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11.03.06 / "Oh ja, wir feierten gern ..." / Über Hochzeiten, Begräbnisse und andere Familienfeiern in Ostpreußen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 11. März 2006

"Oh ja, wir feierten gern ..."
Über Hochzeiten, Begräbnisse und andere Familienfeiern in Ostpreußen
von Hildegard Rauschenbach

Oh ja, wir feierten gern - und wir verstanden zu feiern. Was für ein Aufwand wurde doch zu bevorstehenden Festlichkeiten getrieben, und was konnten unsere Bauern bei diesen Gelegenheiten nur in sich hineinessen und -trinken!

Zu Feierlichkeiten kamen grundsätzlich nur geladene Gäste, sei es zu Geburtstagen, Hochzeiten, Verlobungen oder zu Be- gräbnissen. Zum Begräbnis erhielten diejenigen Leute, die auch zum Leichenschmaus erwünscht waren, eine Todesanzeige, sie galt auch als Einladung. Diejenigen, die keine Anzeige erhielten, "begleiteten" nur.

Hochzeiten waren natürlich viel, viel schöner als Beerdigungen! Geheiratet wurde meistens im Sommer oder im Herbst, wenn die Ernte eingebracht war, und die Ehen kamen durchaus nicht immer aus gegenseitiger Bekanntschaft zustande. Nicht selten wurde "zugefreit", "tofriee" sagte man im Plattdeutschen. So ein "Zuheirater" trat meist an die Eltern beider Heiratskandidaten heran und erforschte die Bedingungen. Viele Gesichtspunkte mußten bei einer Heirat berück-sichtigt werden: Alter, Aussehen, die Mitgift, bei Einheirat in einem Grundstück das Deputat der Schwiegereltern, die auf Altenteil gingen. Stimmte alles, so konnten die Kontakte zwischen den zukünftigen Brautleuten hergestellt werden, und wenn sie dann einander zugeneigt waren, stand einer Hochzeit nichts mehr im Wege. Der "Zufreier" aber erhielt seinen vorher ausgemachten "Kuppelpelz".

Heute ist es üblich, Hochzeiten in Restaurants oder Hotels zu feiern, in unserer Gegend gab es nur Dorfkrüge, die der Ausrichtung einer Hochzeit wohl nicht gewachsen gewesen wären; deshalb fand die Hochzeitsfeier im Elternhaus der Braut statt.

Die Vorbereitungen und Planungen begannen rechtzeitig: Ein Pochelchen wurde geschlachtet, oftmals mußte ein prächtiger Truthahn sein Leben lassen oder ein Kälbchen, mehrere Sorten Wurst wurden gemacht, Sülze, Braten, - und es wurde gebacken und gebacken, tagelang.

Am Vorabend der Hochzeit, dem Polterabend, wurden, wie es auch heute üblich ist, die Geschenke gebracht, die Herren probierten schon mal die Getränkevorräte, die holde Weiblichkeit bewunderte Kuchen und Torten, die Geschenke, und manchmal auch den Brautstaat. Und natürlich wurde gepoltert, je mehr, desto mehr Glück für das Brautpaar, und dessen Beliebtheitsgrad wurde daran gemessen.

Ein ziemlich übler Schabernack war es, wenn die Vorbereitungen in der Küche ihren Höhepunkt erreicht hatten, daß junge Burschen auf das Dach kletterten und den Schornstein zustopften. Dann gab es "Qualm in der Küche", aber da diese Streiche bekannt waren, wurde der Schaden schnell behoben.

Am Vormittag des Hochzeitstages fuhr das Brautpaar mit den Trauzeugen zur standesamtlichen Trauung, die kirchliche fand gewöhnlich zwischen 14 und 15 Uhr statt. Angetan mit ihrem besten Feiertagsstaat, der oftmals extra für das Fest angefertigt wurde, fuhren die Gäste in blitzsauber geputzten Kutschwagen und herausgeputzten Pferden zum Hochzeitshaus. Waren alle Gäste versammelt, verlas eine Brautjungfer die Namen der Paare, die den Hochzeitszug bildeten. Jeder Herr überreichte seiner Dame mit einer korrekten Verbeugung einen Blumenstrauß, und sie stieg zu ihm in den Wagen. Wenn alle Wagen besetzt waren, setzte sich der Zug in Bewegung. Auf dem Hinweg wurde langsam gefahren und das Brautpaar fuhr am Ende des Zuges; den Brautleuten sollte noch Gelegenheit gegeben werden umzukehren, falls sie es sich anders überlegt haben sollten. Auf dem Rückweg aber, nach der Trauung, gab das Brautpaar das Tempo an: In scharfem Galopp ging es zurück zum Hochzeitshaus.

