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04.02.06 / "Er sorgt für Kartoffeln und Kohlen, ich für die Wirtschaft" / Die Großmutter erzählt der Enkelin vom Landleben in der Heimat

© Preußische Allgemeine Zeitung / 04. Februar 2006

"Er sorgt für Kartoffeln und Kohlen, ich für die Wirtschaft"
Die Großmutter erzählt der Enkelin vom Landleben in der Heimat
von Christel Bethke

Kurz vor Mittag läutete es Sturm. Wer kann das denn sein? Es ist Lisa, die Enkelin, die Ferien hat und bei ihrer Oma essen will. Ja, was denn nun auf die Schnelle? Eigentlich hatte sie sich Bratkartoffeln machen wollen und dazu selbst eingelegten Kürbis.

„Oma, laß doch ’ne Pizza kom-men“, weiß das moderne kluge Kind zu raten. Nee, will Oma nicht. Sie bleibt bei Bratkartoffeln, die, als sie auf die Teller kommen, ganz knusprig geraten sind und mindestens so gut wie Pommes schmecken. Und der Kürbis, na, den kann man auch essen. Geht so. Danach aber der Mehlflinsen, mit Gelee bestrichen, aufgerollt und schräg in Stücke geschnitten und mit Puderzucker bestreut, läßt die Enkelin die Augen verdrehen. Vor Genuß, wohlgemerkt.

Ob Pizza nun besser gewesen wäre, fragt die Alte die Junge nicht. Irgendwie kommt ihr die eigene Jugend durch den Sinn geschritten, sie erinnert sich der Zeit, als sie in Lisas Alter war: Kluft, Tuch und Knoten, Kletter-weste, Zöpfe bis in die Kniekeh-len. In den Ferien zum Bauern aufs Land bei der Ernte helfen, denn es gab nicht genug Leute für diese Arbeit – die meisten waren im Krieg. Zwei Franzosen waren auf dem Hof. Kriegsgefangene, die den Bauern ersetzen sollten. Nett waren die gewesen und hatten den Mädchen einmal Schokolade angeboten, die sie geschickt bekommen hatten. Große Beratung mit der Führerin, ob man die wohl annehmen dürfe, schließlich waren das Feinde des Volkes. Dabei waren die nett gewesen. Gott sei Dank entschied die Führerin ausnahmsweise mal positiv. Die Gefangenen hatten ihnen geholfen, die Körbe bei der Kartoffelernte zu leeren, ließen sie manchmal auf den Pferden sitzen und den Wagen vorfahren, wei-terfahren. Bevor es aber auf das Feld ging, erstmal antreten, die Fahne hissen und von der Mor-genfrühe singen, die ihre Zeit sein sollte. Das sah man ihnen doch nicht so recht an. Dann die Kartoffelfeuer, die das herbstliche Land vernebelten, und an den Geschmack der in glühender Asche gerösteten Kartoffeln kann sie sich noch heute erinnern, erzählt sie der Enkelin. Die abendliche Ausgelassenheit, das Schlafen im Stroh. „Toll“, meint Lisa, „du hast richtig was erlebt.“ So gesehen schon, sinniert die Oma.

Es muß am Flinsen gelegen haben, daß heute beide ins Gespräch kommen. Lisa will wissen, wie die Sache mit Opa war. „Der Heiratsantrag deines Großvaters lautete ungefähr so: er würde für Kartoffeln und auch für genug Kohlen sorgen, ich für die Wirtschaft.“ Die Enkelin kann sich vor Verwunderung nicht mehr beherrschen und prustet los: „Und das hast du dir gefallen lassen?“

Die Oma erklärt, Kartoffeln und Kohlen waren damals nicht wenig. Man brauchte zentnerweise davon. Heute dreht man nur am Knopf, und schon wird die Stube warm. Kartoffeln hatte sie am liebsten in zwei Sorten in Kartoffelkisten im Keller lagern: eine mehlige für Eintöpfe, Klöße und so, und dann noch eine feste, für Bratkartoffeln eben. Erst brachte der Bauer Proben davon, und wenn man sich entschieden hatte, wurde bestellt. Wenn er dann mit Pferd und Wagen kam, die gefüllten Säcke anlieferte, war das immer ein Fest für die Kinder, die ihn schon erwarteten, denn sie durften mitfahren und manchmal die Pferde lenken.

Die Oma merkt nun aber, daß die Unterhaltung vorüber ist. Das Mädchen steht schon an der Tür, zerrt sich an den Hosen, die in diesem Jahr oben ganz eng ge-schnitten und unten weit wie ein Rock sind. „Komm nicht damit ins Rad“, sorgt sich die Großmutter und fügt zum Abschied hinzu: „Brauchst noch bißchen Kohle?“

„Ach, so hat der Opa das mit der Kohle gemeint“, meint die Enkelin. Und nun fangen beide an zu lachen, und Oma sagt, während sie an den Schrank nach Kohle geht: „Dreimal darfst du raten.“


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