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28.01.06 / "Familienpolitik ist nicht Sozialpolitik" / Die familienpolitische Alternative in der Union: Das Thüringer Modell / Ein Gespräch mit Ministerpräsident Dieter Althaus

© Preußische Allgemeine Zeitung / 28. Januar 2006

"Familienpolitik ist nicht Sozialpolitik"
Die familienpolitische Alternative in der Union: Das Thüringer Modell / Ein Gespräch mit Ministerpräsident Dieter Althaus

Die Familienpolitik ist in den letzten Wochen im wahrsten Sinn des Wortes ins Gerede gekommen. Auch in der Union selbst wird Kritik laut. Einer der am heftigsten kritisierten Punkte ist, daß die Eltern, die zu Hause erziehen und nicht erwerbstätig sind mit der neuen Regelung schlechter gestellt sind, als außerhäuslich Berufstätige. Dieter Althaus, Ministerpräsident von Thüringen, äußert seine Kritik maßvoll und nachdenklich. Er finde es richtig, sagt er in einem Gespräch mit dieser Zeitung, „daß wir die Familie mehr unterstützen und auch die Erziehungsleistung stärker anerkennen. Ich finde den Plan auch gut, daß zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden, indem man die Kinderbetreuungskosten auch zu Hause absetzen kann von der Steuer. Aber ich glaube, wir sollten nachbessern und sollten, egal ob beide Elternteile arbeiten oder ein Elternteil arbeitet, eine Gleichbehandlung vornehmen.“ Inzwischen hat sich auch die Bundeskanzlerin in diesem Sinn geäußert. Die Genshagener Beschlüsse werden also wahrscheinlich nachgebessert werden.

Althaus weiß, wovon er spricht. Er hat zusammen mit seinem Sozial- und Familienminister Klaus Zeh ein eigenes Familienprogramm auf den Weg gebracht und gegen den erbitterten Widerstand der SPD und der PDS im Landtag durchgesetzt. Das Programm besteht aus fünf Punkten. Althaus formuliert sie so: „Wir haben in Thüringen ein Erziehungsgeld eingeführt, das im Alter von zwei bis drei für alle Eltern gezahlt wird, beim ersten Kind 150 Euro, beim zweiten Kind 200 und so weiter. Wir leisten, zweitens, einen Pro-Kopf-Zuschuß für die Kommunen, für jedes Kind ab dem dritten Lebensjahr 100 Euro. Und wir haben, drittens, derzeit eine Stiftung im Aufbau mit Namen „Familiensinn“, die Familienunterstützung, Familienbildung und Familienförderung stärker organisieren und stärker konzentrieren soll. Viertens haben wir zusammen mit der Wirtschaft in den letzten Jahren Netzwerke entwickelt, um gerade beim Thema Familie und Beruf eine bessere Entwicklung zu ermöglichen. Und fünftens haben wir ein ganz enges Netz an Betreuungsangeboten, sowohl Kindertagesstätten als auch Tagesmüttern, so daß insgesamt dem Thema Familie in der Gesellschaft, aber auch Familie und Beruf ein besonderer Stellenwert zugemessen wird in Thüringen.“

Angesichts dieses Bündels an Maßnahmen stellt sich gerade vor dem Hintergrund der diskutierten Familienpolitik in Deutschland die Frage, ob solch ein Konzept auf den Bund übertragen werden könnte. Althaus ist vermutlich nicht dagegen, sieht hier aber offenbar Schwierigkeiten im Verständnis von Familie und ihrer Funktion, möglicherweise auch in der eigenen Partei. Jeder müsse seine Arbeit leisten, sagt er bedächtig, aber „wir sollten bei der Familienpolitik einen gemeinsamen Weg gehen. Das heißt, das was Kommunen, das was Länder tun, sollte durch den Bund ergänzt werden und umgekehrt.“ Gewiß müsse man „die Familie in der veränderten Form zur Kenntnis nehmen, aber auch darauf achten, daß das Ordnungsgefüge, das von der Familie und von der Ehe ausgeht, nicht durch die Gesellschaft, durch die Politik infrage gestellt wird. Und deshalb muß es einfach eine Gleichbehandlung geben, unabhängig davon, wie sich die einzelne Familie organisiert.“

Die Rede des Bundespräsidenten enthielt für Althaus keine Neuigkeiten. Mit manchen Fragen (zum Beispiel: Tun wir genug dafür, daß junge Menschen frohen Herzens Ja sagen können zu erwünschten genauso wie zu unerwarteten Kindern? Stimmen die Rahmenbedingungen in unserem Land für ein Leben mit Kindern?) habe der Präsident „den Finger in die Wunde gelegt. Das ist aber kein aktuelles Problem. Spätestens Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre war der negative demographische Entwicklungsprozeß in unserer Gesellschaft festzustellen.“ Die Politik, aber auch insgesamt alle anderen Beteiligten „haben nicht reagiert“. Es gehe um einen Mentalitätswandel. Man müsse heute die Gesellschaft in toto familienfreundlicher gestalten.

