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21.01.05 / Britanniens Weg in den Krieg / Ian Kershaw über Lord Londonderry und andere Befürworter Hitlers

© Preußische Allgemeine Zeitung / 21. Januar 2006

Britanniens Weg in den Krieg
Ian Kershaw über Lord Londonderry und andere Befürworter Hitlers

Hitlers Freunde in England – Lord Londonderry und der Weg in den Krieg“ lautet der ins Deutsche übertragene Titel eines Buches des britischen Historikers Ian Kershaw, dessen zweibändige Hitler-Biographie vor einigen Jahren viel Lob der deutschen Massenmedien auf sich zog.

Wer zum Vergleich den Originaltitel heranzieht, entdeckt eine bezeichnende Abweichung, hieße doch die wörtliche Übersetzung „Freundschaft schließen mit Hitler. Lord Londonderry und Britanniens Weg in den Krieg“. Daß Großbritannien den Weg in den Krieg eingeschlagen haben soll, das darf man offenbar der deutschen Leserschaft nicht zumuten, war es doch nach zur Zeit geltender Generalmeinung allein das Deutsche Reich, das eben diesen Weg gewählt hat.

Kershaw verwendet das Leben des britischen Hocharistokraten Lord Londonderry als roten Faden, um die keineswegs kleine Gruppe von Engländern zu schildern, die der Meinung war, es läge im Interesse des Britischen Empires, nicht etwa den kriegerischen Konflikt mit Deutschland zu suchen, sondern einen Ausgleich herzustellen. Deutschland war nach deren Ansicht im Versailler Friedensvertrag durchaus Unrecht geschehen, das um der Entspannung in Europa willen wieder gutgemacht werden sollte. Daher begegneten sie Forderungen der neuen Reichsregierung mit Verständnis, wenngleich Lord Londonderry, zeitweise Luftfahrtminister in der britischen Regierung, stets davon ausging, daß die Verständigung Hand in Hand gehen müsse mit einer angemessenen Aufrüstung Großbritanniens.

Sie hätte, so meinte er, die nationalsozialistische Regierung davon abgehalten, über ihre Ziele hinauszuschießen.

Londonderry war nicht der einzige Engländer, der solchen Gedanken anhing. Der Autor nennt zahlreiche Namen aus dem britischen Hochadel; er ist sogar der Meinung, daß das neue Deutschland in dieser Gesellschaftsschicht erhebliche Sympathien genossen habe. Darüber hinaus zählt er dazu beispielsweise die „British Legion“, den Zusammenschluß der britischen Frontkämpfer des Ersten Weltkrieges, die Verständnis aufbrachte für deutsches Streben nach internationaler Gleichberechtigung wie auch die Besitzer einiger der großen Zeitungen, die die Linie vertraten, man müsse auf die immer wiederholten freundschaftlichen Angebote der Reichsregierung positiv eingehen. Kershaw unterstreicht, daß man keineswegs diesen Briten unterstellen sollte, sie seien nationalsozialistisch gesinnt gewesen oder hätten eine bedingungslose Liebe zu Deutschland kultiviert; stets sei es ihnen um britische Interessen gegangen.

Ihnen entgegen standen die Kreise, die vor wie nach dem Ersten Weltkrieg vor Deutschland warnten und davon überzeugt waren, daß es einen zweiten Krieg Großbritanniens gegen Deutschland geben müsse, wenn das Reich wieder erstarkte. An der Spitze standen Winston Churchill sowie Lord Vansittart, Antony Eden, Alfred Duff Cooper und Lord Halifax, die zeitweise in der Regierung oder ihrem Umfeld wichtige Rollen spielten. Sie machten ihren ganzen Einfluß geltend, daß Großbritannien jede ausgestreckte Hand Deutschlands, derer es laut Kershaw viele gab, zurückwies.

Als 1939 der Inselstaat dem Deutschen Reich den Krieg erklärte, hatten Lord Londonderry und seine Freunde längst ihren politischen Einfluß verloren – nicht zuletzt durch Hitlers Okkupation der „Resttschechei“, die den konfliktbereiten britischen Politikern Recht zu geben schien. Die Friedensfreunde aber blieben dabei, daß trotz allem ihre Politik die richtige gewesen sei: Der Krieg zwischen Deutschland und Großbritannien sei unnötig gewesen. Autor Kershaw sieht das allerdings anders. Er resümiert: Der Krieg sei „absolut notwendig und mußte um jeden Preis geführt werden, um den Nationalsozialismus zu besiegen“. Eine solche Kreuzritter-Mentalität nimmt den Verlust des britischen Weltreiches dafür gern in Kauf.

Nach dem Gedenkgottesdienst für den 1949 verstorbenen Lord Londonderry sagte der damalige Luftfahrtminister in der Labour-Regierung, Henderson, seinem Begleiter ‚Chips‘ Channon: „Vielleicht hat Londonderry von Anfang an Recht gehabt.“ Der aus der Oberschicht stammende konservative Unterhausabgeordnete antwortete: „Natürlich hatte er das.“ Hans-Joachim von Leesen

Ian Kershaw: „Hitlers Freunde in England – Lord Londonderry und der Weg in den Krieg“, Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005, geb., 528 Seiten, 39,90 Euro


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