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14.01.05 / Und der Spaß geht weiter … / Das arme Brandenburg hat Deutschlands höchste Dichte an "Erlebnisbädern" – Kommunen in der Schuldenfalle

© Preußische Allgemeine Zeitung / 14. Januar 2006

Und der Spaß geht weiter …
Das arme Brandenburg hat Deutschlands höchste Dichte an "Erlebnisbädern" – Kommunen in der Schuldenfalle
von Annegret Kühnel

In einer Disziplin wenigstens liegen die „Neuen Bundesländer“ nicht nur deutschland-, sondern sogar weltweit an der Spitze: Sie weisen die größte Dichte an Spaßbädern auf, die mangels tragfähiger Wirtschaftsprojekte seit 1990 mit Aufbau-Ost-Geldern aus dem Boden gestampft wurden.

Das arme Brandenburg macht keine Ausnahme, im Gegenteil. Im Örtchen Brand etwa 100 Kilometer südlich von Berlin befindet sich mit dem „Tropical Islands“ die bekannteste und spektakulärste dieser Einrichtungen. Auf einer 8500 Quadratmeter großen Veranstaltungsfläche wurden neben einem „Beach Volleyballplatz“ und einer Schaubühne eine künstliche Südsee, eine Lagune mit Regenwald und ein tropisches Dorf installiert. Die Besucher können ausprobieren, ob sie sich in thailändischem, polynesischem, brasilianischem oder afrikanischem Ambiente am wohlsten fühlen. Über diesen künstlichen Paradiesen wölbt sich eine bis zu 107 Meter hohe Halle, in der ursprünglich Riesenzeppeline, die sogenannten „Cargo Lifter“, gebaut werden sollte. So erinnert das Spaßbad zugleich an eine der größten industriepolitischen Pleiten des Landes.

Brandenburg hatte seinerzeit 39 Millionen Euro zum Bau der Halle beigetragen. Als das Cargo-Lifter-Projekt platzte, wurde der Gigant für 17,5 Millionen an einen britisch-malaysischen Mischkonzern verkauft, der versprach, die Investitionsruine ohne staatliche Zuschüsse in eine florierende Freizeitoase zu verwandeln. Allerdings wurden dann doch direkte und indirekte Zuschüsse in Millionenhöhe fällig. War bei der Eröffnung vor gut einem Jahr von 2,5 Millionen Besuchern jährlich die Rede gewesen, sind es tatsächlich nur 950000. Statt der angepeilten 70 Millionen Euro liegt der Umsatz bei lediglich 24 Millionen. Tropical Islands schreibt rote Zahlen, was sich 2007 aber ändern soll.

Verwundern kann das Minus nicht. Das Einzugsgebiet ist zu klein bzw. zu dünn besiedelt. Zwar pendelt, um Besucher heranzuschaffen, stündlich ein Regionalexpreß zwischen Berlin und Cottbus und der Berlin-Brandenburger Regionalsender verbreitet fleißig begeisterte Reportagen, die von Werbesendungen nicht zu unterscheiden sind, doch es fehlt an zahlungskräftiger Kundschaft. Immerhin beträgt der Eintritt für vier Stunden 15, an Wochenenden sogar 20 Euro. Für eine Komplettmassage sind weitere 20 Euro zu berappen.

Lebensmittel dürfen nicht mitgebracht werden, und die Preise für Speisen und Getränke sind happig. Für Familien ist der Besuch schwer erschwinglich. Jetzt soll das Bad familienfreundlicher gestaltet werden. Dafür sollen unter anderem Wasserrutschen eingebaut werden, für die das Land noch einmal 15 Millionen Euro aus Steuermitteln bereitstellen will.

Eine glitzernde Kulisse ist entstanden, der jederzeit der finanzielle Einsturz droht, weil ihr die wirtschaftliche Basis fehlt. Insgesamt 20 Großbäder balgen sich in Brandenburg um die knappe Kundschaft, so in Eisenhüttenstadt, Cottbus, Finsterwalde, Lauchammer, Senftenberg, Lübbenau oder Luckenwalde. Sie tragen wohlklingende Namen wie „Spreewald Therme“, „Kristall Freizeitbad“ oder „Inselbad“. 170 Millionen Euro hat dieser Wahnsinn bereits gekostet. Im Ergebnis machen die Einrichtungen sich nur gegenseitig Konkurrenz, denn die Planungen von Land, Kommunen und privaten Betreibern laufen oft unkoordiniert nebeneinander her. In den Randregionen gilt eine Kostendeckung von 40 Prozent bereits als Erfolg. Es wird also nicht nur Geld verschwendet werden, die auf den ersten Blick großzüzgig bedachten Kommunen werden langfristig in die Schuldenfalle getrieben. Doch der Spaß geht weiter. Für Potsdam hat Oskar Niemeyer, der Erbauer der brasilianischen Hauptstadt vom Reißbrett, Brasilia, ein Spaßbad für knapp 40 Millionen Euro projektiert.

Wahrscheinlich wird es aber nur in abgespeckter Form errichtet, was immer noch 30 Millionen Euro kosten wird. Auch das kleine Rheinsberg soll nicht länger auf den Badezauber verzichten müssen.

Ein Opfer dieser Ausgabepolitik ist zum Beispiel die Kultur. Die Landeszuschüsse für das hochprofessionelle Filmorchester Babelsberg wurden jüngst um die Hälfte, um 375000 Euro gekürzt. Irgendwo muß das Geld ja schließlich herkommen.


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