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01.04.06 / Deutsche Identität in Gefahr / Zunehmender Anteil der heimatverbliebenen ostpreußischen Jugend fühlt sich als Polen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. April 2006

Deutsche Identität in Gefahr
Zunehmender Anteil der heimatverbliebenen ostpreußischen Jugend fühlt sich als Polen
von Bernhard Knapstein

Jugend ist Zukunft, aber hat Jugend auch Zukunft? Dieser Frage - bezogen auf die im südlichen Ostpreußen lebende deutsche Jugend - ist die Germanistin Aneta Maciag in ihrer an der Allensteiner Universität vorgelegten Magisterarbeit nachgegangen.

Um der Antwort auf die Spur zu kommen, sprach sie mit zahlreichen Jugendlichen der verschiedenen Jugendorganisationen der Deutschen Vereine und analysierte "die Stellung und Rolle der jungen Deutschen im Rahmen der deutschen Minderheit".

Doch schon bei der Frage nach der Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe haben viele Jugendliche Probleme, ihre eigene Identität eingedenk ihrer nationalen Herkunft zu bestimmen. "Die Befragten stammen aus deutschen Familien, aber die meisten fühlen sich eher als Polen", stellt die Autorin fest. Dies hänge damit zusammen, daß die deutsche Kultur zu Hause zwar vorherrsche, dagegen "die polnische Kultur außerhalb des Hauses Realität (Schule, Arbeit, Kirche)" sei.

Wie bei der noch deutsch geprägten Erlebnisgeneration und der polonisierten mittleren Generation ist heute auch bei der Jugend die emotionale Ebene für das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Nationalität maßgeblich. "Die wenigsten Jugendlichen werden sich für eine deutsche oder polnische Nationalität nach Abwägung sachlicher Pro- und Contraargumente entscheiden", so Maciag. Es komme letztlich auf die persönlichen Vorbilder in der Familie an.

Die Ergebnisse der letzten Volksbefragung von 2002, bei der sich 757000 Befragte zu ihrer Nationalität nicht geäußert und von rund 400000 Deutschen in der Republik Polen sich weniger als die Hälfte zu ihrer Nationalität bekannt hatten (im südlichen Ostpreußen nur 4500), zeige, "daß 13 Jahre nach der politischen Wende immer noch Mut dazu gehört, sich in Polen zu seiner nationalen Identität öffentlich zu bekennen".

Selbst polnische Wissenschaftler nennen deutlich höhere Zahlen polnischer Staatsbürger deutscher Nationalität. Andrzej Sakson etwa geht von 11000 Deutschen in der Woiwodschaft Ermland und Masuren aus. In den Deutschen Vereinen sind freilich allein schon über 11000 Personen organisiert. Nach Angaben des Dachverbandes VdGO in Allenstein ist von insgesamt 15000 bis 20000 Angehörigen der deutschen Volksgruppe auszugehen.

Da die Identität sich vor allem in der Muttersprache manifestiert, untersucht die Autorin auch diese Facette. Die meisten deutschstämmigen Jugendlichen pflegen durch den in kommunistischer Zeit aufgenötigten Assimilierungsprozeß die deutsche Sprache allenfalls als Fremdsprache. Lediglich im Großraum Allenstein leben noch junge Ostpreußen, die beide Sprachen muttersprachlich beherrschen. Die Wiederaufnahme der deutschen Sprache ist daher von existentieller Bedeutung. Hierbei soll unter anderem das Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) helfen. Es bietet Sprachkurse an. Für diesen Prozeß sei zudem eine Verordnung des polnischen Ministers für Bildung und Sport aus dem Jahr 1992 beachtlich, nach der bereits sieben Schüler eine Schule zu einem deutschsprachigen Unterricht in einigen Fächern verpflichten können. Auf Grundlage dieser Verordnung sind für das Schuljahr 2005/2006 deutschsprachige Grundschulklassen in Neidenburg, Lahna und Skottau eingerichtet worden.

Bei der Analyse der Jugendgruppen arbeitet die Autorin heraus, daß in vielen Gruppen auch junge Polen mitwirken. So seien 30 Prozent der "Ermis", die offizielle Jugendorganisation der Allensteiner Gesellschaft deutscher Minderheit (AGDM), polnischer und ukrainischer Abstammung. Ähnlich setzt sich die junge Volkstanzgruppe "Saga" aus Bartenstein zusammen.

Dem entsprechend ernüchternd ist dann auch die von der Autorin vorgelegte Typologie der deutschstämmigen Jugendlichen. Ein großer Teil der Jugendlichen deklariere sich selbst als "Pole". Die deutschen Wurzeln haben diese Jugendlichen spät entdeckt und das gesamte Umfeld ist polnisch geprägt.

Die zweite Gruppe sei als "Polen mit deutscher Abstammung" oder "Polen-Deutsche" zu deklarieren. Diese Jugendlichen zeigen aktives Interesse an ihren Wurzeln und wollen die deutsche Kultur und Sprache besser kennenlernen, sind aber dennoch in der polnischen Realität fest verwurzelt.

Eine andere Gruppe sind diejenigen, die sich eindeutig zu ihrer deutschen Herkunft bekennen und sich dieser Nationalität auch aktiv selbst zurechnen. Diese Jugendlichen beherrschen meistens die deutsche Sprache wesentlich besser und engagieren sich in den verschiedenen deutschen Jugendzirkeln.

Zuletzt gebe es noch Jugendliche, die sich selbst nationalitätsfrei als "Hiesige" bezeichnen, und die Unentschlossenen, also jene, die für sich selbst die Frage ihrer Identität noch nicht abschließend beantwortet haben.

Denjenigen, die sich zu ihren deutschen Wurzeln bekennen, legt die Autorin nahe, "die deutsche Sprache nicht nur als Kommunikationsmittel", sondern als Teil der eigenen Identität "zu beherrschen, aber vor allem sie sinnvoll zu nutzen und zu manifestieren".

Mit ihrer Arbeit hat Aneta Maciag eine Analyse mit Aussagekraft über den bedenklichen Zustand der deutschen Volksgruppe im südlichen Ostpreußen vorgelegt. Warschau selbst ist auf Grundlage des Deutsch-Polnischen Nachbarschaftsvertrages berufen, den Zustand seiner Minderheiten zu verbessern. Es ist aber auch eine Obliegenheit der Bundesregierung diese Förderung anzumahnen.

Die Germanistin und stellvertretende Bundesvorsitzende des Bund Junges Ostpreußen (BJO) Aneta Maciag (links unten) mit Teilnehmern der alljährlich von der Kreisgemeinschaft Schloßberg durchgeführten Kinderfreizeit in Otterndorf Foto: Archiv


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