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31.12.05 / Die Heiligen Drei Könige in Preußen / Wie die protestantische Großmacht am 6. Januar das Fest der Erscheinung des Herrn beging

© Preußische Allgemeine Zeitung / 31. Dezember 2005

Die Heiligen Drei Könige in Preußen
Wie die protestantische Großmacht am 6. Januar das Fest der Erscheinung des Herrn beging
von Manfred Müller

Der schlesische Preuße auf Kölns erzbischöflichem Stuhl, Joachim Kardinal Meisner, pflegt am 6. Januar während des Hochamts im Hohen Dom zu Köln eine Predigt mit zeitkritischen Tönen zu halten, die oft zu heftigen Protesten von Zeitgeistjüngern führt. Mit Bedacht sucht sich Meisner hierfür das Epiphanias, das Fest der Erscheinung des Herrn aus, das in Köln ganz im Zeichen der Heiligen Drei Könige steht, der Stadtpatrone, deren Reliquien nach dem Volksglauben im kostbaren Schrein des gotischen Doms ruhen. Nach biblischem Zeugnis haben die Magier (vornehme Sterndeuter aus dem Morgenland), dem Stern folgend, das göttliche Kind auf einer langen Pilgerreise gesucht und ihm an der Krippe zu Bethlehem gehuldigt. Der heutige Zeitgeist aber tendiert zur Selbstvergottung des Menschen und zur Mißachtung göttlicher Gebote. Hier setzt Meisner an.

Daß der Kardinal den Dreikönigsgottesdienst in einem so überwältigend schönen Dom zelebrieren kann, verdankt er auch dem starken finanziellen Engagement zweier Preußenkönige für die Vollendung des Doms. Friedrich Willhelm IV. und Wilhelm I. sahen im Kölner Dom ein deutsches Nationaldenkmal. Während der nüchtern-protestantische Wilhelm mit den Reliquien der drei Könige, zu denen die Magier in der christlichen Tradition geworden waren, nichts anzufangen wußte, konnte sich die Phantasie seines Bruders Friedrich Wilhelm, der als „Romantiker auf dem Thron“ gilt und gelegentlich katholisierende Tendenzen zeigte, an den Reliquien und ihrem Schicksal im hohen Mittelalter eher entzünden. Kaiser Friedrich Barbarossa, eine Idealfigur für die Mittelalterbegeisterung deutscher Romantiker, hatte 1162 den aufständischen Mailändern nach deren Niederwerfung die Reliquien der Heiligen Drei Könige weggenommen. Sein Kanzler, Kölns Erzbischof Rainer von Dassel, ließ sie sich aushändigen und sorgte für ihre Überführung nach Köln.

Dassels früher Tod verhinderte, daß er noch den Baubeginn für den gewaltigen Dom erlebte, der die Gebeine der Heiligen Drei Könige aufnehmen sollte. Der Dom wurde bis ins 19. Jahrhundert nicht vollendet. Das war aber kein Hindernis für die Millionen von Pilgern, im Lauf der Jahrhunderte nach Köln zu ziehen, um am Grab der Heiligen Drei Könige zu beten. Diese Pilgertradition griff der Weltjugendtag 2005 auf, zu dem die Jugend der Welt nach Köln gerufen wurde. Das Motto entsprach der biblischen Aussage der Magier aus dem Morgenland: „Wir sind gekommen, um ihn [Christus] anzubeten.“

Die Menschen in jenen Territorien, die in der deutschen Geschichte zum Staat Brandenburg-Preußen zusammenwuchsen, hatten teil an der Brauchtumsentwicklung, die aus dem Dreikönigskult erwuchs. Wo immer in preußischen Landen Gasthöfe „Zu den drei Kronen“, „Zur Krone“, „Zum Stern“, Zum Mohren“ hießen, erinnerten sie an das Reisepatronat, das den Heiligen Drei Königen zugesprochen wurde. Die beeindruckende Reise der Magier war für Maler und Dichter ein ergiebiges Motiv. Ein Gedicht des rheinischen Barockautors Friedrich Spee von Langenfeld – aus seiner Familie gingen später tapfere preußische Offiziere hervor – wurde zu einem beliebten Kirchenlied: „… sie reisten weit, viel hundert Meil’. / Sie zogen hin zu Land und See, / berauf, bergab, durch Reif und Schnee. / Zu dir, o Gott, die Pilgerfahrt / uns dünke nie zu schwer und hart!“

Martin Luther und die anderen Reformatoren waren nicht gut auf die Heiligen Drei Könige zu sprechen. Luther lehnte nicht nur die mit vielen Volksbräuchen verbundene Heiligenverehrung ab, sondern war auch nicht mit der Gewichtung einverstanden, welche die biblischen Themen in der Epiphanias-Liturgie erfuhren. Für das Offenbarwerden der Göttlichkeit Christi schienen ihm die Taufe im Jordan und die Hochzeit zu Kana wichtiger zu sein als die Anbetung des Christkindes durch die Magier, die das Epiphanias-Fest in der abendländischen Christenheit bisher stärker bestimmt hatte. Die Reformation konnte in preußischen Landen das reiche Volksbrauchtum um die Heiligen Drei Könige zwar beeinträchtigen, aber nicht zum Verschwinden bringen. So behauptete sich etwa das Sternsingen in Ostpreußen – ein besonders schöner Brauch, der aus dem Dreikönigskult hervorgegangen war. Als Könige verkleidete Kinder, Jugendliche oder Erwachsene zogen auf Heischegängen von Haus zu Haus, sangen Dreikönigslieder, führten manchmal auch kleine Dialoge auf, sprachen Segenswünsche aus, die damit zusammenhängen, daß lange der 6. Januar als Beginn des christlichen Jahres galt. Und natürlich erwarteten sie eine Belohnung durch Gaben.

In Ostpreußen stellten sich unter dem Einfluß der Reformation Änderungen ein So konnte aus den Liedern mit Segenswünschen das Dreikönigsmotiv verschwinden. Oder die Heiligen Drei Könige wurden in Weihnachts- und Krippenspiele integriert. Arno Surminski hat letzteres in seiner derb-humoristischen Weihnachtsgeschichte „Die masurischen Könige“ gestaltet.

Die mittelalterlichen Herodes- und Dreikönigsspiele, die für die Entstehungsgeschichte des Sternsingens wichtig sind, machten unter reformatorischem und aufklärerischem Einfluß einen Verfallsprozeß durch. So berichtete ein Beobachter 1784 aus Berlin: „Ich habe mehrere jener grotesken Spiele angesehen, einige Verse, vorzüglich des Teufels, waren drollig genug … nur daß die itzigen Schauspieler (gemeiniglich Kinder aus den Vorstädten) ihre Rollen, die ihnen aus der Tradition überkommen sind, immer mehr verderben und kürzen.“

Bis ins 20. Jahrhundert hielt sich im ostpreußischen Kreis Osterode ein Brauch, der noch Spuren des Volksglaubens unserer heidnischen Vorfahren aufwies. Dort wurden am Silvestertage vom Hausvater die Drei Könige aus Teig geformt. Sie wurden entweder bis Ende Januar oder gar das ganze Jahr hindurch im Küchenschrank aufbewahrt und sollten das Glück im Haus festhalten. Das erinnert sehr an die heidnischen Gebildbrote, die – christlich überformt – nach der Christianisierung geduldet wurden.

Die Dreikönigsnacht war nach germanischer Auffassung die letzte der heiligen Nächte (Rauhnächte), in denen die Götter (frühchristlich gesehen: Dämonen) mit ihrem Gefolge durch die Lüfte zogen. Die Menschen versuchten sich gegen Schädigungen durch allerlei Abwehrbräuche zu schützen, die teilweise in christlicher Überformung oder als sogenannte abergläubische Vorstellung oder Handlung erhalten blieben. Daran erinnert das Beräuchern von Stall und Stuben mit Kräutern oder mit Weihrauch (eine der Königsgaben). Insbesondere gilt das für die Inschrift, welche die Sternsinger nach altem Brauch am Hause anbringen. Drei Kreuze zu den drei Buchstaben C, M und B (für Caspar, Melchior und Balthasar, die traditionellen Namen der Könige) sowie die Jahreszahl. Die Kirche gibt den drei Buchstaben die Deutung eines Segensgebets: Christus mansionem benedicat (Christus segne das Haus).

Wer als Vertriebener diesen Teil des Sternsingerbrauchs nicht aus der preußisch-protestantischen Heimatregion kannte, lernte ihn in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kennen, als das Dreikönigssingen durch kirchliche Kinder- und Jugendgruppen über die Konfessionsgrenzen hinweg Auftrieb erhielt. Der Heischegang erfuhr eine inhaltliche Wandlung: Die Sternsinger sammelten nun die Gaben für die Weltmission oder für arme Kinder in der Dritten und Vierten Welt.

Sternsänger, unterwegs in Deutschland: Das reiche Volksbrauchtum um die Heiligen Drei Könige überlebte auch die Reformation.


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