer Stärke, sich ihr sommerliches Grün auch im unwirtlichen Winter zu bewahren, auch schon in vorchristlicher Zeit den Menschen fasziniert und für sich eingenommen. So bekränzten bereits die Römer zum Jahreswechsel ihre Häuser mit Lorbeerzweigen. Und im Mithraskult wurde der Sonnengott zur Wintersonnenwende mit einem geschmückten Baum geehrt. Auch in nördlichen Gefilden wurden im Winter schon früh Tannenzweige ins Haus gehängt, in der Hoffnung, damit bösen Geistern das Eindringen und Einnisten zu erschweren. Zudem ließ das Grün auf die Wiederkehr des Frühlings hoffen.

Im Mittelalter bestand vielerorts der Brauch, zu bestimmten öffentlichen Festlichkeiten ganze Bäume zu schmücken, wie zum Beispiel den Mai- oder Richtbaum. Zu Weihnachten wurden in der Kirche Paradiesspiele aufgeführt, zu denen ein Paradiesbaum, der durchaus auch ein Laubbaum sein konnte, mit Äpfeln behängt wurde. Der Apfel diente dabei als Zeichen der verbotenen Frucht und erinnerte an den Sündenfall und an die Befreiung des Menschen von der Erbsünde durch Jesus Christus. Noch bis ins 19. Jahrhundert schmückte man in Norddeutschland den Christbaum mit Adam, Eva und der Schlange als Holzfiguren oder Backwaren.

Seinen Ausgang nahm der Weihnachtsbaumbrauch jedoch von Deutschlands Südwesten. Die erste Erwähnung eines Christbaumes stammt aus dem Jahr 1419. Die Freiburger Bäckerschaft hatte einen Baum mit allerlei Naschwerk, Früchten und Nüssen behängt, den die Kinder nach Abschütteln an Neujahr plündern durften. Rund 120 Jahre später gibt es wieder eine urkundliche Erwähnung. Diesmal wurde im Straßburger Münster ein Weihnachtsbaum aufgestellt.

Die Zünfte und Vereine holten immergrüne Bäumchen in ihre Zunfthäuser. Zwischen 1597 und 1669 berichten die sogenannten Stubenmeisterrechnungen aus der unweit gelegenen oberelsässischen Reichsstadt Türkheim über Ausgaben für Äpfel, Oblaten, Buntpapier und Fäden zur Ausschmükkung eines Baumes für die Weihnachtsfeier im Saal.

Wie verbreitet der Tannenbaum zu dieser Zeit auch schon außerhalb des sakralen Raumes war, zeigt die Reisetagebuchaufzeichnung eines Unbekannten von 1604/05:

"Auf Weihnachten richtett man Dannebäum zu Strasburg in den Stuben auff, daran hencket man roßen auß vielfarbigem papier geschnitten, Aepfel, Oblaten, Zischgolt, Zucker etc."

Gegen Mitte des Jahrhunderts kritisiert der Prediger im Straßburger Münster Johann Konrad Dannenhauer:

"Unter anderen Lappalien, damit man die alte Weihnachtszeit oft mehr als mit Gottes Wort begehet, ist auch der Weihnachts- oder Tannenbaum, den man zu Hause aufrichtet, denselben mit Puppen und Zucker behängt, und ihn hernach abschüttelt und abblumen läßt. Wo die Gewohnheit herkommt, weiß ich nicht; ist ein Kinderspiel ..."

Die Kritik, daß ob der Konsumfreude und vermeintlich kindischer Weihnachtsbestandteile ohne direkten und offenkundigen Christentumsbezug (zum Beispiel Weihnachtsbaum oder Weihnachtsmann) die Frohe Botschaft zu kurz kommen könnte, ist also so alt, wie sie aktuell ist (s. "Widerstand gegen den Weihnachtsmann" auf der Weihnachtsseite dieser Ausgabe).

