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31.12.05 / Gleichberechtigt gegen die Wand / Während rigide Gesetzes-Bürokratie Neueinstellungen behindert, tüfteln Politik und Gewerkschaften an Luftschlössern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Dezember 2005

Gleichberechtigt gegen die Wand
Während rigide Gesetzes-Bürokratie Neueinstellungen behindert, tüfteln Politik und Gewerkschaften an Luftschlössern
von Markus Schleusener

Unten – vor dem Roten Rathaus – ist eine Dunkin-Donuts-Filiale. Die US-Kette verkauft Zuckerkringel und Kaffee. Hinter der Theke steht eine völlig überlastete junge Bedienung. Davor wartet ein Dutzend Kunden. Die Verkäuferin ist allein.

Das gleiche Bild bietet sich daneben beim italienischen Kaffee-Röster Segafredo. Auf eine einzige Verkaufskraft kommen viele eilige Kunden, von denen sich etliche – abgeschreckt durch die lange Schlange – gleich wieder davonmachen. Gerade an Verkehrsknotenpunkten sind immer wieder die gleichen unternehmerischen Fehlentscheidungen zu beobachten: An Service- und Verkaufspersonal wird gespart, so gut es geht. Dabei könnten Gastronomen im Außer-Haus-Verkauf viel mehr Umsatz machen, wenn sie eine zweite Bedienung einstellten. Die Mehrkosten für eine Verkäuferin, die Kaffee ausschenkt, belaufen sich – großzügig geschätzt – auf zirka 20 Euro pro Stunde. Sie könnte aber ein Vielfaches an Umsatz generieren.

Trotzdem schrecken Arbeitgeber vor zusätzlichen Personalkosten zurück wie der Teufel vor dem Weihwasser. Sie haben Angst vor einem Arbeitsrecht, das sie schnell in die Kostenfalle stürzt, und wollen die Kündigungsschutzregel, die erst ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl greift, umgehen. Das ist die Arbeitsmarkt-Wirklichkeit – gerade auch die vom meist weiblichen Verkaufspersonal.

Hoch über dem Alexanderplatz sitzen im selben Moment Politiker und Lobbyisten und bauen Luftschlösser. Es geht um den Arbeitsmarkt und die Chancengleichheit von Frauen.

Der Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen hat ins Rote Rathaus geladen. Harald Wolf (Linkspartei) will die „Landesinitiative zur Förderung der Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Berliner Wirtschaft“ vorstellen. Mit von der Partie sind die Arbeitsagentur, Gewerkschaften und Verbände. Deren Vertreter hat sich Wolf, der täglich den Exodus von Arbeitsplätzen zu beklagen hat, allesamt als Unterstützung mitgebracht.

Der Senator zitiert aus einer DGB-Studie. „Um im Wettbewerb die Nase vorn zu haben“, sagt er, müsse die Stadt den Zusammenhang zwischen der Gleichstellung von Mann und Frau und wirtschaftlichem Erfolg erkennen. „Besonders im internationalen Vergleich hinken wir hinter anderen hinterher“, lautet seine Warnung. Auch deswegen besetze der rot-rote Senat die Aufsichtsräte öffentlicher Betriebe paritätisch, auf jeden Mann kommt eine Frau..

Danach erteilt Wolf Anke Domscheit das Wort. Sie ist Frauenlobbyistin in Wort und Tat und Vorsitzende des Vereins „European Women’s Management Development“. Und sie erweist sich schnell als die radikalste Feministin bei der Pressekonferenz.

Sie sei in der DDR sozialisiert worden, erklärt Domscheit. 16 Jahre nach der Wende benutzt sie allerdings fast nur englische Fachbegriffe. Sie spricht über „gender diversity“, „corporate members“ und „higher outputs“, als wolle sie damit Eindruck schinden. Sie kann aber auch „Straßenslang“: „Auf Rabenmutter haben wir kein’ Bock mehr“, sagt sie schnodderig. Damit meint sie wohl, daß Frauen, die ihre Kinder für ihre Karriere vernachlässigten, kein Vorwurf gemacht werden dürfe.

Das Gegenteil davon ist der IHK-Chef Eric Schweitzer. Er betont, Familien seien die Grundlage der Gesellschaft. Deswegen setzt er sich für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Zwangsmaßnahmen lehnt er ab. Wolf wirft er vor, daß die Gründung eines Betriebskindergartens an zu viele Vorschriften geknüpft sei, denen Betriebe in der Praxis kaum gerecht werden könnten.

DGB-Mann Dieter Scholz redet nur über sich und seine Gewerkschaft. Zu viele Gewerkschafter hätten noch das Bild des „Mannes als Familienernährer verinnerlicht“, gibt er selbstkritisch zu. Nicht vertretbar sei, daß der DGB Berlin von einer männlichen Doppelspitze geführt werde. Deshalb werde er künftig eine Frau (neben sich) an der Spitze unterstützen.

Im Anschluß werden die Teilnehmer gefragt, welches konkrete Ziel diese Initiative denn nun verfolge. Anke Domscheit prescht sofort mit einer harten Forderung vor: Sie will eine 50-Prozent-Quote für die Besetzung aller Aufsichtsräte und Vorstände von AGs und macht dabei aus ihrer Ideologie keinen Hehl: „Unternehmen müssen zu ihrem Glück gezwungen werden.“ Selbst der Altlinke Wolf will ihr da nicht folgen. Er nennt als „Nahziel“ lediglich die „Herausgabe einer Broschüre“.

Danach beendet der Senator die Pressekonferenz. Die sieben Teilnehmer, darunter zwei Frauen, ständen noch für Fragen zur Verfügung, sagt er. Doch die anwesenden Pressevertreter (nur zwölf an der Zahl) sind mit den Gedanken schon beim Weihnachtsfest und zerstreuen sich. Geräusch- und wohl auch ratlos drängt alles zum Ausgang. Über Familien und Kinder wurde kaum gesprochen. Eine gemeinsame Broschüre ist der einzige gemeinsame Nenner.


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