Die Menschen müßten erkennen können, „daß das Ja zum Kind bedeutet, für Kinder Verantwortung übernehmen, daß das Ja zur Ehe auch vorgelebt wird und wächst. Deshalb und insofern ist es wichtig, daß wir auch alle Generationen mitnehmen. Eine ganzheitliche Politik für Familien meint Familie im umfassenden Sinne, also auch Senioren, Kinder, Jugendliche und natürlich die Ehepartner.“ Deshalb könne dieser Aufruf des Bundespräsidenten auch „ein Stück Aufbruch organisieren“, damit sich „alle Beteiligten von der Wirtschaft über die Kommunen, die Länder und der Bund engagieren und das ihre tun“.

In diesem Sinn müßten auch die Sozialstaatssysteme umgebaut werden. Althaus wörtlich: „Diejenigen, die Ja sagen zur Familie, müssen auch eine entsprechende Wertschätzung erhalten im Rentensystem, beim Steuerrecht. Und das ist über viele Jahre nicht umfassend genug organisiert worden.“ Schon Wilfried Schreiber habe in den 50er Jahren gefordert, daß der Einsatz für Kinder stärker berücksichtigt werden müsse. Das sei damals aus dem Blick geraten. Hier müsse „dringend nachgearbeitet werden“. Es müsse deutlich gemacht werden, „daß die Familie nicht irgendeine Institution oder eine Einrichtung oder eine Gemeinschaft in der Gesellschaft ist, sondern ganz fest zum Ordnungsgefüge der Gesellschaft gehört. Das leitet sich auch aus dem Artikel 6 Grundgesetz ab, wo Ehe und Familie ja unter den besonderen Schutz gestellt sind“. Alle, also die Wirtschaft genauso wie die Politik auf allen Ebenen, müßten das Ihre tun, um diese Wertschätzung auch zu unterstützen.

Der Mentalitätswandel, die Veränderung im Denken bedeute für ihn konkret zu lernen, „daß das Füreinander da sein, daß die Wertevermittlung einer Gesellschaft, das Erziehen sehr stark in und über Familie grundgelegt wird“. Diese Bindung setze sich „aus der Familie heraus auch in die Zukunft fort und sichere damit auch Gemeinwohl für die Zukunft“. Der Familie komme also „eine viel stärker gesellschaftsprägende und zukunftssichernde Funktion zu, als das bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird“. Es gehe auch darum, „daß diese Mentalität der Ich-Gesellschaft, alleine für sich nur verantwortlich zu sein, nicht ausreicht, um eine Gesellschaft zu organisieren. Wir brauchen das Gegen-über“.

Die Politik dürfe die Familienpolitik nicht als Unterabteilung der Sozialpolitik sehen. Es gehe generell bei Geldzuwendungen „um Leistungsgerechtigkeit für Eltern. Familienpolitik ist nicht Sozialpolitik. Weil man es aber über Jahrzehnte als Sozialpolitik begriffen hat und weil man es früher auch als selbstverständlich angesehen hat, daß Familie und Kinder dazugehören, haben wir heute die Fehlentwicklung.“

Für Althaus sind die Eltern „ganz klar die ersten Leistungsträger“ in Sachen Erziehung und Bildung von Humanvermögen. Sie investierten sozusagen gratis in die Zukunft der Gesellschaft.

Der CDU-Politiker stößt sich dabei an dem Begriff Kosten für die Familie. Geld für die Familie sei Investition. „Wir haben in Deutschland einen falschen Investitionsbegriff. Wir subsumieren unter Investitionen nur das, was in Steine, in neue Technologien und in andere, am Ende sichtbare, erfahrbare Elemente finanziert wird. Aber das, was wir für Familie tun, ist eine in der langfristigen Perspektive viel wichtigere Investition.

Herr Wilfried Schreiber hat schon in den 50er Jahren gefordert, daß der Einsatz für Familie stärker gewichtet werden muß, als der finanzielle Einsatz in einer Sozialversicherung. Das macht deutlich, daß es etwas mit Zukunftssicherung und Zukunftsorganisation zu tun hat. Deshalb ist der Einsatz für Familie keine konsumtive Leistung, sondern auf jeden Fall eine investive Leistung.“ Jürgen Liminski.

"Die, die Ja zur Familie sagen, müssen belohnt werden"

Kindergartenbesuch: Ministerpräsident Dieter Althaus wird neugierig von einem jungen Thüringer taxiert. Foto: pa


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