Diese Kritik kann den Siegeszug des Weihnachtsbaumes jedoch nicht aufhalten. Seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhundert ist zunehmend häufiger vom Weihnachtsbaum die Rede, schließlich auch durch die Literaten. Kein Geringerer als Johann Wolfgang von Goethe führt ihn 1774 in die deutsche Literatur ein. In "Die Leiden des jungen Werther" kommt die Titelfigur am Sonntag vor Weihnachten zu Lotte und spricht von den Zeiten, da einen die unerwartete Öffnung der Türe und die Erscheinung eines "aufgeputzten Baumes" mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln in paradiesisches Entzücken versetzte. Und sein Zeitgenosse Johann Heinrich Jung-Stilling schreibt in seinem 1793 veröffentlichten "Heimweh" von dem hell erleuchteten Lebensbaum mit vergoldeten Nüssen, zu dem das Kind am Morgen des Christtages geführt wird. Friedrich von Schiller hat in seinen Werken zwar keine Weihnachtsszene geschildert, "outet" sich aber in einem Brief an Lotte aus dem Revolutionsjahr 1789 als "Weihnachtsbaumfan", wenn er nicht nur sein Kommen für die Weihnachtszeit ankündigt, sondern auch die Hoffnung äußert: "Ihr werdet mir hoffentlich einen grünen Baum im Zimmer aufrichten." Im Jahre 1805 wurde der Weihnachtsbaum einem großen Leserkreis dadurch bekannt, daß ihn Friedrich Hebbel in seinen "Allemannischen Gedichten" in dem Lied "Die Mutter am Christabend" erwähnt. E.T.A. Hoffmanns Märchen "Nußknacker und Mausekönig" aus dem Jahre 1816 ist das erste Berliner Literaturdenkmal, in dem der lichterglänzende, mit goldenen Äpfeln und Bonbons geschmückte Tannenbaum in der Mitte der Weihnachtsbescherung erscheint.

Da Tannenbäume in Mitteleuropa ursprünglich selten waren, konnten sich diese zunächst nur die begüterten Schichten leisten und die Stadtbevölkerung mußte mit Zweigen und anfallendem Grün auskommen. Erst als ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts vermehrt Tannen- und Fichtenwälder angelegt wurden, konnte der städtische Bedarf gedeckt werden.

Bereits 1611 hatte mit Herzogin Dorothea Sybille von Schlesien eine Ostdeutsche den ersten Weihnachsbaum mit Kerzen geschmückt. Diese Kombination von immergrünem Baum und Licht setzte sich durch, als mit der Erfindung von Stearin 1818 und Parafin 1830 die Anschaffung von Kerzen für breite Bevölkerungsschichten erschwinglich wurde. Sie fand vor allem im protestantischen Teil Deutschland rasche Verbreitung. Anders als die katholische Kirche versuchten die Reformatoren gar nicht erst den als heidnisch kritisierten Brauch zu bekämpfen, sondern lobten ihn vielmehr als protestantische Alternative zur traditionellen katholischen Sitte der Weihnachtskrippe. So kann es auch nicht verwundern, daß im 19. Jahrhundert die Verbreitung der Christtanne mit dem Aufstieg der protestantischen der beiden deutschen Großmächte nach den Befreiungskriegen und der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongreß einherging. Der Durchbruch bis in die Unterschichten gelang der Weihnachtstanne in Deutschland während des Deutsch-Französischen Krieges, als auch Preußen mit der Vereinigung Deutschlands unter seiner Führung seinen vielleicht größten Sieg errang.

Die der oberen Bevölkerungsschicht angehörenden Kommandeure der von Preußen geführten deutschen Kriegskoalition sorgten in der Kriegsweihnacht 1870 dafür, daß Lazarette, Quartiere und Unterstände auch der Nicht-Preußen und auch der nicht der Oberschicht angehörenden einfachen Soldaten mit Weihnachtsbäumen geschmückt waren. Nach dem Sieg über die Franzosen nahmen die aus ganz Deutschland (mit Ausnahme Österreichs) stammenden Kriegsheimkehrer diesen in einer für sie prägenden Lebensphase als Symbol der (deutschen) Weihnacht kennengelernten Weihnachtsbaum in ihren Köpfen und Herzen mit in ihre Heimat, wo sie für seine Verbreitung sorgten und damit den an der Front erlebten Brauch im ganzen Land heimisch machten.

"Martin Luther mit seiner Familie am Christabend 1536 zu Wittenberg" von Carl A. Schwerdgeburth (1785-1878): Es war die protestantische der beiden deutschen Großmächte, die dem Weihnachtsbaum in Deutschland zu seinem Durchbruch verhalf.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren