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06.05.06 / Er erfand die Romantik / Das Museum Folkwang zeigt eine Retrospektive mit Werken von Caspar David Friedrich

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. Mai 2006

Er erfand die Romantik
Das Museum Folkwang zeigt eine Retrospektive mit Werken von Caspar David Friedrich
von Silke Osman

Im Gegensatz zu den Klassizisten mit ihrem objektiven Universallicht sucht Friedrich die stimmungsvolle, symbolträchtige und vielfältig gebrochene Beleuchtung. Er liebt, wie alle romantischen Dichter, die ,mondbeglänzte Zaubernacht, die den Sinn umfangen hält', die Nebelstimmungen, die geheimnisvollen Sonnendurchbrüche, den sinkenden Abend und die Phasen der Nacht ... Darum geht es Friedrich, wie so manchen seiner Zeitgenossen, nicht um klassische Aufteilung und Begrenzung des Bildraumes; seine Bilder fließen in die Weite ...", liest man in Ullsteins Kunstgeschichte von 1964 über den wohl bekanntesten Maler der deutschen Romantik, über Caspar David Friedrich, dem seit gestern eine große Retrospektive im Essener Folkwang Museum gewidmet ist.

Der Mensch vor der Unendlichkeit der Natur, verloren wirkend, meditierend über die Allgewalt des Schöpfers, meist mit dem Rücken dem Betrachter des Bildes zugewandt, so kennt man die Gemälde des Meisters - sei es "Mönch am Meer", sei es "Mann und Frau den Mond betrachtend", oder "Mondaufgang am Meer", "Winterlandschaft mit Eichen", oder gar der "Wanderer über dem Nebelmeer".

Ruinen und Winterlandschaften, seine Vaterstadt Greifswald und die Insel Rügen mit den Kreidefelsen, Motive aus dem Riesengebirge und dem Elbtal - das alles hat Caspar David Friedrich mit dem Pinsel für die Nachwelt festgehalten, hat mit diesen Bildern seine Kunstauffassung manifestiert: "Nicht die treue Darstellung von Luft, Wasser, Felsen und Bäumen ist die Aufgabe des Bildners, sondern seine Seele, seine Empfindung soll sich darin widerspiegeln. Den Geist der Natur erkennen und mit ganzem Herzen und Gemüt durchdringen und aufnehmen und wiedergeben, ist Aufgabe eines Kunstwerks."

An anderer Stelle sagte er einmal: "Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht." - "Bewahre einen reinen kindlichen Sinn in dir und folge unbedingt der Stimme deines Innern; denn sie ist das Göttliche in uns und führt uns nicht irre." - "Nach dem Höchsten und Herrlichsten mußt du ringen, wenn dir das Schöne zuteil werden soll." - "Jedes echte Kunstwerk wird in geweihter Stunde empfangen." Wie hoch Caspar David Friedrich die Bedeutung seiner inneren Stimme eingeschätzt hat, läßt die Beschreibung seines Ateliers erahnen, die von Wilhelm von Kügelgen, dem Sohn seines Freundes Gerhard aus Dresdner Tagen, hinterlassen wurde: "Friedrichs Atelier war von absoluter Leerheit, daß Jean Paul es dem ausgeweideten Leichnam eines toten Fürsten hätte vergleichen können. Es fand sich nichts darin als die Staffelei, ein Stuhl und ein Tisch, über welchem als einzigster Wandschmuck eine einsame Reißschiene hing, von der niemand begreifen konnte, wie sie zu der Ehre kam. Sogar der so wohlberechtigte Malkasten nebst Ölflaschen und Farbenlappen war ins Nebenzimmer verwiesen, denn Friedrich war der Meinung, daß alle äußeren Gegenstände die Bildwelt im Innern stören ..."

Wer war dieser Mann, der uns eine solche Fülle zauberhafter Landschaften, zarter Zeichnungen und ergreifender religiöser Motive hinterlassen hat? Wer war dieser Künstler, von dem Gerd Unverfehrt in seiner Monographie über den Pommern 1984 schrieb: "Er war, vor allem anderen, ein Landschaftsmaler hohen Ranges. Er war sodann ein Revolutionär im Reich der Künste, der sich nicht der Krücken der Tradition bediente, sondern ohne Rücksicht auf herkömmliche Kunstformen die subjektiven Eindrücke seines ,inneren Auges' mitteilte. Und er war schließlich ein Vertreter jener politischen Romantik, die aus dem Erlebnis der napoleonischen Herrschaft eine Erneuerung von Nation und Gesellschaft, von Kunst und Religion anstrebte. In der Kunstform des Landschaftsbildes führte er seine Visionen einer in Staat und Religion geeinten Gesellschaft vor Augen. Mit Freiheitssehnsucht und religiöser Hoffnung kann sein Werk überschrieben werden."

Das Städtchen Greifswald gehörte zu Schweden, als dort am 5. September 1774 Caspar David Friedrich als Sohn eines Seifensieders und Lichtgießers geboren wurde. Er hatte sieben Geschwister; die Mutter starb früh, so daß dem Vater die Erziehung der Kinder zukam. Schon früh erhielt Caspar David Unterricht bei dem Greifswalder Universitätszeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp, von dem angenommen wird, er habe seinem Schüler die Vorstellungen des mit ihm befreundeten Theologen Kosegarten von der Natur als göttlicher Offenbarung und dem Gefühl als höchstem Erkenntnismittel vermittelt.

Friedrich war 20 Jahre alt, als er nach Kopenhagen ging, um die dortige Kunstakademie zu besuchen. Obwohl der strenge Lehrbetrieb ihm gar nicht behagte, blieb er doch vier Jahre dort. Später schrieb er über seine Ausbildung an der Kopenhagener Akademie: "Darum, ihr Lehrer der Kunst, die ihr euch dünket so viel mit eurem Wissen und Können, hütet euch sehr, daß ihr nicht einem jeden tyrannisch aufbürdet eure Lehren und Regeln; denn dadurch könnt ihr leichtlich zerknicken die zarten Blumen, zerstören den Tempel der Eigentümlichkeit, ohne den der Mensch nichts Großes vermag. Ihr vermöget doch nichts besseres aufzubauen; wieviel ihr euch auch dünket, das Eigentümliche im Menschen zeigt sich auf eigene Weise, jeder nach seiner inneren Natur auf andere Art. Eure Lehren können gut sein, doch für einen jeden passen sie nicht, denn nicht jede Blume gedeihet auf jedem Boden."

1798 zog Caspar David Fried-rich über Berlin nach Dresden, wo er sich niederließ und sich sogar an der Akademie einschrieb. Den Unterricht jedoch besuchte er nicht, sondern zog es vor, durch die Natur zu wandern - Skizzen zeugen von diesen Wanderungen, auf denen der Künstler "Material" sammelte für seine Landschaften. Reisen gaben ebenfalls Grundlagen für neue Eindrücke, neue Motive. Doch während es andere Künstler in den Süden, meist nach Italien zog, blieb der Pommer in seiner engeren Heimat. Er reiste nach Neubrandenburg, besuchte die Insel Rügen, Greifswald, wanderte durch das Riesengebirge, den Harz und das Elbsandsteingebirge.

Erste große Erfolge stellten sich 1805 ein, als Friedrich zwei Se-piazeichnungen auf der Weimarer Kunstausstellung zeigen durfte. In Weimar erhielt er gemeinsam mit dem Düsseldorfer Joseph Hoffmann den ersten Preis und errang darüber hinaus die Aufmerksamkeit des Weimarer Hofes.

Auch das preußische Königshaus ließ sich von Friedrichs Kunst gefangennehmen; es zählte zu den begeisterten Sammlern seiner Gemälde. - 1810 wurde Friedrich zum Mitglied der Berliner Akademie ernannt, 1816 zum Mitglied der Dresdener Akademie; eine Professur allerdings wurde ihm nie erteilt. Es war dies die Zeit der napoleonischen Besetzung und der Befreiungskriege. Vielleicht galt Friedrich, der 1813 mit seinem Landsmann Ernst Moritz Arndt zusammengetroffen war und sich "gegen Fürstenknechtschaft und für Volkssouveränität" in einem Brief an Arndt bekannt hatte, vielleicht galt dieser Mann damals als politisch unzuverlässig ...

Friedrichs Stern am Kunsthimmel begann zu verblassen. Eine neue Zeit war angebrochen, zudem machten ihm Krankheiten und zwei Schlaganfälle (1835 und 1837) sehr zu schaffen. Mißverstanden und vereinsamt starb er am 7. Mai 1840 in Dresden und wurde am 10. Mai auf dem Trinitatisfriedhof in Dresden-Johannstadt beigesetzt.

Faszinierend sind auch heute noch die Landschaften Friedrichs, die Professor Richard W. Eichler einmal ein "Gleichnis ewiger Dinge" genannt hat, spürt man doch den "göttlichen Funken", der den Meister beseelt haben muß, als er zum Pinsel griff: "Der edle Mensch (Maler) erkennt in allem Gott, der gemeine Mensch (auch Maler) sieht nur die Form, nicht den Geist."

"Ein Bild muß nicht erfunden, sondern empfunden sein." Worte des Malers Friedrich, die unterstreichen, was der Komponist und Dichter, der Königsberger

E. T. A. Hoffmann einmal über die Kunst gesagt hat: "Es gibt keinen höheren Zweck der Kunst als in den Menschen diejenige Lust zu entzünden, welche sein ganzes Wesen von aller irdischen Qual, von allen niederbeugendem Druck des Alltagslebens wie von unsauberen Schlacken befreit und ihn so erhebt, daß er, sein Haupt stolz und froh emporrichtend, das Göttliche schaut, ja mit ihm in Berührung kommt ..."

Erste große Erfolge feierte er in Weimar

Caspar David Friedrich: Wanderer über dem Nebelmeer (Öl, um 1818; im Besitz der Hamburger Kunsthalle

Mit kritischem Blick: Selbstbildnis des Künstlers (Schwarze Kreide auf Velin, um 1800; im Besitz des Statens Museum for Kunst, Kopenhagen) Foto: Den kongelige Kobbersticksamling Kopenhagen

 

Sensationelle Leihgaben aus aller Welt machen die Ausstellung in Essen zu einem Ereignis

Das Museum Folkwang in Essen zeigt mit der Retrospektive "Caspar David Friedrich - Die Erfindung der Romantik" erneut eine herausragende Ausstellung von internationaler Bedeutung. Mit rund 80 Gemälden und weit über 100 Arbeiten auf Papier, darunter einzigartigen Meisterwerken aus großen Museen und Privatsammlungen, die bislang noch nie ausgeliehen wurden, erschließt sie das Werk dieses wichtigsten deutschen Malers des 19. Jahrhunderts einem neuen Verständnis. Mehr als 30 Jahre nach der letzten Retrospektive in Deutschland richtet die Essener Ausstellung den Blick auf die besondere künstlerische Leistung Caspar David Friedrichs (1774-1840) und offenbart ihn als großartigen Schöpfer und Konstrukteur suggestiver, bedeutungsreicher Bilder.

Noch zu Lebzeiten in Vergessenheit geraten, wurde Friedrich zu Beginn des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und gilt heute als wichtigster Maler der deutschen Romantik. Auch im europäischen Ausland, in Rußland und in Amerika fand sein Werk in den vergangenen Jahrzehnten zunehmende Beachtung.

Friedrich ist nunmehr auch international als einer der zentralen Künstler des 19. Jahrhunderts anerkannt. Dies zeigen unter anderem die große Caspar-David-Friedrich-Ausstellung 1972 in der Tate Gallery in London, die kleineren 1991 und 2002 im Metropolitan Museum in New York oder die Ausstellung 1992 im Prado in Madrid. In Deutschland ist die Essener Retrospektive die erste nach den beiden großen Ausstellungen zu Friedrichs 200. Geburtstag 1974 in Hamburg und Dresden.

Spätestens seit diesen beiden Jubiläumsausstellungen hat die Fried-rich-Forschung einen enormen Aufschwung erfahren, wobei es zu durchaus kontroversen Interpretationen seiner Werke kam. Besonders zwei Linien haben sich herausgebildet: die religiöse und die politische Deutung der Fried-richschen Bildmotive. Gegenüber diesen zuweilen einseitig symbolischen Interpretationsansätzen versucht die Essener Ausstellung vor allem die künstlerische Bedeutung des Werkes hervorzuheben, das heißt, die Frage nach der "Erfindung der Romantik". Hiermit ist zunächst der Aspekt der Bilderfindung in Friedrichs künstlerischem Schaffen gemeint - im Sinne der Fiktivität seiner Naturansichten, die Detailrealismus und abstrakte Konstruktion in sich vereinen. Darüber hinaus verweist der Titel auf den epochalen Umbruch, den die Romantik in der Kunst ebenso wie im Denken und Fühlen des bürgerlichen Zeitalters vollzogen hat. Entgegen der im 20. Jahrhundert gängigen Assoziation des Romantischen mit dem Gefühlvollen, Ungenauen will die Ausstellung den Blick für die Präzision und Konstruktivität in Friedrichs Werken und für die bewußte Kalkulation ihrer Wirkung schärfen. In diesem Sinne soll eine kleine Gruppe von Arbeiten zeitgenössischer Künstler Friedrichs Aktualität in einer Art Epilog beleuchten.

Die Ausstellung ist thematisch gegliedert. 17 Kapitel führen das Schaffen Friedrichs in seiner ganzen Vielfalt vor Augen: die klassischen Bildmotive der romantischen Malerei finden ebenso Beachtung wie die spezifische Bildregie des Künstlers zur Erfindung romantischer Stimmungen und Empfindungen. Sensationell ist die große Anzahl von Meisterwerken, die zu sehen ist. mfe

Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags von 10 bis 20 Uhr, freitags von 10 bis 24 Uhr, montags geschlossen, Katalog 29 Euro, Eintritt dienstags bis freitags 10 Euro, am Wochenende und an Feiertagen 12 Euro / 7 Euro, bis 20. August; von Oktober 2006 bis Januar 2007 ist die Ausstellung auch in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.


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