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25.02.06 / Backen oder bügeln? / oder Wenn der Mond den Alltag bestimmt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 25. Februar 2006

Backen oder bügeln?
oder Wenn der Mond den Alltag bestimmt
von Helga Licher

Bestimmen Sie eigentlich noch selber, wann Sie zum Frisör gehen oder wann Sie Ihre nächste Fußpflege planen? Entscheiden Sie ganz spontan, wann Sie Schuhe kaufen oder Ihre Stromrechnung bezahlen?

Ich tue das schon lange nicht mehr. Seitdem ich von meiner besten Freundin einen Mondkalender geschenkt bekam, richte ich mich ausschließlich nach ihm, nach dem Mond nämlich. Für mich ist ein Leben ohne diesen Kalender inzwischen undenkbar. Es ist modern geworden, nach dem Mond zu leben. Meine Nachbarin, zum Beispiel, läuft schon seit Tagen mit einem eingewachsenen Zehnagel herum. Der Mond steht momentan im Krebs, eine denkbar schlechte Zeit, um zur Fußpflege zu gehen, meint Frau Berger und beißt tapfer die Zähne zusammen. Jedoch sind diese Tage wie geschaffen, um die Betten zu beziehen und den Kaktus umzutopfen, habe ich mir sagen lassen. Außerdem empfiehlt der Mondkalender, am heutigen Tag unbedingt Bohnen zu setzen, da diese günstige Mondphase schon morgen wieder vorbei ist.

Also lasse ich mir von meinem Mann aus dem Gartenmarkt Blumenerde und Bohnensetzlinge besorgen und pflanze erst einmal alles um, was Stacheln hat. In meinem Eifer habe ich zwar vergessen, daß wir keinen Garten, sondern nur einen kleinen Balkon unser Eigen nennen, aber da der heutige Tag auch Spontankäufe begünstigt, hat mein Mann in weiser Voraussicht auch gleich ein halbes Dutzend Blumenkästen für die Bohnen besorgt.

Am Nachmittag muß ich dann zu meinem Entsetzen feststellen, daß es sich bei den Bohnensetzlingen um rankende Buschbohnen handelt und unser Balkon sich spätestens im Sommer in ein wildes Dickicht aus Bohnenranken verwandeln wird. Doch die Bohnen sind gesetzt und der Mond ist längst ins Zeichen des Steinbocks gewechselt. Das bedeutet, ich muß dringend eine Gesichtspackung auflegen und meine Garderobe in die Reinigung bringen.

Als ich noch darüber nachdenke, ob ich mich mit der Gesichtsmaske in die Reinigung wagen kann, ruft meine Freundin an und warnt eindringlich davor, heute noch Brot zu backen. Nun, ich habe noch nie Brot gebacken und hätte auch heute bestimmt nicht damit angefangen. Aber ich nutze die Gelegenheit und erkundige mich beiläufig, ob ich eventuell noch einen Zahnarztbesuch wahrnehmen könne. "Zahnarzt ist ganz schlecht ..." Verärgert empfiehlt sie mir: "Nimm lieber an einem Kurs für Mondgymnastik teil, wir erwarten Neumond." Ich sage meinen Termin beim Zahnarzt ab und schicke meinen Mann in die Reinigung.

Während ich Quark und gehack-te Löwenzahnblätter zu einer Gesichtspackung verrühre, überlege ich, ob der Mond es mir übel nimmt, wenn ich mich heute um die Bügelwäsche kümmern würde? Sicher ist es katastrophal, für diese Tätigkeit einen falschen Zeitpunkt zu wählen, aber es nützt nichts, mein Mann braucht ein gebügeltes Hemd.

Um völlig sicher zu gehen und jedes Risiko auszuschließen, blättere ich nachdenklich in dem kleinen Kalender, aber eine Anleitung zum Bügeln finde ich nicht. Statt dessen sagt mein Tageshoroskop ganz unverblümt, daß ich heute extrem zur Nachlässigkeit neige und meine Unentschlossenheit endlich in den Griff bekommen soll.

Beleidigt wasche ich mir die klebrige Quarkmasse vom Gesicht, hole das Bügelbrett hervor und mache mich energisch über die Hemden her. Und da heute der Löwe im Neumond steht, und das die beste Zeit für einen Neuanfang ist, fasse ich schließlich einen folgenschweren Entschluß: In der nächsten Vollmondnacht, beim ersten Schrei des Käuzchens werde ich den Mondkalender unter dem alten Walnußbaum vergraben ...


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