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01.04.06 / Ein Konzernsitz und ein Großflughafen / Eigentlich könnten sich die Berliner endlich einmal freuen - doch die Hauptstädter sind mißtrauisch geworden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. April 2006

Ein Konzernsitz und ein Großflughafen
Eigentlich könnten sich die Berliner endlich einmal freuen - doch die Hauptstädter sind mißtrauisch geworden
von Markus Schleusener

Wie ein weißer Ritter erschien fast im letzten Moment die Bayer AG, um den Berliner Pharmakonzern Schering vor der Übernahme durch den Konkurrenten Merck zu retten. Berlins Senat hat eine ähnliche Haltung wie die Schering-Firmenleitung eingenommen, als Bayer sein Angebot unterbreitete. "Bayer ist in Berlin willkommen", triumphierte Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke/PDS) stellvertretend für seine Senatskollegen.

Und das, obwohl mit Schering eine der größten Berliner Firmen ihre Unabhängigkeit verliert. Schering werde aber nicht zerschlagen, versicherte Bayer. Berlin verliert so zwar den Sitz einer Firma mit einem Fünf-Milliarden-Euro-Umsatz, gewinnt aber womöglich die Zentrale einer Firma mit einem Umsatz von mehr als 32 Milliarden. Die Stadt verliert nichts, so die Überzeugung der Landesregierung.

"Es war mir von vornherein klar, daß Berlin ein sehr sensibler Punkt sein würde", gab Bayer-Chef Werner Wenning zu. Daher hätten die Konzernleitungen beider Firmen gemeinsam entschieden, das fusionierte Pharmageschäft unter dem Namen Bayer-Schering-Pharma in Berlin anzusiedeln.

Damit waren die Verantwortlichen an der Spree zunächst mehr als zufrieden. Doch die Zustimmung wurde alsbald getrübt. Zur allgemeinen Ernüchterung brachte Wenning nämlich die Zahl von (weltweit) 6000 Arbeitsplätzen "Synergiepotential" ins Spiel. Hinter diesem neuen Wortgeschöpf verbirgt sich nichts anderes als mögliche Entlassungen nach der Fusion.

In der Schering-Zentrale im Berliner Wedding greift nun die Sorge um den Arbeitsplatz um sich. Klaus Wowereit reagierte deswegen etwas kühler als sein Wirtschaftssenator auf den Handel: "Mir geht es vor allem um ein größtmögliches Maß an Sicherheit für die Arbeitsplätze in Berlin."

Karl Brenke, Berlin-Experte beim Deutschen Institut für Wirtschaft, hofft auf Forschungsaktivitäten, die Bayer aus Leverkusen nach Berlin verlagern könnte. Das brächte sogar positive Impulse für den Berliner Arbeitsmarkt und würde den Pharma-Standort weiter stärken. Vor einem Jahr erst hat der Bayer-Konkurrent BASF 500 Arbeitsplätze nach Berlin verlagert. Doch solange nicht klar ist, inwieweit Berlin von den "6000" betroffen sein wird, bleibt die Debatte um den neuen Pharmakonzern mit Sitz in der Hauptstadt gedämpft.

Ganz anders die Stimmung in Hinblick auf den geplanten neuen Großflughafen in Schönefeld. "Berlin-Brandenburg International" (BBI) schaffe bis zu 40.000 Arbeitplätze, lauten die optimistischsten Prognosen.

Nachdem die Anwohner-Klagen gegen den Ausbau abgewiesen worden sind, soll nun der Ausbau beginnen, der nach bisheriger Planung bis 2011 dauern wird. Noch vor den später erhofften 40000 dauerhaften Stellen müßte zunächst die örtlich Bauwirtschaft frohlocken. Eigentlich käme da über viele Jahre eine große Menge Arbeit auf sie zu. Theoretisch. Aber werden die sehnlich erhofften Aufträge auch wirklich an Baufirmen aus dem Umfeld der Hauptstadt vergeben?

Skepsis macht sich breit. Vom großen Zwei-Milliarden-Euro-Kuchen werden Firmen aus der Region wohl nur am Ende einer langen Kette von Subunternehmen profitieren können. Der Chef der Cottbuser IHK Joachim Linstedt fürchtet, daß nur 15 Prozent der Aufträge an lokale Firmen gehen. Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghans (CDU) hat deswegen die Unternehmer aufgefordert, sich zu Arbeitsgemeinschaften zusammenzuschließen, um so besser konkurrieren zu können.

Zur Zeit arbeiten 14000 Menschen direkt an den Berliner Flughäfen (Tegel, Tempelhof, Schönefeld). Da werden auch am neuen Standort nicht viele dazukommen, wenn überhaupt. Im Umfeld könnten jedoch bis zu 35000 weitere Stellen entstehen, so eine Studie. Hauptstädter beklagen indes, daß die Jobs weit weg nach "draußen" in die Mark abwandern und die neuen Stellen auch nur dort entstehen.

Laut einer Umfrage der "Berliner Zeitung" haben 55 Prozent der Berliner das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zugunsten des Großflughafens begrüßt, 37 waren dagegen. Im Ostteil der Stadt liegt die Zustimmung mit 60 Prozent höher als im Westen (52 Prozent). Insbesondere West-Berliner sind unzufrieden, weil sie längere Anfahrtszeiten in Kauf nehmen müssen, wenn der Betrieb in den beiden innerstädtischen Flughäfen eingestellt wird.


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