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08.04.06 / Angela Merkels Energiegipfel: Kern-Frage ohne Antwort / Der Ausstieg aus dem Ausstieg wäre vernünftig, doch noch wagen die meisten Politiker es nicht, das offen auszusprechen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. April 2006

Angela Merkels Energiegipfel: Kern-Frage ohne Antwort
Der Ausstieg aus dem Ausstieg wäre vernünftig, doch noch wagen die meisten Politiker es nicht, das offen auszusprechen

Eigentlich hätte im Lagebericht ja auch was von Kerzenschein und flackerndem Kaminfeuer stehen müssen, in so festlich-harmonischer Atmosphäre scheint der große Energiegipfel bei Kanzlerin Merkel verlaufen zu sein. Gas, Kohle und Öl - keine Streitthemen. "Erneuerbare" Energien (was immer das sein soll, Einstein jedenfalls würde sich im Grabe umdrehen, gemeint sind alternative Energieträger wie Wind, Wasser oder Biomasse) - alle sind dafür, schon weil das so politisch korrekt ist. Die Energiewirtschaft macht "schön Wetter" mit milliardenschweren Versprechen. 30 Milliarden Euro will sie in neue Kraftwerke und Leitungsnetze investieren, weitere 40 Milliarden in den alternativen Bereich. Natürlich sind auch alle für den Klimaschutz - auch wenn nicht alle so ganz genau wissen, was das Klima eigentlich ist und wovor man es schützen soll. Selbst das einzig verbleibende Streitthema vermochte die 27köpfige Harmonierunde nicht in Zwist zu bringen - man war sich eben völlig einig, daß man sich in Sachen Kernenergie nicht so ganz einig ist. Die Kern-Frage bleibt also weiterhin ohne Antwort.

Indirekt, sozusagen zwischen den Zeilen, deutete die Kanzlerin allerdings an, wie sie sich eine Antwort vorstellen könnte. Der Koalitionsvertrag bleibe selbstverständlich gültig, damit also auch die Bekräftigung des Ausstiegs aus der Kernenergienutzung. Aber, so fügte sie hinzu, dieser Koalitionsvertrag sei befristet bis 2009. Die Energiezukunft Deutschlands hingegen müsse für einen wesentlich längeren Zeitraum konzipiert werden.

So könnte also die Perspektive aussehen: Falls die Große Koalition so lange durchhält, wird 2009 neu gewählt. Dabei ergeben sich entweder neue Mehrheiten (Schwarz-Gelb zum Beispiel), die für den Ausstieg aus dem Ausstieg reichen. Selbst eine Neuauflage des derzeitigen Regierungsbündnisses müßte einen neuen Koalitionsvertrag aushandeln. Und bis dahin, dessen ist sich die Unionsführung sicher, wird auch die Sozialdemokratie auf den Weg der energiepolitischen Vernunft zurückgefunden haben.

Erste Anzeichen für einen Stimmungswandel in der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung sind unübersehbar. So plädierte der Kommentator des Hessischen Rundfunks in den ARD-Tagesthemen am Abend des Energiegipfels unumwunden und ohne jede Verklausulierung für eine Renaissance der Kernkraft, wie wir sie heute weltweit erleben - mit einer einzigen Ausnahme: Deutschland.

Dabei geht es um mehr als nur eine Verlängerung der Laufzeiten einzelner Kernkraftwerke. Auch in SPD-Kreisen hat es sich schon herumgesprochen, daß es grober Unfug wäre, Anlagen, die zu den sichersten, zuverlässigsten und wirtschaftlichsten der Welt zählen und die auf Laufzeiten von 50 bis 60 Jahren ausgelegt sind, nach der Hälfte der Zeit abzuschalten. Um aber Deutschland aus der Energiefalle, die es sich selbst gestellt hat, zu befreien, wird man auf Dauer nicht daran vorbeikommen, neue Kernkraftwerke zu bauen; entweder wir schaffen es, an unsere frühere technologische Spitzenstellung anzuknüpfen und sie selber zu entwickeln, oder wir müssen für teures Geld Anlagen kaufen - vorzugsweise in jenen Ländern, die solches Gerät früher bei uns gekauft haben.

Die Entscheidung, nicht nur aus dem Ausstieg aus-, sondern in die Weiterentwicklung der Kernenergie einzusteigen, muß spätestens zum Ende dieses Jahrzehnts getroffen werden. Angesichts der in Deutschland extrem langen Planungs-, Genehmigungs-, Prozeß- und Bauphasen hätten wir dann noch eine geringe Chance, nicht völlig und unaufholbar den Anschluß an den Rest der Welt zu verlieren.

Denn alle Fakten sprechen gegen uns. Die alternativen Energieträger werden aus einer Reihe von Gründen nie die Hauptlast unserer Energieversorgung tragen können. Sie haben ihren Platz im Energiemix, mehr aber nicht. Kohle ist zwar langfristig verfügbar (auch im eigenen Lande), aber ökologisch und ökonomisch problematisch. Bei Gas und Öl sind wir von Importen abhängig; das birgt politische Risiken und wird immer teurer. Schon heute kaufen expandierende Volkswirtschaften wie China und Indien die Weltenergiemärkte leer und treiben die Preise hoch. Wann Kernfusionsenergie als technisch sicher beherrschbare und wirtschaftliche Alternative zur Verfügung steht, ist völlig ungewiß; vernünftige Prognosen bewegen sich in der Größenordnung von drei bis fünf Jahrzehnten.

Die promovierte Physikerin Angela Merkel weiß das alles. Sie weiß aber auch, wie begrenzt belastbar die Kernbindungskräfte einer Koalition sind, deren kleinerer Partner noch tief in ideologische Festlegungen verstrickt ist. Vielleicht ist also in dieser Kernfrage keine Antwort auch eine Antwort. M.S.


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