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06.05.06 / Der "Storch" verläßt erstmals sein Nest / Vor 70 Jahren fand der Jungfernflug des "fliegenden Feldherrnhügels", des Mehrzweckflugzeuges Fieseler Fi 156 statt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. Mai 2006

Der "Storch" verläßt erstmals sein Nest
Vor 70 Jahren fand der Jungfernflug des "fliegenden Feldherrnhügels", des Mehrzweckflugzeuges Fieseler Fi 156 statt
von Manuel Ruoff

Die Fi 156, der "Fieseler Storch", eines der erfolgreichsten Flugzeuge seiner Klasse, war aus der Not geboren. Wie Junkers mit seiner legendären Ju 87 (vgl. Folge vom 17. September) hatte auch das Unternehmen des ebenso bekannten wie erfolgreichen Weltkriegs- und Kunstflugpiloten Gerhard Fieseler für die 1935 geschaffene deutsche Luftwaffe einen Sturzkampfbomber, die Fi 98 Stuka, entwickelt. Der Prototyp stürzte jedoch bei einem Überführungsflug nach Rechlin zur Erprobungsstelle der Luftwaffe ab. Aus 5000 Metern Höhe trudelte die Maschine in einen Wald, nur vier Kilometer vom Werkflugplatz in Kassel entfernt. Da der Pilot wegen der hohen Fliehkräfte die stürzende Maschine zu spät mit dem Fallschirm hatte verlassen können, kostete das Unglück ein Menschenleben. Das Reichsluftfahrtministerium stoppte daraufhin sofort die Weiterarbeit an der Maschine.

Im Zuge der nun vollzogenen Neuorganisation des Werkes übernahm Fieselers ständiger Vertreter Karl Thalau die Entwicklungsabteilung. Um die aufgrund des jähen Endes des Stuka-Projektes brach liegenden Entwicklungskapazitäten zu nutzen, holte er den Entwicklungsauftrag für eine andere Militärmaschine an Land. Gesucht wurde ein Verbindungsflugzeug, das möglichst überall starten und landen und als Langsamflugzeug den Fesselballon des Ersten Weltkrieges ersetzen konnte. Als Antriebsaggregat war ein 240 PS leistender luftgekühlter V8-Motor des Typs Argus As 10 c vorgegeben. Sollte der Prototyp sich gegen die Konkurrenzentwicklungen durchsetzen können, sollte ein Auftrag für die Serienfertigung folgen.

Bereits sechs Monate bevor Fieseler Hals über Kopf unplanmäßig in den Wettbewerb einstieg, waren mit Focke-Wulf, den Bayerischen Flugzeugwerken (BFW) und Siebel bereits wie üblich drei Unternehmen Entwicklungsaufträge erteilt worden. So standen schließlich vier Maschinen zur Wahl. Siebel präsentierte die Si 201, Focke-Wulf den Tragschrauber FW 186, BFW die Bf 163 und Fieseler schließlich die Fi 156

Die Entscheidung lag maßgeblich beim Leiter des Technischen Amtes des Reichsluftfahrtministeriums, Oberst Ernst Udet. Nach einem Flug mit Si 201 beurteilte er die Landeeigenschaften und das Verhalten am Boden als ungenügend. An der FW 186 monierte er, daß der Tragschrauber für den Fronteinsatz zu anfällig sei. Die Bayerischen Flugzeugwerke hatten wegen der Arbeiten an dem Jäger Bf 109 (vgl. Folge vom 28. Mai) Probleme mit der Einhaltung der Termine. Als Anfang 1938 die Bf 163 zum Erstflug bereit stand, war die Entscheidung für die Fi 156 bereits gefallen.

Bereits sechs Monate nach Auftragserteilung stand die erste Fi 156 fertig auf dem Platz. Wie immer bei seinen Maschinen ließ Fieseler es sich nicht nehmen, den Jungfernflug selber vorzunehmen. Dieser Erstflug am 10. Mai 1936 muß recht aufsehenerregend gewesen sein. "Ich dachte, mir bleibt das Herz stehen!" kommentierte einer der Mitarbeiter, was sein Chef mit der Maschine anstellte. Der Pilot selber beschrieb dieses Flugerlebnis der besonderen Art in seinen Memoiren wie folgt: "Nach kurzem Start ,hing ich die Maschine an den Propeller', wie man so schön sagt - ich brachte sie also in einem steilen Steigflug bei größtem Anstellwinkel. Ohne Zuladung und mit der starren Vorderflügelkonstruktion konnte ich mir einen übertriebenen Kavaliersstart erlauben. Das hatte ich noch nie mit einem Flugzeug machen können".

