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31.12.05 / Tagebuch eines Bücherwurms / Unterhaltsam-Nachdenkliches rund ums Buch

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Dezember 2005

Tagebuch eines Bücherwurms
Unterhaltsam-Nachdenkliches rund ums Buch
von Willi Wegner

Laut Stammbuch wurde ich in Buchholz geboren, wuchs in Erbuch auf, und meine Großmutter, eine Verlagsbuchhändlerin im Ruhestand, las mir stundenlang aus Märchenbüchern vor. So lagen die auf mich zukommenden Lebensjahre schon damals wie ein aufgeschlagenes Buch vor mir ...

Als ich schließlich schulpflichtig wurde, mußte ich mich sofort auf meine vier Buchstaben setzen, auch wenn mir alles wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkam. Dennoch steckte ich die Nase fleißig ins Buch. Ins Lesebuch, ins Rechenbuch, kurzum in sämtliche Schulbücher. Aber nur allzu oft wurde ich ins Klassenbuch eingetragen! Später erlernte ich die Buchdrucker- und Buchbindekunst in einem Wörterbuchverlag. Buchstäblich ohne meine eigene Absicht erhielt ich eines Tages ein Parteibuch und wenig später ein Soldbuch. Das Buch der Geschichte verlangte von mir, daß ich zur Marine zu gehen habe. Man buchte für mich einen Platz auf einem Zerstörer, aber noch ehe ich einen Blick ins Logbuch hatte werfen können, wurde er zerstört! Nach Ende des erfolglosen Krieges arbeitete ich für einen Buchklub, der Handbücher für den richtigen Weg zum Erfolg anpries, und ging mit meinem Auftragsbuch von Tür zu Tür. Manchmal brachte ich Geld als Buchmacher und sammelte an Sonntagen, da der Hunger groß war, Bucheckern.

Eines Tages, ein Büchernarr war ich ja schon immer gewesen, schrieb ich selber Bücher und besuchte einmal im Jahr die Buchmesse. Ich wurde buchführungspflichtig und führte neben einigen Notizbüchern ein Geschäftstagebuch und ein Hauptbuch. Ich besaß ein Scheck- und ein Sparbuch sowie ein Kfz-Fahrtenbuch. Es ging mir recht gut, und ich mußte mich vorübergehend, um nicht dick zu werden, mit einer Art Brei aus Buchweizenkeimlingen ernähren.

Da es mir schließlich sogar ausgezeichnet ging, heiratete ich. Zwar redete meine aus Buch am Ammersee stammende Frau wie ein Buch, aber immerhin war sie als Buchhalterin in einem Buchverlag für Aufklärungsbücher tätig, was finanziell recht ordentlich zu Buche schlug. Wir bekamen ein hübsch eingebundenes neues Familienstammbuch, und ich schenkte meiner Frau ein Dutzend Kochbücher in Taschenbuchformat sowie ein Haushaltsbuch. Es blieb nicht aus, daß wir uns einen Bücherschrank zulegten!

Heute war übrigens ein Buchprüfer bei mir, und ich befürchte, daß ich einige Umbuchungen vornehmen muß. Hoffentlich geht alles gut! Kein Mensch weiß, was in seinem Buch des Schicksals vorgezeichnet wurde! Zwar hatte ich bisher noch nicht die Ehre, mich im Goldenen Buch unserer Stadt einzutragen, aber mit den Buchstaben des Gesetzes bin ich trotzdem nie in Konflikt geraten und also noch niemals eingebuchtet worden. Ich stehe auch nicht im Fahndungsbuch der Polizei!

Warten wir also ab ... Sollte jedoch irgendwann einmal eines Tages mein Lebensbuch zugeschlagen werden, so hätte ich gern links und rechts je ein Buchsbäumchen, in deren Zweigen die Vögel zwitschern. Möglichst Buchfinken.

Bücher schmücken auch – im Gegensatz zu manchem Inventar


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