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13.05.06 / Vorstoß der Radikalen / Auf Rechtsruck in Warschau folgt Regierungskrise - Lepper verurteilt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 13. Mai 2006

Vorstoß der Radikalen
Auf Rechtsruck in Warschau folgt Regierungskrise - Lepper verurteilt
von Bernhard Knapstein

Die Bombe gleich vorneweg. 15 Monate Haft auf Bewährung für Andrzej Lepper, den Stellvertretenden Ministerpräsidenten der Republik Polen, Landwirtschaftsminister und Führer der populistischen Partei "Samoobrona" ("Selbstverteidigung"). So bestätigte ein Warschauer Gericht ein Strafurteil wegen Rufmord gegen den frisch inthronisierten Minister. Leppers Verurteilung kommt keineswegs überraschend. Er sieht sich selbst gerne in der Rolle eines "positiven Diktators" und hat eine gewisse Affinität zu strafrechtlich relevantem Verhalten.

Sieben Monate nach den Sejmwahlen ist es Jaroslaw Kaczynski, dem Chef der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), gelungen, durch Koalitionsbildung unter Einbeziehung der populistischen "Samoobrona" und der radikalen "Liga Polnischer Familien" (LPR) des Nationalisten Roman Giertych eine Mehrheitsregierung zu bilden. Gleich mit der Bildung der Regierung beginnt allerdings auch ihre Krise, deren Ende vermutlich erst mit dem Abtritt der Regierung selbst einhergeht.

Schon die Berufung Leppers hatte zum Rücktritt des parteilosen Außenministers Stefan Meller, der sich in der Europapolitik als konstruktiver Politiker ausgezeichnet hatte, geführt. Meller war ein beliebtes Ziel für Leppers regelmäßige Verbalausfälle. Ein Nachfolger für den vakanten Außenministerposten war bei Redaktionsschluß noch nicht bekannt.

Nachdem auch die antieuropäisch ausgerichtete LPR unter dem Vorsitz Roman Giertychs auf die Regierungsbank gewechselt war, folgten weitere Rücktritte. So nahm die polnische Regierungsbeauftragte für Deutschland, Irena Lipowicz, Abschied von ihrem Amt. Auch Gesundheitsminister Zbigniew Religa möchte nicht länger einer ultrarechts ausgerichteten Regierung angehören und übermittelte Ministerpräsident Kazimierz Marcinkiewicz sein Rücktrittsgesuch. Der lehnte den Rücktritt zwar zunächst ab, da Polen eine komplexe Gesundheitsreform zu bewältigen hat, doch ist nun offensichtlich, daß für einige PiS-Politiker mit der Einbeziehung des mehrfach vorbestraften Bauernführers Andrzej Lepper und des Nationalisten Giertych ein Punkt überschritten worden ist, an dem sie nicht mehr mitmachen wollen.

Der erst 35jährige Giertych hatte 1989 die nationalistische "allpolnische Jugend" gegründet, die gute Beziehungen zur polnischen Skinheadszene pflegt.

Eine aktuelle Umfrage hat nach Angaben von "Radio Polonia" ergeben, daß 65 Prozent der polnischen Wähler der Regierungsbeteiligung Leppers und Giertychs "höchst kritisch" gegenüberstehen. Nun sind beide nicht nur Minister, sondern auch Stellvertreter von Regierungschef Marcinkiewicz.

Daß die Regierungskrise nicht nur ein Sturm im Wasserglas ist, verdeutlichen besänftigende Worte in Richtung Brüssel von PiS-Parteichef Kaczynski, der sich selbst nicht gerade als Vorzeigeeuropäer betrachtet. Utopische Forderungen in der Wirtschaftspolitik und eine Verschlechterung der Beziehungen zur EU werde er "nicht zulassen".

Die Zeit wird zeigen, wie weit es ihm gelingt, dies zu gewährleisten. Die Zusammensetzung der alles andere als homogenen Regierungskoalition verspricht allerdings eine latente Regierungskrise in Warschau. Genau jene Krise, die Kaczynski zu vermeiden trachtete.

Eines steht jedoch fest: Die in PiS-Kreisen vielbeschworene "moralische Revolution" ist jetzt schon gescheitert.

Nur noch eine Frage der Zeit: Mit dem Eintritt des anti-europäischen Populisten in die polnische Regierung beginnen die Auflösungserscheinungen in Form von Rücktritten anderer Minister. Wie lange die gerade erlangte Mehrheit im Sejm gehalten werden kann, ist offen. Foto: Reuters

Andrzej Leppers (Foto Mitte)


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