19.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
24.12.05 / Berühmte Preußen berichten vom Weihnachtsfest / Martin Müller läßt Hans Graf von Lehndorff ebenso zu Worte kommen wie Bogumil Goltz und August Winnig

© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. Dezember 2005

Berühmte Preußen berichten vom Weihnachtsfest
Martin Müller läßt Hans Graf von Lehndorff ebenso zu Worte kommen wie Bogumil Goltz und August Winnig

Es waren eitel Schätze, so gar überschwenglich ging uns das Christwunder in die Seele!" Mit diesen Worten versuchte der 1801 geborene Bogumil Goltz, den Eindruck, den die familiäre Weihnachtsbescherung des Jahres 1806 auf sein kindliches Gemüt gemacht hatte, wiederzugeben. Als Sohn des preußischen Stadtgerichtspräsidenten von Warschau, der nach der sogenannten Dritten polnischen Teilung im Jahre 1795 von Marienwerder hierhin versetzt worden war, wuchs Bogumil Goltz in einer großbürgerlichen Familie auf, doch der Lebensstil war preußisch bescheiden: "Wir bekamen in unserer Kindheit, nach damaligem richtigen Brauch, eine ziemlich spärliche Weihnachtsbescherung. Ein illuminierter grüner Baum mit vergoldeten Äpfeln und Nüssen, ein paar Pfefferkuchen mit wenigen Stückchen Marzipan, Rosinen und Mandeln nicht zu vergessen ... Wer einen Tuschkasten, eine Trommel, wohl gar einen Noahkasten mit Tieren von der überschwenglichen Großmut des heiligen Christus erwischte, der bekam auch dafür keine anderen Spielsachen, wiewohl der Tannenbaum mit den brennenden Lichtern mit dem funkelnden Knistergold und kostbar geheimnisvoll schimmerndem Gold- und Silberschaum keinem fehlen durfte, der einmal des Glückes wert erachtet war, an dem heiligen Weihnachtsabende alle sieben Himmel der Natur- und Kunstwunder, den Märchenhelden gleich, zu durchkosten."

Im Preußen des 19. Jahrhunderts gab es wie in anderen deutschen Staaten dieser Zeit noch Armut in einem Ausmaß, wie wir uns das heute kaum vorstellen können. Aber gegen Ende des Jahrhunderts wollten auch die Armen nicht auf ein (wenn auch nur unscheinbares) Tannenbäumchen verzichten. So war es auch in der Familie, in der August Winnig, der spätere sozialistische Gewerkschaftsführer und Politiker (1918 Reichskommissar für West- und Ostpreußen, 1919 Oberpräsident von Ostpreußen), aufwuchs. In Blankenburg/Harz (braunschweigisch, aber von preußischem Territorium umgeben) erlebte der neunjährige August das Weihnachtsfest 1887 in bedrückenden Umständen. Der Vater, ein Totengräber, war gestorben, die Mutter konnte die große Familie nur kümmerlich ernähren: "Aus eigener Kraft vermochte meine Mutter höchstens sonntags ein halbes Pfund Fleisch zur Suppe zu kaufen. In der Woche aßen wir meist Kartoffelsuppe oder Kartoffelpuffer oder Kartoffeln in der Schale mit etwas geglühtem Rüböl. Zur Abwechslung hatten wir zuweilen Hülsenfrüchte, die selten genug mit einem Stück Speck gefettet waren." In diesem Jahr sah es auf Heiligabend nicht besser aus; die Familie dachte an den in der vorigen Weihnachtszeit gestorbenen Vater: "Als wir am heiligen Abend mit unserer Mutter unter dem kleinen angeputzten Bäumlein saßen und uns Mühe gaben, die traurigen Gedanken mit Weihnachtsliedern wegzusingen, vernahmen wir zwischen dem Singen ein Geräusch, als ob jemand ans Fenster klopfte." Es war die Tochter eines Gespannführers von der Eisenhütte, der mit August Winnigs Bruder Hermann dort zusammen gearbeitet und von diesem zur Zeit der Sozialistengesetze illegale sozialdemokratische Schriften erhalten hatte: "Die Leute schickten uns ein Brot, Speck, frisches Fleisch und Butter." Zeichen sozialistischer Solidarität, zugleich ganz im Sinne der Nächstenliebe an Weihnachten, dem Hochfest des Christentums.

Ostpreußens große Dichterin Agnes Miegel, Altersgenossin Winnigs, erlebte in ihrem Königsberger Elternhaus, behütet und materiell gesichert, Glanz und Glück des bürgerlichen Familienlebens an den Weihnachtstagen: "Stube und Küche und Herz sind hergerichtet, sind friedevoll und glänzend bereitet für das schöne Fest, für dich, du Wunder, das uns alle für ein paar Stunden in Liebe eint! ... Nun riecht es ... so recht nach Weihnachten - ein bißchen Apfelduft, ein bißchen Pfefferkuchen, eine Prise Teekonfekt, reichlich Apfelveilchenduft - und viel Tannenschonung - das ist die richtige Mischung!"

Am Heiligabend zog in Königsberg die Stadtmusik durch die Straßen und blies Luthers berühmten Weihnachtschoral "Vom Himmel hoch, da komm ich her". Brachte der Engel an Heiligabend 1944 für Ostpreußen noch "gute Mär"? Schon waren die sowjetischen Invasionsarmeen über die Landesgrenze vorgestoßen. Der Chirurg Hans Graf von Lehndorff notierte in seinem "Ostpreußischen Tagebuch": "Weihnachten kam und konnte von allen, die noch in ihren eigenen Häusern saßen, fast wie im Frieden gefeiert werden." Kaum jemand mochte sich vorstellen, welch unerhörte Orgie an Zerstörung, Mord und Vergewaltigung mit der russischen Kriegswalze über ganz Ostpreußen und die übrigen Teile des deutschen Ostens hereinbrechen würde. Lehndorff erlebte dies als Lazarettarzt mit und blieb nach der sowjetischen Eroberung zunächst noch wie manch andere Deutsche im Lande. Über das Weihnachtsfest 1945 hielt er im Tagebuch fest: "In den Weihnachtstagen halte ich an mehreren Stellen Gottesdienst, am ersten Feiertag in Rapatten bei einer Familie, die ihr großes Zimmer zur Verfügung gestellt hat. Ich muß mich sehr zusammenreißen, um beim Lesen der Weihnachtsgeschichte angesichts all der rührenden Gestalten vor mir nicht die Fassung zu verlieren ... Allen sind ihre Männer und halbwüchsigen Söhne, vielen auch die Töchter verschleppt worden." Trost konnte da letztlich nur aus dem Glauben kommen. Agnes Miegel deutet das in der Schlußstrophe eines Weihnachtsgedichtes an:

O laß es leuchten licht und fern

Durch irdisches Dunkel

wie ein Stern,

Wegweisend unsern Wegen.

Lang ist ein Jahr.

Der Weg ist schwer.

"Vom Himmel hoch,

da kommst Du her" -

Wir wandern Dir entgegen!

Was hier in der Anrede an das "herzliebste Jesulein" formuliert wird, hat Ostpreußens anderer großer Dichter des 20. Jahrhunderts, Ernst Wiechert, ähnlich empfunden:

Trommeln dröhnen

vor den Toren,

doch uns ist ein Kind geboren - und am Himmel

strahlt der Stern.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren