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22.04.06 / Liebeskummer / Wenn Töchter erwachsen werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. April 2006

Liebeskummer
Wenn Töchter erwachsen werden
von Gabriele Lins

Tina ist unsere Tochter. Sie ist 17. Gerade hat sie ihrem Freund Micky den Laufpaß gegeben, wie sie uns flapsig mitteilt. Ich denke noch: Wie schade, da klingelt schon statt des zurückhaltenden Micky ein baumlanger Kerl namens Paolo an unserer Tür, dessen Großeltern wohl ursprünglich in südlichen Gefilden zu Hause waren; das erkennt man nicht nur an der tiefdunklen Hautfarbe des Jungen.

Erst drei Wochen sind vergangen, und schon scheint die heiße Liebe Paolos zu Tina erkaltet zu sein. Ich als weise Mutter habe das natürlich kommen sehen; die beiden jungen Menschen passen nämlich zueinander wie Feuer und Wasser. Paolo geht abends gern in die Disco, Tina dagegen sitzt lieber in ihrem Zimmer bei Kerzenschein und Räucherstäbchen und hört ernste Musik. So kommt es, daß der grüne Fiat Paolos eines Nachmittags laut quietschend vor unserer Haustür hält. Ich sehe durch das Fenster, wie der junge Mann seine 1 Meter 92 aus dem Sitz schiebt. Seine Miene wirkt wie ein zusammengeballtes Gewittertief. Mein Herz macht einen erschrockenen Hüpfer.

Lange Zeit bleibt Paolo im Zimmer des Mädchens. Dann kommt er allein die Treppe herunter und steigt mit undurchdringlichem Gesicht in seine verschrammte Blechkutsche.

Später gehe ich auf Zehenspitzen die Treppe hinauf, öffne so leise es geht die Tür zu Tinas Zimmer ... Das Mädchen sitzt still auf ihrem Bett, die Hände verkrampft im Schoß haltend. "Aus?" frage ich leise. Sie nickt nur, sagt dann wegwerfend: "Na ja, ich ahnte es schon länger. Er paßte nicht zu mir. Soll er doch sausen ...!" Erleichtert lasse ich sie allein. Dann war die Liebe wohl doch nicht so tief greifend, denke ich. Aber da irre ich mich. Es ist knapp 23 Uhr, ich will gerade ins Bett, da höre ich ein wildes Schluchzen über mir. Wie ein mittlerer Orkan rase ich die Treppe hinauf.

Tina liegt quer über ihrem Bett und heult wie ein Schloßhund. Ich bringe kein Wort heraus, in meinem Hals hat sich ein dicker Kloß breitgemacht. So setze ich mich nur still neben sie. Aber ein wenig später reden wir. Wir machen kein Licht an, im Dunkeln läßt es sich leichter sprechen. Ich erzähle von den Enttäuschungen, die meine Mutter und auch meine Großmutter als junge Mädchen und Frauen erlebten. Auch meine eigenen Schwierigkeiten verschweige ich nicht. Danach trinken wir einen Apfelkorn zusammen. Susa, Tinas ältere Schwester, die auch schon Erfahrungen hat in Sachen Liebeskummer, gesellt sich zu uns und sagt heftig: "Die meisten Männer kannst du vergessen, außer meinen Charly natürlich!" "Also, ich habe von den Jungens erst mal die Nase voll, das ist geritzt", sagt Tina endlich und legt sich hin. Susa und ich sind noch nicht ganz draußen, da hören wir sie schon leise schnarchen.

Nach zwei Tagen trällert Tinas Stimme wieder durchs Haus. Der Fall scheint abgeschlossen, denn sie singt von morgens bis abends: "Uns geht's gut, wir ha'm Mut ..."

"Fein, daß du's wieder gepackt hast", sage ich erleichtert, aber plötzlich sieht mein Töchterlein traurig aus und murmelt: "Man hat's nicht leicht, wenn man's schwer hat." - Ich frage mich ernsthaft, ob ich noch einmal 17 sein möchte.


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