Nach den obligatorischen Hochzeitsfotos setzte man sich an die festlich geschmückte Tafel, um der reichhaltigen Auswahl an Torten und Kuchen zuzusprechen. Wer erinnert sich nicht gern an unseren Bienenstich, an den Mohnkuchen, an die Spritzkuchen, Pfannkuchen, Raderkuchen, und nicht zu vergessen die Torten mit reichlicher Buttercreme verschiedenster Geschmacksrichtungen.

Wir Ostpreußen wissen es natürlich, daß man bei uns ganz großen Wert auf die "Nötigung", die Nötigung zum Zulangen, legte. "Nu eßt doch, eßt doch, wenn all nuscht wär - aber is doch alles da!"

Zu Beginn des Essens langte man ungeniert zu, aber beim Nachfassen zierte man sich schon ein wenig und wartete auf das Nötigen der Gastgeberin. Wurde man ein drittes Mal genötigt, etwa mit den Worten "Nu machen Sie sich doch nich niedlich, nehmen Sie man tüchtig", griff man wieder zu.

Es soll vorgekommen sein, daß die Gäste bei der Heimfahrt sagten "Ja, das Essen war ja sehr gut, aber die Nötigung war man schlecht."

Mit Musik und Tanz, fröhlichem Gesang und Auftritt der "Maschkes", die, bis zur Unkenntlichkeit verkleidet, in Gedichtform dem Brautpaar Vorträge über ihre Vergangenheit hielten und Ratschläge für die Zukunft gaben, stieg die Stimmung nach dem warmen Abendbrot immer mehr, woran auch sicherlich die vielen Schnapschen und Bierchen nicht ganz unschuldig waren.

Bei Einbruch der Dunkelheit fanden sich auch Zaungäste ein, die dem Geschehen draußen an den Fenstern zuschauten. Sie wurden vom Bräutigam mit Kuchen und Getränken versorgt, und die Stimmung war mitunter draußen nicht schlechter als drinnen.

Kurz vor Mitternacht gab es die "Schweinevesper", die aus kalten Platten bestand: mehrere Sorten Wurst, geräucherter Schinken, Kalter Braten, Sülze, eben alles vom Schwein. Und wieder wurde kräftig zugelangt, damit man gestärkt bis in den Morgen hinein feiern konnte.

An eine Hochzeitsfeier erinnere ich mich mit besonderem Vergnügen: Ich war gerade zwölf Jahre alt und bekam zum ersten Mal auch einen "Kavalier" von der Brautjungfer zugewiesen, den 14 Jahre alten Sohn unseres Bürgermeisters. Mein Gott - was war ich stolz! Meine Tante hatte mir ein traumhaft schönes Kleid aus lachsfarbenem Taft geschneidert, und ich gefiel mir ungemein. Und ich tanzte den ersten Walzer meines Lebens! Fleißig hatte ich schon Wochen vorher hinter unserer Scheune geübt, so daß ich der Aufforderung meines Kavaliers folgen konnte. Auch er tanzte schon recht gut, was für die damalige Zeit für einen 14jährigen eine enorme Leistung war.

Um Mitternacht hatten sich alle aufgestellt, um den Schleier abzutanzen. "Bong - bong - bong" hallten die Schläge der großen Standuhr aus dem Nebenzimmer, es schlug zwölf.

Da - ein Aufschrei meiner Mutter! "Erbarmung - zwölf Uhr! Um zwölf wollte ich doch mein Brot aus dem Ofen nehmen! Aber mittags um zwölf!" Allseits wieherndes Gelächter, mein Vater meinte trocken: "Na, nu brauchst es auch nicht mehr rauszunehmen, morgen früh ist es auch noch Zeit. Und die Pferde freuen sich auch mal über einen guten Happen."


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