Neben den guten Sichtverhältnissen und der für einen "fliegenden Feldherrnhügel" ebenfalls wichtigen Fähigkeit zum Langsamflug waren es die extrem kurzen Starts und Landungen, die dieses Flugzeug auszeichneten. Für einen Start genügten 30 bis 40 Meter, für eine Landung gar nur 20 bis 30 Meter. Durch sein auffallend hohes Fahrgestell, das an einen Storch, den von Fieseler selbst kreierten Spitznamen der Maschine, erinnert, konnte zudem die Start- beziehungsweise Landefläche auch uneben sein, ohne daß deshalb gleich die Gefahr des Überschlags bestand. Kein Wunder, daß die Entwicklung des Hubschraubers in Deutschland unter diesem Flugzeug gelitten hat.

Nach der Grundsatzentscheidung lief 1937 die Vorserie Fi 156 A-0 an. Die Maschinen mit den Werknummern 605 bis 614 dienten zum Einfliegen und zur Erprobung in der und durch die Truppe. Bei dem im Juni jenes Jahres stattfindenden internationalen Flugmeeting in Dübendorf bei Zürich war der "Storch" die Attraktion. Udet erntete Lachstürme, als er entlang der 200 Meter langen Tribüne dreimal hintereinander startete, auf etwa zehn Meter Höhe stieg und dann wieder landete. Im Reich erlebte das Flugzeug im März 1939 seinen ersten öffentlichen Auftritt, als es am sogenannten Tag der Wehrmacht auf der eigentlich für Autos und Fuhrwerke bestimmten Straße Unter den Linden zwischen der Staatsoper und der Neuen Wache spektakulär landete.

Aber natürlich war die Fi 156 nicht zum Erstaunen und Erheitern von Publikum gebaut. Nach dem Beginn der Serienfertigung im Jahre 1939 fand sie im Zweiten Weltkrieg die unterschiedlichsten militärischen Verwendungen. Sie diente als Verbindungsflugzeug. Heereskommandeure nutzten sie außer zum Reisen auch zur Erkundung der Lage aus der Luft. Als Kurzstrecken-Aufklärer und leichter Transporter diente sie ebenfalls. Auch leistete sie als Sanitätsflugzeug bei der Rettung von Verwundeten aus unwegsamem Gelände gute Dienste. Durch ihre Fähigkeit zum Langsamflug war sie des weiteren als Fernmeldekabelleger geeignet. Auch für die Partisanenbekämpfung und für Geheimdienstaufgaben wurde sie gerne verwandt.

Seine spektakulärste Verwendung fand das Flugzeug beim Unternehmen Eiche. Ein deutsches Kommandounternehmen landete mit Lastenseglern sowie einigen Exemplaren des "Storchs" nahe dem im Gebirgszug Gran Sasso gelegenen Hotel Campo Imperatore, in dem Mussolini gefangengehalten wurde, stürmten das Haus, befreiten den Italiener und flogen ihn anschließend mit einem "Storch" aus. Durch "Der Untergang" dürfte auch jüngeren Jahrgängen der spektakuläre Flug von Hanna Reitsch mit Robert Ritter von Greim in einem "Fieseler Storch" ins belagerte Berlin ein Begriff sein.

Bis zum Ende des Zweiten Krieges wurden insgesamt 2564 Exemplare gebaut. Der Typ war derart gut, daß das Reich viele Exemplare exportieren konnte, die so das Kriegsende überlebten. Aufgrund der Produktionsengpässe bei Fieseler war zudem ein Teil der Fertigung in die Tschechoslowakei und nach Frankreich verlegt worden, wo die Maschine auch noch nach dem Ende des Krieges für militärische und zivile Zwecke weiter produziert wurde. So waren über drei Jahrzehnte nach Kriegsende außer im ursprünglichen Herkunftsland Deutschland auch noch in Belgien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Jugoslawien, den Niederlanden, der Schweiz, Südafrika, der Tschechoslowakei und den USA "Störche" zu Hause.

Die Fi 156 auf dem Weg nach oben: Dem "Fieseler Storch" gelang es, sich von der Konkurrenz abzuheben, sie zu überflügeln und ihr davonzufliegen. Foto: Archiv

Die Konkurrenzprototypen zum "Fieseler Storch" Fi 156: Die Siebel Si 201 (links), die Focke-Wulf FW 186 (rechts) und die Bf 163 (hier als Modell) der Bayerischen Flugzeugwerke (BFW) Fotos (3): Archiv


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