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31.12.05 / Wer kennt schon Ingolf Roßberg? / Warum Wowereit die Länderfusion mit Brandenburg will und zum Provinzbürgermeister absteigen könnte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Dezember 2005

Wer kennt schon Ingolf Roßberg?
Warum Wowereit die Länderfusion mit Brandenburg will und zum Provinzbürgermeister absteigen könnte
von Patrick O’Brian

Unmittelbar zu Weihnachten hat der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit eine neue Debatte über die Fusion von Berlin und Brandenburg angestoßen. In einem DPA-Interview sagte er wörtlich: „Durch den erfolgreichen Zusammenschluß von Berlin und Brandenburg würde eine neue bundespolitische Debatte entstehen.“

2006 jährt sich die Volksabstimmung über eine solche Länderfusion zum zehnten Mal. 1996 sind Eberhard Diepgen und Manfred Stolpe mit der Länderehe gescheitert. Die Brandenburger sagten mehrheitlich „Nein“. Aber auch in (West-)Berlin gab es damals – bis weit in die Nomenklatura von CDU und FDP hinein – ein Aufatmen über das Scheitern.

Die beiden damaligen Länderchefs – beide sind inzwischen aus der aktiven Politik ausgeschieden – sollen sich 1996 unter der Hand versprochen haben, es nicht auf einen zweiten Versuch ankommen zu lassen. Offiziell einigte man sich einige Zeit nach der Volksabstimmung, die das Grundgesetz bei solchen Zusammenschlüssen vorschreibt, auf das Jahr 2009 für eine Wiederholung der Kampagne. Der mögliche Termin für die Fusion wäre vier Jahre später, also 2013.

Mit dem Näherrücken des Termins sinkt auf der Brandenburger Seite spürbar die Bereitschaft zu einem neuen Anlauf. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren“, so las Wowereit insbesondere seinen Brandenburger Genossen die Leviten. Und: „2009 ist nach wie vor ein guter Zeitpunkt.“

Es gibt unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten für diesen jüngsten Vorstoß des Regierenden Bürgermeisters von Berlin. Im Falle eine Länderehe würde sein eigenes Amt vom Range eines Ministerpräsidenten auf das eines Bürgermeisters wie Christian Ude (München) oder Ingolf Roßberg (Dresden) degradiert.

Wowereit selbst sagt, er wolle eine Debatte über die Neuordnung der Bundesländer anstoßen. Das wäre sinnvoll und wird in unregelmäßigen Abständen von dem einen oder dem anderen Würdenträger angemahnt. Bisher scheiterte jeder derartige Versuch an mangelnder Ernsthaftigkeit und an der Summe der auf der Länderseite vorhandenen Egoismen.

So hat die große Koalition im Bund, die mit großen Reformversprechen angetreten ist, die Länderreform zunächst einmal ausgeklammert (wie so viele Dinge). „Dieses Thema ist wegen der großen Widerstände in den Ländern nicht zu einem erfolg-reichen Thema in Deutschland zu machen“, räumte selbst Wowereit ein.

Klaus Wowereits Schlußfolgerung lautet: „Der freiwillige Weg ist richtig. Hier könnten Berlin und Brandenburg ein Zeichen setzen.“ Den Gegnern der Länderneuordnung würden die Argumente genommen, wenn Berlin und Brandenburg mit gutem Beispiel vorangingen.

Er nannte auch sogleich ein „schlechtes Beispiel“, nämlich Bremen. „Anders als Bremen, das vehement gegen eine Zusammenlegung mit Niedersachsen ankämpft, bin ich der festen Überzeugung, daß Berlin und Brandenburg ihre Probleme besser gemeinsam meistern können“, betonte er.

Zu seiner Motivation könnte auch gehören, daß er diese mögliche Fusion als Mittel nutzt, um neue Geldquellen aufzutun. Berlin klagt gegen den Bund, um finanzielle Hilfe zu bekommen. Eine Länderfusion wäre eine weitere Möglichkeit, den Bund in die Pflicht zu nehmen.

Nun hat sich die finanzielle Situation der Stadt seit 1996 nicht eben verbessert. Im Gegenteil: Durch die Krise der Bankgesellschaft und die eigentümliche Berliner Mißwirtschaft ist der Schuldenberg enorm weitergewachsen. Die Brandenburger haben also noch weniger Grund, einer Fusion zuzustimmen, bei der sie das Berliner Defizit übernehmen. Brandenburg kann ja erst seit 1990 Schulden machen und hat deswegen eine viel niedrigere Pro-Kopf-Schuld.

Wenn also die Fusion so ausginge wie vor zehn Jahren – 60 Prozent der Brandenburger sagen „Nein“, 60 Prozent der Berliner sagen „Ja“ – dann wäre vor allem einer politisch beschädigt: der Brandenburgische Ministerpräsident. Manfred Stolpe hatte seinerzeit sogar mit Rücktritt gedroht. Die Drohung hat nichts genutzt, realisiert hat er sie auch nicht. Bei der nächsten Landtagswahl (1999) mußte die SPD jedoch Verluste einstecken, von denen sie sich bis heute nicht erholt hat.

Und ausgerechnet 2009, dem Jahr, in dem Matthias Platzeck unter Umständen als Kanzlerkandidat seiner Partei antritt, kann er keine Volksabstimmung gebrauchen. Jedenfalls keine mit so unklarem Ausgang. Klaus Wowereit wird nachgesagt, er sei selbst daran interessiert, Kanzler zu werden. Vielleicht liegt hier der wahre Grund für Wowereits neue Lust am Thema „Länderfusion“.

Länderehe dank "großer Widerstände" erfolglos

Platzeck kann keine Volksabstimmung gebrauchen

Braut und Bräutigam in spe: Klaus Wowereits Werben in Sachen Länderhochzeit um Matthias Platzeck (r.) – ein Hilfeschrei der überschuldeten Hauptstadt oder ein geschickter Zwischenruf mit Blick auf die Kür des SPD-Kanzlerkandidaten? Foto: pa


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