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18.03.06 / "Nieder mit den Geschichtslügen" / Historiker Jörg Friedrich wehrt sich gegen die Minderbewertung deutscher Opfer

© Preußische Allgemeine Zeitung / 18. März 2006

"Nieder mit den Geschichtslügen"
Historiker Jörg Friedrich wehrt sich gegen die Minderbewertung deutscher Opfer
von Peter Hild

Jörg Friedrich - dieser Name ist Programm. Schon immer ist er ein kritischer Geist gewesen. Früher taugten seine Geschichtsbücher dazu, uneingeschränkte Wehrmachts-Verehrer auf die Palme zu bringen - heute hilft er mit, linke Lebenslügen zum Einsturz zu bringen. Auch deutsche Kriegsopfer sind unserer Trauer wert! Weiten Kreisen wurde er 2002 bekannt durch sein Werk "Der Brand" über die britischen und amerikanischen Bombenangriffe auf deutsche Städte und deren hunderttausende Todesopfer unter den Zivilisten. Ein Jahr darauf kam der dazugehörige Bildband "Brandstätten. Der Anblick des Bombenkriegs" heraus. Die teilweise schockierenden Fotos der deutschen Opfer erzeugten in politisch korrekten Kreisen Empörung. Die jüdische Amerikanerin Susan Sonntag gab Friedrich jedoch Unterstützung. Ein solches Werk war notwendig und längst überfällig. Wenige Tage vor Ausstrahlung des ZDF-Zweiteilers über Dresden sprach Friedrich in der Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Stalinismus am Nikolaikirchplatz in Berlin über die Gedenk-Empfindlichkeiten der Deutschen.

Der 1944 geborene Historiker begann seine Ausführungen über das "Untergangs-Trauma" der Deutschen anhand des Scheiterhaufens auf dem Dresdner Altmarkt. Das SS-Kommando Streibl habe die Verbrennungstechnik im KZ Treblinka entwickelt. Man habe diese Experten mit der effizienten Entsorgung der Leichname beauftragt. Die SS-Männer stapelten die Bombentoten auf einem Rost aus Eisenbahnschienen. Das gleiche Verfahren sei wegen der Seuchengefahr für die "Herrenmenschen von Dresden" angewandt worden wie in den Lagern für die Juden, die aus Dresden vertrieben worden sind.

Der Ort der Verbrennung inmitten der Elb-Metropole ist den Dresdnern heute noch gegenwärtig. Allerdings mehr im Seelischen als daß ihnen der tatsächliche Ort bekannt ist. Geschäftsinhaber am Altmarkt meinen, er sei heute durch ein von unten angeleuchtetes Glasfenster auf dem Boden markiert. Andere vermuten eine Plakette. Ein Architekt nennt eine unterschiedliche Pflasterung als den Ort des damaligen Geschehens, der Kulturbeauftragte des Oberbürgermeisters einen "rußigen Fleck" vor McDonald's. Nichts davon stimmt. Der als Parkplatz genutzte authentische Ort trägt sein "inneres" Denkmal.

Einer von über 100 Vorträgen Friedrichs über "Den Brand" konnte in Dresden 2004 nur unter Polizeischutz durchgeführt werden: "Eine lautstarke Minderheit frohlockte über die Massentötung." Friedrich war so ehrlich, zuzugeben, daß auch er früher ähnlich dachte - und sich äußerte. Als er in der früheren Lazarett- und Barockstadt Würzburg den Jura-Professor Spendel traf, entgegnete er dem Zeitzeugen der Zerstörung: "Das tut mir gut, wenn ich die Bombenschäden sehe." Es sei eben die "Antwort der Zivilisation auf die Herabwürdigung von Juden als Ungeziefer" gewesen. Ähnlich mitleidslos wie die Verblendeten, die kürzlich am Münchner Marienplatz verkündeten: "Bomber Harris - do it again!"

Den damals 40jährigen Friedrich hatte der empörte Professor in Würzburg damals keiner Antwort gewürdigt. Er wird sich wohl gedacht haben: Diesem Mann hilft nur das Älterwerden. Die Einsicht kam Friedrich, als er die Einzelheiten, die Art und Weise des Untergangs von Menschen aus der Nähe betrachtete.

Das Münchner Transparent "Bomber Harris - do it again!" hat für deutsche Gerichte nichts Strafwürdiges. Der couragierten Gigi Romeiser, die dies zur Anzeige brachte, wurde zur Begründung mitgeteilt, Harris lebe nicht mehr, daher könne es keine zweite Auslöschung Dresdens geben. Das Andenken Deutscher, die nicht in Konzentrationslagern glitten haben, ist juristisch offensichtlich aber nicht beleidigungsfähig.

Friedrich erzählt von zwei fünfjährigen Mädchen in den letzten Kriegstagen, die "Huckekästchen" spielten. Hannelore und Ingrid. "Ingrid war einfach im falschen Quadrat." In jenes Haus, in dessen Keller während des Angriffs neben anderen auch die beiden Mädchen mit ihren weiblichen Familienangehörigen Schutz suchten, krachte eine Fliegerbombe. Ingrid wurde von der einstürzenden Decke lebendig begraben. Hannelore saß 20 Zentimeter vom Krater entfernt und überlebte. Hat Ingrid nun "die gerechte Strafe" erhalten? Und weswegen ist Hannelore - ebenfalls Deutsche - der Kollektivstrafe entkommen?

30 Millionen Deutsche, so der heute 62jährige Friedrich weiter, seien während des Zweiten Weltkrieges in Städten wohnhaft gewesen, 50 Millionen auf dem Land. Seien die angegriffenen Städter, des Schreckens leibhaftig, schuldiger gewesen als die Landbevölkerung? Welche Logik steckt dahinter? War deren Tod eine verdiente Strafe für deutsche Täterschaft? Wenn nicht, was war der Bombenkrieg dann?

Ein Drittel des britischen Kriegsetats floß in die "fliegenden Standgerichte", welche eine halbe Million pauschale Todesurteile fällten, einschließlich der "Sklavenarbeiter" und Kriegsgefangenen. "Die Massentötung aus der Luft ist eine Psychologin. Die Überlebenden sollen etwas: sich dem Willen des Bombardierenden fügen." Diese Unterwerfung haben die Deutschen damals nicht fertiggebracht. "Die Deutschen ignorierten die Botschaft der Bombe. Sie - die Deutschen als Gesamtheit - opferten ihre Familien."

Friedrich kritisiert seinen Kollegen Müller vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, für den es zwischen einem Kind in Auschwitz und einem in Hamburg einen "gewaltigen Unterschied" gebe. Das deutsche Kind habe ja vor dem Feuersturm in Hamburg "raus" gekonnt. Jörg Friedrich ist diese Verrechnungskultur leid.

Die "deutsche Schuld" als Standard-Argument, um alles Leid, welches die Deutschen erlitten haben, zu rechtfertigen, wird hierzulande von Theologen, Professoren und Moralisten gerne bemüht. Zugleich treffe man in deutschen Zeitungen auf eine weit entwickelten Mitleidskultur. Die Deutschen seien die größten Mitleidenden. Mit einem einzigen Unterschied: bei Wunden des eigenen Volkes.

Friedrich resümiert: "Die Deutschen kennen kein Mitleid mit ihren eigenen Toten. Die Toten, denen wir etwas schuldig sind, müssen irgendwo schuldig sein. Die völlige Vogelfreiheit der Vertriebenen war gleichzeitig etwas Gutes und Böses." Für die 68er-Generation hatte dies seine Richtigkeit. "Durch eine solche schmachvolle Unterwürfigkeit bin ich und sind viele meiner Freunde, Götz Aly beispielsweise, auf die Vergangenheitsbewältigung gekommen. Inzwischen verstehe ich besser als in meinen 40er und 50er Jahren, daß das, was wir Verdrängung nannten, das eigentlich Normale ist. Sie finden in England keinen, der sich mit dem Bombenkrieg auseinandersetzt. Sie finden in Amerika schwerlich jemanden, der sich mit der Sklaverei, mit der Indianer-Massakrierung, mit dem Hiroshima-Bombardement auseinandersetzt. Sie finden auch in der Sowjetunion niemanden, der sich gerne mit dem GULag auseinandersetzt. Das ist ein Reflex der Menschen, über diese Schattenbereiche der eigenen Geschichte den Mantel des Vergessens zu breiten."

Bei den Teilnehmern und Mitwissern der NS-Verbrechen hat es sich laut Friedrich um eine Minderheit gehandelt: "Wenn man alle Parteibonzen, Gestaposchergen, Blutrichter, Wehrmachts-Einheiten, die an Kriegsverbrechen beteiligt waren - Rückwärtige Heeresgebiete, Geheime Feldpolizei - zusammenzählt, kommt man auf eine Zahl zwischen ein und zwei Millionen. Diese haben in einem Halbdunkel - in der Regel wurde abgeschirmt - ohne die Kenntnis und die Zustimmung der anderen 79 oder 78 Millionen ihrem Handwerk gefrönt, überwiegend aber geschwiegen. Und das unterscheidet die Beteiligung der Nation an NS-Verbrechen, für die sie natürlich eine politische Verantwortung trägt, in einem qualitativen Ausmaß von den von den Deutschen eingesteckten Greueln, jenem Untergangs-Trauma der Massen-vergewaltigung und -vertreibung und -tötung im Bombenkrieg wie auch bei Flucht und Vertreibung."

US-Soldat im zerstörten Köln 1945: Während die Deutschen ihre Schuld stets betonen, beteuern die Alliierten ihre Unschuld. Foto: Ullstein


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